Was für ein Tag für den FC Hollywood:
- Seit Tagen berichten die Medien im 15-Minuten-Takt: “Die Steueraffäre um Uli Hoeneß spitzt sich immer weiter zu.” Da kann man dann im Eifer des Gefechts schon mal den Bayern-Präsidenten im O-Ton mit den Worten zitieren: “Wenn die Unternehmer alle in die Schweiz gehen, ist auch keinem geholfen. Mit einer Reichensteuer geht es dem kleinen Mann kein Stück besser” (Maybrit Illner 2009), und den Beitrag durch den Teaser “Hoeneß wettert gegen Steuerflüchtlinge” ins Gegenteil verkehren.
- Klar, dass der Bayern-Patron vom Schwiegermutter-Talker Jauch bis zum Grevenbroicher Tagblatt durch den Fleischwolf gedreht wird. Da erkennt manch einer seinen Uli nicht mehr: Ob Kanzlerin oder hiesiger Ministerpräsident, ob Sportmoderator oder Focus-Faktotum: Alle sind sie jetzt enttäuscht. Man hat fast den Eindruck: Die reden von einem schüchternen Außenseiter und nicht vom bulligen Poltergeist. Was hat uns das überrascht, dass ein Alphatier par excellence, ein Kapitalist, wie er im Kapitale steht, ein Machtmensch, wie ihn Macchiavelli nicht idealtypischer hätte porträtieren können, dass dieser Uli Hoeneß sein Kapital maximierte! “Da weisse bescheid, Schätzelchen!”
- Der Mann, der den beipielhaften Aufstieg eines bayerischen Fußballvereins zu einem Global Football-Player mit vollem Einsatz und rotem Kopf durchgesetzt hat, der Spaniens Vorzeigetrainer Pep Guardiola und jetzt auch noch Mario Götze an die Isar gelotst hat und gleichzeitig vor spanischen Verhältnissen in der Bundesliga warnte, der sollte versucht haben, das deutsche Finanzamt auszutricksen … unvorstellbar … neeeeiiiin, so ein gutmütiger Kerl wie der Hoeneß doch nicht!
- Bei dieser geballten Heuchelei muss man kein Bayern-Fan sein, kein Hoeneß-Jünger, um dem Uli zu wünschen: Jetzt pack mal aus, wer von deinen empörten Kumpels mit dir Spielgeld in der sauberen Schweiz gebunkert hat und wer dabei die juristischen Eier hat, den Staatsanwalt zurückzupfeifen. Und dann mach, was du am liebsten tust – makier” den dicken Maxe und spende die Kohle an die, die´s wirklich brauchen können: afrikanische Frauenprojekte, syrische Flüchtlinge und Jahn Regensburg.
Unbeeindruckt vom Theaterdonner
Fußball wurde auch gespielt an diesem denkwürdigen Dienstagabend, als die Ära des öden Tiki Taka zu Ende ging und endlich wieder Zicke Zacke Einzug hält. Der FC Bayern München ließ sich vom Theaterdonner abseits des Spielfelds nicht beeindrucken und fegte im Halbfinalhinspiel der Champions League den Favoriten FC Barcelona mit 4:0 (1:0) vom Platz. Vier Jahre nach der 0:4-Pleite im Nou Camp unter dem gequält lächelnden Ersatzbuddha Jürgen Klinsmann löschten Thomas Müller mit zwei Toren, Mario Gomez mit einem abseitsverdächtigen Abstauber und Arjen Robben mit einem Bums die Blamage aus dem kollektiven Gedächtnis der Bayern-Fans. 68.000 Zuschauer in der Münchner Arena waren entzückt.
Darunter auch Bayerns Aufsichtsratschef Karl-Heinz Rummenigge: “So einen Abend habe ich schon lange nicht mehr erlebt, 4:0 gegen die beste Mannschaft der Welt, das ist wie ein Traum.” Am kommenden Mittwoch können die entfesselten Münchener nun auch das Fundament dafür legen, das Trauma der Niederlage vom “Finale dahoam” vergessen zu machen und zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren das Champions-League-Finale zu bestreiten. Am 25. Mai im Londoner Wembley-Stadion ist dann der FC Bayern Topfavorit auf den Titel, komme, wer da wolle – und am besten die Borussia aus Dortmund, sozusagen Trostpreis für Götze, falls das nicht schon eine Vertragsklausel ist.
Von Xavi, Iniesta, Messi keine Spur
Erwartungsgemäß durfte im Sturm Torserienschütze Mario Gomez für den gesperrten Mario Mandzukic ran. In der Abwehr bekam Jerome Boateng neben Dante den Vorzug vor Daniel van Buyten in der Innenverteidigung. Bastian Schweinsteiger und Javier Martinez konterkarierten Barcelonas Kombinationsspiel im Mittelfeld um den völlig entzauberten Xavi Hernandez. Von Halbgott Lionel Messi keine Spur – Manuel Neuer blieb in Hälfte eins arbeitslos. Für die Bayern hatte Arjen Robben schon nach zwei Minuten die große Chance, aus zwölf Metern einzunetzen, Victor Valdes verhinderte die Blitzführung.
Es dauerte bis zur 25. Minute, als Barcas Hintermannschaft Ribérys Ecke nicht vom Fleck brachte und Dante Robbens Flanke per Kopf auf Müller verlängerte, der zum 1:0 einnickte. Es hätte noch schlimmer kommen können für die Katalanen: Der ansonsten solide ungarische Schiedsrichter Viktor Kassai übersah ein klares Handspiel von Alexis Sanchez im Strafraum und verweigerte den Gastgebern den fälligen Strafstoß.
Mehr Qual als Qualität
In Hälfte zwei taten sich die überforderten Gäste noch schwerer, das selbstbewusste “Mia san Mia“-Team aus dem Konzept zu bringen. Plötzlich wurde deutlich, dass diese Kaiser ja schon länger ohne Kleider durchs Stadion schlichen – gegen Paris mit zwei Remis gerademal so durchgerutscht, in Mailand das Hinspiel 0:2 verloren, alles mehr Qual als Qualität. Gerade mal drei Minuten waren gespielt, als Thomas Müller schon wieder die blau-rot-gestreiften Nordspanier brüskierte, höher als Alves sprang, Gomez bediente, der – zugegeben – aus abseitsverdächtiger Position ins Netz stocherte.
Theoretisch wussten die Entzauberten natürlich, dass sie spätestens jetzt aufdrehen müssten – doch woher sollten die müden Helden jetzt den Elan nehmen, der ihnen schon länger abhanden gekommen ist? Nach vorne ging weiter wenig, dafür ließen sie den Power-Münchnern jetzt noch mehr Platz. Müllers Schuss aus zweiter Reihe ging knapp vorbei, Ribéry hatte das 3:0 von halblinks auf dem Fuß. Einmal, wenigstens einmal kam ein Spanier gefährlich vors Bayern-Tor: bezeichnenderweise keiner der Stars, sondern das junge Abwehrtalent Marc Bartra gab Manuel Neuer Gelegenheit, bei seinem Flachschuss zu glänzen (69.).
Barcas höchste Niederlage
Und dann wurde es ganz, ganz bitter – “wir wollen Gegner, keine Opfer” hätten die Bayern-Fans singen können, nach dem 6:1-Doppelpack gegen Hannover und Wolfsburg. Immerhin, es hätte noch schlimmer kommen können für die teuerste Mannschaft der Welt, man denke nur an das 9:2-Massaker an den Hamburgern. So machten es die Münchener gnädig mit den Schuldenkönigen von der iberischen Halbinsel: Robben krönte seine ausgezeichnete Leistung mit dem 3:0, dem, das sei der Vollständigkeit halber erwähnt, ein Foul von Müller vorausgegangen war.
Die höchste Niederlage der Katalanen in einem europäischen Wettbewerb besiegelte natürlich der entfesselt aufspielende Thomas Müller kurz vor seiner Auswechslung: Das 4:0 geht auch in dieser Höhe völlig in Ordnung. Der strahlende Karl-Heinz Rummenigge übte sich nach dem Spiel erst einmal in Understatement. Noch gebe es keinen Grund zum Feiern, “Wasser statt Champagner”, es stehe noch das Rückspiel aus. „Die halbe Miete“, will dagegen Philipp Lahm schon eingefahren haben, wenngleich seine Mannschaft „in der nächsten Woche nochmal genauso konzentriert spielen“ müsse.