Berlin (dpa/tmn) – Nimmt man das neue Xiaomi 14 zum ersten Mal in die Hand, könnte man meinen, es sei ein iPhone 15. Denn es hat einen flachen Bildschirm, eingefasst von einem Aluminiumrahmen – genau wie ein iPhone. Es bietet anpassbare Sperrbildschirme, die um das Always-on-Display herum gestaltet sind – genau ein iPhone.
Die Galerie-App schneidet automatisch einen Menschen oder ein Haustier aus, wenn man auf ein Foto tippt, damit sich der Ausschnitt etwa direkt in einem Messenger nutzen lässt – wie auf dem iPhone. Und Xiaomi leiht sich auch Apples charakteristisches Dynamic-Island-Feature mit neuen Pop-up-Benachrichtigungen, die in Schwarz um die Selfie-Kamera herum erscheinen.
Die wahren Vorteile liegen woanders
Ganz gleich, wie man dazu steht, dass sich Xiaomi für diese neuen Features ganz offensichtlich Inspiration bei Apple geholt hat: Die wahren Vorteile des Telefons liegen woanders, nämlich in der Hardware.
Xiaomi spendiert dem «normalen» 14 nämlich eine regelrechte Profi-Kameraausstattung mit Teleobjektiv, für das Google und Apple mehr Geld verlangen. Eine Pro-Version des 14 verkauft Xiaomi außerhalb Chinas gar nicht mehr. Das Kamerasystem des 14 erhält zudem jene Linsen, die beim Xiaomi 13 noch dem Pro-Modell vorbehalten waren: Eine von mehreren Verbesserungen, die sich aber nicht in einem höheren Preis niedergeschlagen haben.
Höher, schneller, weiter?
Zudem hat sich der Speicherplatz verdoppelt (jetzt ab 256 GB), das Aufladen geht fixer (90 statt 67 Watt), und die Batteriegröße wurde leicht auf 4610 mAh erhöht. Und das neue, scharfe 6,3-Zoll-LTPO-AMOLED-Display weist im Vergleich zum Xiaomi 13 eine höhere Pixeldichte (1200×2670 statt 1080×2400) auf. Die maximal mögliche Helligkeit des Bildschirms gibt Xiaomi mit atemberaubenden 3000 nits an, im Betrieb typisch sein sollen bis zu 1000 nits.
Wo wir schon so genau hinsehen: Der Ausschnitt der Selfie-Kamera ist relativ groß geraten für ein Android-Flaggschiff, ebenso die Ränder des Bildschirms. Aber: Beides fällt immer noch kleiner aus als beim iPhone 15. Ansonsten ist der Fingerabdrucksensor seltsam niedrig platziert, sodass man den Daumen etwas strecken muss.
Davon abgesehen kann das Xiaomi 14 bei der Hardware locker mit der Konkurrenz mithalten oder diese sogar übertrumpfen: Es bietet den neuesten Snapdragon 8 Gen 3 Chip auf, einen Bildschirm mit dynamischer Bildwiederholrate von 1 bis 120 Hertz, schnellen UFS-4.0-Speicher und einen IP68-Schutz gegen Wasser und Staub.
Turboladung mit und ohne Kabel
Deutlich abheben kann sich das Xiaomi 14 in puncto Batterie. Es soll laut Hersteller in 31 Minuten den völlig leeren Akku vollständig aufladen können. Dafür lädt es die Batterie am Kabel mit 90 Watt.
Das entspricht einem Vielfachen der Ladeleistung von Flaggschiff-Modellen der Konkurrenz wie etwa dem Samsung S24 (25 Watt), dem Google Pixel 8 (27 Watt) oder Apples iPhone 15 (20 Watt). Das Xiaomi 14 bietet außerdem kabelloses Aufladen mit 50 Watt, was viele Konkurrenten immer noch in den Schatten stellt, ganz gleich ob mit oder ohne Kabel.
Wie gesagt übernimmt Xiaomi für das 14 im Wesentlichen die Kameralinsen des teureren 13 Pro und fügt drei 50-MP-Objektive hinzu: eine Hauptkamera, die von einem Ultraweitwinkel- und einem Dreifach-Teleobjektiv unterstützt wird.
Mit KI im Hintertreffen
Die Kamera kann mit denen der Konkurrenz-Flaggschiffe mithalten, wenn vielleicht auch nicht, wenn es um den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) geht. Xiaomi bietet zwar seit Langem einige grundlegende KI-Fotobearbeitungsfunktionen an, etwa das Entfernen von Menschen oder Objekten aus Fotos.
Aber diese Features bleiben eher einfach. Anders als etwa bei den neuesten Samsung-Handys lassen sich Menschen und Gegenständen nach Antippen nicht einfach beliebig innerhalb des Bildes verschieben. Und das Löschen unerwünschter Objekte hinterlässt immer noch hässliche Schlieren.
Xiaomi hat zwar generative Kamera-KI-Funktionen wie etwa das Erstellen eines passenden Hintergrundes für Porträt-Fotos angekündigt. Eine Live-Übersetzung wie bei Samsung- oder Google-Telefonen ist ebenfalls versprochen worden. Aber es nicht sicher, wann genau diese Features verfügbar sein werden.
Xiaomi konzentriert sich auf HyperOS
Xiaomi scheint sich mehr auf eine Android-Version zu konzentrieren, die gut mit dem eigenen Ökosystem und seinen Produkten funktioniert. HyperOS, der Nachfolger von MiUI, soll mit Xiaomis erstem E-Auto, dem SU7 harmonieren. In China soll der SU7 noch in diesem Jahr auf den Markt kommen.
Vorinstallierte Bloatware bleibt ein Problem bei HyperOS. Die meisten Nutzer werden beim Anblick ungewollter Apps seufzen und versuchen, Benachrichtigungen stumm zu schalten, die sie dazu bringen wollen, Xiaomis Imitationen von Apps wie “YouTube” oder “TikTok” zu nutzen.
Immerhin ist es Xiaomi gelungen, die Größe des Betriebssystems auf 8 GB zu reduzieren: Vorherige Geräte des Herstellers kamen im Auslieferungszustand schon einmal auf bis zu 15 GB. Nun bleibt mehr Platz für gewollte Apps oder auch für die Fotos und Videos der Nutzenden.
Xiaomi enttäuscht etwas, wenn es um den langfristigen Software-Support geht. Der Hersteller verspricht vier Jahre Android-Updates und fünf Jahre Sicherheitsupdates für das Xiaomi 14 – und bleibt damit weit hinter den sieben Jahren Support zurück, die Google und Samsung für ihre Flaggschiffe zusichern.
Fazit: Lohnt sich das Xiaomi 14?
Das Xiaomi hebt sich von Samsung, Google und Apple insbesondere durchs schnellere Aufladen ab. Das mitgelieferte 90-Watt-Ladegerät könnte für einige kaufentscheidend sein. Der extrem helle Bildschirm und viele nützliche, teils vom iPhone inspirierte Softwarefunktionen sind ebenso Pluspunkte wie das Teleobjektiv der Kamera.
Letzteres bietet unter den Konkurrenten nur Samsung in der Standard-Version seines Top-Smartphones S24 an. Beim Google Pixel 8 und beim iPhone 15 müssen Käuferinnen und Käufer schon jeweils zur Pro-Version greifen, um ein echtes Teleobjektiv zu bekommen.
Für das 14 mit 256 Gigabyte Speicher ruft Xiaomi zum Marktstart 1000 Euro als Listenpreis auf – weniger als beispielsweise Google fürs Pixel 8 Pro verlangt, aber mehr als Samsung fürs S24 zugrunde legt. Allerdings liegen die Marktpreise fast immer unter den Preisempfehlungen der Hersteller. Die Online-Preise für das Xiaomi 13 fielen beispielsweise in den Wochen nach Markteinführung um bis zu 25 Prozent.