Karlsruhe (dpa) – Hoffen und Bangen bei Deutschlands Spitzenköchen: Am Dienstag (ab 17.00 Uhr) werden in Karlsruhe die diesjährigen Michelin-Sterne bekanntgegeben. Dann steht fest, welche Restaurants sich in den Feinschmecker-Olymp gekocht haben, wer eventuell noch einen weiteren Stern bekommt – und auch, wessen Stern am Sinken ist.
Bislang stehen bundesweit 327 Gourmetküchen mit mindestens einem Stern im «Guide Michelin». Drei Sterne sind die Krönung. Das erreichten im vergangenen Jahr nur neun Restaurants. Die meisten Spitzenrestaurants gibt es in Deutschland traditionell im Süden und Südwesten, darunter die langjährigen Drei-Sterne Restaurants «Bareiss» und «Schwarzwaldstube» in Baiersbronn im Schwarzwald.
Das hängt nach Einschätzung von Ralf Flinkenflügel (58), dem Direktor des «Guide Michelin» für Deutschland und die Schweiz, ein bisschen mit der Lebensart und der Grenze zu Frankreich zusammen. «Wo guter Wein getrunken wird, wird auch gut gegessen.» Doch auch Städte wie Berlin holen auf. Dort schätzt Flinkenflügel die Vielfalt und das Ungezwungene.
Ob französisch angehaucht oder kulinarisch bunt gemischt – auch in der Spitzengastronomie geht es seit geraumer Zeit nicht mehr so steif zu. «Das Elitäre hat unheimlich nachgelassen», berichtet Flinkenflügel. «Es ist entspannter. Immer mehr jüngere Leute gehen gerne gut essen.» Schon länger im Trend seien vegetarische Angebote, veganes Essen eher weniger. «Das ist schwierig. Zum einen fehlt manchen Köchen das Know-how, zum anderen ist der Aufwand enorm, um ein entsprechend gutes Mahl zu kochen.»
Klar ist: Alle Köche haben sich ins Zeug gelegt. «Chapeau» sagt Flinkenflügel vorab schon mal allen für ihren Mut und ihre Bemühungen. Denn die Gastronomen kämpfen noch immer mit den Folgen der Corona-Pandemie. Zwar sind die Zeiten des Lockdowns vorbei und Lokale wieder gut besucht. Was fehlt, sind aber Fachkräfte. «Viele Angestellte haben sich in der Corona-Zeit anders orientiert. Das bringt erhebliche Probleme für die Gastronomie.» Um die Qualität trotzdem halten zu können, reagieren Restaurants bei kleinerer Mannschaft mit kürzeren Öffnungszeiten oder schlankeren Speisekarten.
Auch in diesem Jahr gibt es nicht nur für Küchen-Kunst Sterne. Es winken auch ein grüner Stern für Nachhaltigkeit, Auszeichnungen für das beste Preis-Leistungs-Verhältnis und für besondere Leistungen des Service-Teams.
Wer einmal im Sternenhimmel ist, hat keinen Dauerplatz: «Wenn eine Fußballmannschaft eine ganze Saison lang schlecht spielt, steigt sie ja auch ab», sagt Flinkenflügel, der seit 30 Jahren an 250 Tagen im Jahr fremde Küchen testet. «Entscheidend ist eine bestimmte Qualität der Produkte, Know-how, Originalität, Finesse und Beständigkeit.» Bevor es zu einer abschließenden Bewertung kommt, prüfen verschiedene Test-Esser, ob die Qualität gehalten wird. «Für Kann-ich-auch-Küche gibt‘s keinen Stern», betont der Michelin-Chefkoster.
Die Tester sind in der Regel unerkannt in den Restaurants unterwegs. Das hilft bei der objektiven Beurteilung und macht die Köche nicht nervös, sagt Flinkenflügel. Er ist – wie die meisten der rund 20 Michelin-Inspektoren – gelernter Koch und kommt aus dem Hotelfach.
Der «Guide Michelin» erscheint inzwischen in 41 Ländern, neben Europa auch in den USA und Asien. Hinter dem renommierten roten Restaurantführer steht der gleichnamige französische Reifenhersteller. In Deutschland erschien der erste «Guide Michelin» 1910, damals aber noch «den Herren Automobilisten» gewidmet und vor allem mit Straßenrouten versehen. Die ersten Michelin-Sterne in Deutschland wurden 1966 verliehen.
Neben dem «Guide Michelin» erscheint auch der Restaurantführer «Gault&Millau» regelmäßig als wichtiger internationaler Gourmet-Ratgeber. Er vergibt 0 bis 20 Punkte für die Restaurants.