Düsseldorf (dpa/tmn) – Drei Tage Wochenende, weniger Stress, mehr Produktivität – diese Versprechen machen eine Vier-Tage-Woche für viele Beschäftigte in Deutschland attraktiv. Wie sich das Modell in der Praxis bewährt, testen seit Anfang Februar auch 50 Unternehmen in einem Pilotprojekt in Deutschland.
Die Studienlage klingt dabei häufig vielversprechend. Aber ist es im Einzelnen wirklich immer so einfach? Veit Hartmann vom Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) in Düsseldorf gibt Beschäftigten Tipps für einen Realitätscheck an die Hand.
Um welches Modell geht es eigentlich?
Vier-Tage-Woche ist ein breiter Begriff, unter dem verschiedene Arbeitszeitmodelle zusammengefasst werden. Zum Beispiel: die Vier-Tage-Woche mit kürzerer Arbeitszeit und weniger Gehalt, die Vier-Tage-Woche mit kürzerer Arbeitszeit und gleichbleibendem Gehalt oder eine Vier-Tage-Woche mit gleichbleibender Arbeitszeit und gleichbleibendem Gehalt. Sie haben jeweils verschiedene Vor- und Nachteile.
«Eine häufig sehr positiv besetzte Variante ist die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich», sagt Hartmann. Heißt: Beschäftigte arbeiten statt 40 Stunden etwa nur noch 32 Stunden, ihr Gehalt bleibt unverändert. Wichtig ist, dass Beschäftigte vorab klären, welches Modell der Vier-Tage-Woche angestrebt wird.
Was wird eigentlich eingespart?
Auch wenn die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich generell positiv aufgenommen wird, gilt es zu reflektieren: «Denkbar ist, dass eine Vier-Tage-Woche eingeführt wird, ohne dass Betrieb und Beschäftigte überhaupt geklärt haben, wie die Arbeitszeitreduktion kompensiert wird», gibt der Arbeitswissenschaftler zu bedenken. Wenn Beschäftigte in einem Betrieb weniger arbeiten, müsse vorab klar sein, wie das aufgefangen werden kann – sowohl personell als auch finanziell.
Dem Modell Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich wird dabei in begleitenden Studien aus dem europäischen Ausland häufig eine Steigerung der Produktivität zugeschrieben. «Das ist erst mal eine subjektive Einschätzung der Beschäftigten, dass sie mehr geschafft haben», sagt Hartmann. Ob das an der Vier-Tage-Woche selbst liegt oder daran, dass arbeitsorganisatorische Maßnahmen ergriffen und zum Beispiel unnötige Aufgaben abgeschafft oder verschlankt wurden, lässt sich häufig nicht direkt sagen. «Belastbare Kriterien zur Messung einer direkten Produktivitätssteigerung aufgrund der Vier-Tage-Woche sind kaum zu erkennen.»
Die Vier-Tage-Woche sollte entsprechend nicht als «Allheilmittel» für verschiedenste betriebliche Herausforderungen gesehen werden. Sie könne nur ein Baustein im Rahmen einer Flexibilisierung der Arbeitszeiten sein.
Geht das in meinem Job überhaupt?
Ob eine Vier-Tage-Woche machbar ist, ist zudem immer abhängig von Faktoren wie der Branche, dem jeweiligen Job und mitunter auch dem Standort. «Es kommt auch immer auf die Zielgruppe, die Kunden und den Kontext an», sagt Hartmann. «Es geht um die Frage: Wann wird wo mit was Geld verdient?». Nur da, wo Unternehmerinnen und Unternehmer auch Einfluss auf die Tätigkeit und Kunden haben, kann eine Vier-Tage-Woche realistisch umgesetzt werden.
Laut Hartmann können Pilotprojekte oder Testphasen ohne verbindlichen Charakter im jeweiligen Betrieb helfen, hier Klarheit für den Betrieb und die Beschäftigten zu bringen.
Passt das Modell wirklich zu meinen Lebensumständen?
Hartmann rät Beschäftigten, beim Thema Vier-Tage-Woche zunächst die «rosarote Brille» abzunehmen und zu reflektieren, wo das Modell auch Nachteile bringen kann.
In vielen Fällen werde man sich zum Beispiel von der idealtypischen Vorstellung von drei Tagen Wochenende und einer Arbeitswoche, die von Montag bis Donnerstag oder von Dienstag bis Freitag dauert, verabschieden müssen. Das sei arbeitsorganisatorisch häufig nicht möglich, da das Modell von vielen Beschäftigten favorisiert werde.
Und da, wo die Arbeitszeit nicht dramatisch abgesenkt wird, bleiben die Arbeitstage unter Umständen stressig. Vielleicht steigt die persönliche Belastung sogar, weil die Arbeitstage und Arbeitswege lang sind – und sich das mit dem Sozialleben und Themen wie der Kinderbetreuung schwer vereinbaren lässt.
Beschäftigte sollten sich Hartmann zufolge außerdem ehrlich fragen: Dient der Tag, den ich gewinne, wirklich zur Erholung oder bringt er anderweitig Stress? «Da kommt es ganz darauf an, wie ich diese Freikorridore nutzen kann.» Wer etwa eine Weiterqualifizierung macht oder das Baby betreut, wird an diesem Tag ebenfalls ein hohes Stresslevel erleben.
Eine flächendeckende Einführung der Vier-Tage-Woche würde zudem andere Probleme aufwerfen. Wenn alle ein langes Wochenende haben und ihre Freizeit genießen wollen, wer bedient dann eigentlich die Nachfrage?