Ingolstadt/Hamburg (dpa/tmn) – Als «ungebrochen» skizziert der Hamburger Zukunftsforscher Ulrich Reinhardt die Reiselust der Deutschen. Seine Tourismusanalyse 2023 registriert «ein großes Nachholbedürfnis».
Vor allem nach den Entbehrungen der Pandemie soll der Tapetenwechsel, den eine Reise verspricht, Frust und Alltagsstress vergessen machen und der Erholung in der Familie oder mit Freunden und Gleichgesinnten dienen.
Wenn darin nicht eine Glücksformel für das Schenken auf beiden Seiten steckt: Die einen befreit ein im Reisebüro oder übers Internet besorgter Gutschein vom Stress, das richtige Geschenk zu finden. Die anderen kommen neben dem eigenen geplanten Urlaub einmal mehr raus aus der Tretmühle des Alltags.
Keine Pauschallösung
Kann funktionieren, doch ganz so einfach ist das nicht, sagen Fachleute, die über das Thema Schenken forschen. Egal, ob es sich um etwas Materielles oder eben eine Reise handelt: Wer mit Geschenken eine Freude machen oder Danke sagen will, richtet sich besser konsequent nach den aktuellen Wünschen und Bedürfnissen der Empfänger statt einem Rezept.
Diese eherne Regel schließt Reisemuffel schon mal aus. Doch wer weiß schon, was die Person, die beglückt werden soll, aktuell sehen und erleben oder wiedersehen will? Auch wer die Vorlieben des Gegenübers zwischen Auspowern und Faulenzen, Natur und Kultur oder Bergen und Meer verorten kann, muss noch weitere Hürden nehmen, um mit einer Tour richtig punkten zu können.
Wie hoch die Messlatte für ein ideales Geschenk hängt, hat der amerikanische Konsumkulturforscher Russel W. Belk 1996 beschrieben. Demnach begeistert das Geschenk. Es geht über das Notwendige hinaus, überrascht, ist maßgeschneidert auf die Wünsche des Empfängers, für den Anlass und die Beziehung – und man sieht ihm die Mühe des Gebers an.
Tasting oder Tauchtrip
Auch auf der Suche nach einer passenden Reise sind Aufmerksamkeit, Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl für Vorlieben und Wünsche gefragt. Zumindest dafür kennt der Wirtschaftspsychologe Alfred Gebert aus Münster ein Rezept: «Einfach im Gespräch bleiben, dann kennt man die aktuellen Wünsche des Gegenübers.»
Die Ehrenvorsitzende des Deutschen Knigge-Rates, Agnes Anna Jarosch, rät zudem, beim Schenken zu erwähnen, wie und wann man auf die Idee gekommen ist: «So spüren Beschenkte, dass die schenkende Person wirklich zugehört hat.»
Tatsächlich kennt Belks Formel wenige Ausnahmen. Eine nennt der Konsumforscher und Autor des Buches «Das perfekte Geschenk», Bernd Stauss: In der frühen Phase einer romantischen Beziehung dürften sogar die Vorlieben des Schenkenden das Reisegeschenk bestimmen: «Wenn man damit seine noch unbekannten Seiten zeigen will, und hofft, mit dem Erlebnis das Verhältnis zu festigen.»
Beispielsweise über ein Whisky-Tasting, einen Festivalbesuch oder einen Tauchtrip erhält die beschenkte Person neue Einblicke. Doch stets sollte das wohl größte Fettnäpfchen möglichst umgangen werden: «gut gemeint, aber unpassend».
Bezogen auf ein Reisegeschenk hieße das laut Stauss, eine Kultur- oder Wanderreise zu schenken, um damit Bildungslücken oder Bewegungsarmut ausgleichen zu wollen: «Geschenke in pädagogischer Absicht erzeugen meist psychischen Widerstand», warnt der Autor.
Wenn großzügige Geschenke beschämen
Doch auch das gilt nicht pauschal. Wirtschaftspsychologe Gebert sagt: «Man kann sich aber auch über ansonsten nicht gern gesehenes Nützliches freuen, wenn man damit überraschend beschenkt wird.» So kann ein unerwartet geschenkter Sprachaufenthalt beim Kind trotz erkennbarer Absicht helle Freude auslösen.
Ansonsten ist zu beachten, dass großzügige Geschenke beschämen können. Zum Beispiel, wenn Beschenkte nicht mit einer adäquaten Gegengabe reagieren und sich als Almosenempfänger fühlen können – abgesehen vielleicht von einer Costa-Rica-Reise für den naturbegeisterten Sprössling zum Abitur.
Bleibt noch die Frage: Sollte der Schenkende mit von der Partie sein? «Was kann besser sein, als seine eigene Zeit zu schenken?», sagt Gebert und denkt dabei an eng Verbundene, Eltern und Kinder oder Enkel und Großeltern. Doch damit aus geteilter Freude doppelte Freude wird, sollte man sich schon sehr gut kennen. «Die Kollegen oder entfernten Freunde und Verwandten erfreut ein gemeinsamer Trip wohl eher nicht.»
Geheime Wünsche
Jedoch kann der emotionale Wert einer geschenkten Reise, die man zusammen antritt, auch stark gesteigert werden. Laut Buchautor und Konsumforscher Stauss ist er dann am größten, wenn nicht nur ein Wunsch erfüllt, sondern auch sichtbar wird, dass der Schenkende damit bei den eigenen Vorlieben zurückgesteckt hat. Das kann etwa der Fall sein, wenn der aktive Bergfreund ein gemeinsames Wellnesswochenende verschenkt.
Zu toppen seien Konstellation wie diese nur noch, wenn der gewählte Ausflug einem geheimen Wunsch des Empfängers entspricht. Solche raren Überraschungen legen eine besonders tiefe positive Erinnerungsspur.