Küstrin (dpa/bb) – Rund acht Monate nach dem massenhaften Fischsterben in der Oder untersuchen Forscher, ob sich der Fischbestand in dem deutsch-polnischen Grenzfluss erholt. Nach einer ersten vorsichtigen Einschätzung nach einer Befischung am Montag schilderten die Wissenschaftler des Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), dass sie deutlich weniger Fische fingen als sonst im Frühjahr.
Nun will sich Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) an der Oder über die Lage nach der Umweltkatastrophe informieren. Sie begleitete die Forscher des IGB am Dienstagmorgen auf einem Schiff zwischen Küstrin an der polnischen Grenze und Hohensaaten. Die Schleppnetzbefischung soll Daten zu den Fischbeständen in der Oder und deren Zustand liefern.
Lemke sagte: «Eine solche Katastrophe wie das Fischsterben im Jahr 2022 darf sich nicht wiederholen.» Die Gefahr eines neuen Fischsterbens ist laut Experten nicht gebannt.
Im August vergangenen Jahres war es im deutsch-polnischen Grenzfluss zu der Umweltkatastrophe gekommen. Mehrere hundert Tonnen Fische, Muscheln und Schnecken starben. Umweltpolitiker drängen seit längerem auf einen besseren Schutz der Oder in Zeiten der Klimakrise und auf einen Stopp des Oderausbaus.
Der Fischökologe Christian Wolter und drei seiner Kollegen des IGB waren bereits am Montag von Eisenhüttenstadt bis Küstrin auf der Oder unterwegs. Sie warfen acht Mal das Netz in der Strommitte aus. Dabei fingen sie deutlich weniger Fische als bei vorangegangenen Frühjahrsbefischungen, wie das Institut der Deutschen Presse-Agentur nach den ersten Erkenntnissen sagte. Das IGB befischt die Oder seit mehr als 20 Jahren mindestens drei Mal im Jahr. Die gute Nachricht sei, dass tatsächlich Arten gefunden worden seien, die bei der Befischung im November 2022 noch nicht dabei gewesen seien.
Bei der wissenschaftlichen Schleppnetz-Befischung werden die Tiere an Bord nach Art und Geschlecht identifiziert, gewogen und vermessen. Anschließend werden die Fische laut Institut vorsichtig ins Wasser zurückgesetzt. Im Herbst vergangenen Jahres, kurz nach der Umweltkatastrophe, hatten die Experten massive Verluste beim Fischbestand registriert.
Umweltministerin Lemke sagte einer Mitteilung zufolge, die Daten zu Fischbeständen lieferten einen wichtigen Beitrag, um die genauen Umstände der Umweltkatastrophe aufzuklären und um Schutz- und Renaturierungsmaßnahmen erfolgreich auszurichten. Das Bundesumweltministerium fördert mit Millionen Euro ein Forschungsprojekt des IGB mit dem Ziel, die entstandenen Schäden und die Regeneration des Ökosystems Oder systematisch zu erfassen und daraus Empfehlungen abzuleiten.
Zudem bereitet das Bundesumweltministerium eine Oder-Konferenz für Anfang Juni vor, bei der es um die Revitalisierung des Öko-Systems gehen soll. Es gebe einen Austausch mit den für den Gewässerschutz zuständigen Akteuren in den Bundesländern und mit der polnischen Seite, um zu Lösungen zu kommen, hieß es.
Experten gehen davon aus, dass hoher Salzgehalt, Niedrigwasser, hohe Temperaturen und das Gift einer Algenart wesentliche Ursachen für das Fischsterben waren. Es gibt Befürchtungen, dass sich die Umweltkatastrophe in diesem Sommer wiederholen könne, wenn Einleitungen in den Fluss erneut zu überhöhten Salzbelastungen führen und sich die giftige Alge ausbreitet.