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Tsipras als König ohne Kleider

Endlich Bewegung im Gerangel mit Griechenland, lautet ein Fazit nach dem EU-Sondergipfel in Brüssel. Denn Athen stellt wichtige Zugeständnisse in Aussicht. Doch Regierungschef Tsipras steht daheim noch schwere Überzeugungsarbeit bevor.

Brüssel/Athen (dpa) – Griechenlands Medien sehen nach der jüngsten Annäherung im Schuldenstreit Regierungschef Alexis Tsipras in Erklärungsnot. Die konservative Zeitung «Kathimerini» schreibt am Dienstag, Tsipras müsse jetzt seinem Parlament und seiner Partei erklären, warum er von seinen Wahlversprechen so sehr abweiche. Einen «Crash-Test für die Regierung» erwartet das Blatt.

Griechenlands Premier Alexis Tsipras (links hinten), sein Finanzminister Varoufakis und Polens Staatschef Donald Tusk, amtierender Ratspräsident, am 22. Juni 2015 in Brüssel, Belgien.

Nach dem EU-Sondergipfel am Montagabend in Brüssel zeigte sich die griechische Regierung optimistisch. «Die Zeichen deuten darauf hin, dass wir ganz nahe an eine Übereinkunft sind», sagte Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis am Dienstagmorgen in Athen.

Die griechische Zeitung «Ta Nea» kritisierte, dass noch immer kein Wort über die Umstrukturierung des Schuldenberges gefallen sei. Tsipras stehe vor einer Konfrontation mit seiner Partei Syriza. Der Ministerpräsident muss für seine einschneidenden Sparmaßnahmen eine Mehrheit im griechischen Parlament finden.

Beim EU-Sondergipfel waren sich Griechenland und seine Geldgeber nähergekommen, eine Einigung steht aber noch aus. Die Beteiligten hoffen, dass es in dieser Woche zu einem Durchbruch kommt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Montag in Brüssel, sie hoffe, dass das für Mittwochabend anberaumte weitere Treffen der Finanzminister der Eurogruppe Ergebnisse verkünden könne. Am Donnerstag und Freitag kommt dann der reguläre EU-Gipfel mit 28 Staats- und Regierungschefs zusammen.

Der Grünen-Finanzexperte im Europaparlament, Sven Giegold, begrüßte den Fortschritt. «Das schlimmste Szenario wäre natürlich gewesen, dass die Verhandlungen gescheitert sind. Das wäre für Griechenland und für Europa die schlechteste Lösung gewesen», sagte Giegold nach dem Gipfel in einem Interview des Deutschlandfunks. «Dass sich jetzt eine Vereinbarung abzeichnet, ist gut.» Zugleich habe er die Sorge, dass die Sparmaßnahmen zu einem neuen Einbruch der griechischen Wirtschaftskraft führen.

Der ehemalige griechische Außenminister Dimitris Droutsas hat die Annäherung im Schuldenstreit begrüßt. «Es gibt einen Hoffnungsschimmer, dass wir die Katastrophe abwenden können», sagte der Pasok-Politiker am Dienstagmorgen im Deutschlandfunk. Teilweise sei aber auch eine sehr große Skepsis zu spüren. «Es geht um sehr, sehr harte Maßnahmen. Es geht um Einsparungen von knapp acht Milliarden Euro in den nächsten eineinhalb Jahren.»

Es gelte nun, das Sparpaket durch das griechische Parlament zu bringen. «Das wird keine leichte Aufgabe sein für Herrn Tsipras.» Einige Syriza-Abgeordnete hätten bereits Widerstand angekündigt. Tsipras könne seinen Versprechen aus dem Wahlkampf nicht mehr nachkommen, einige Bürger würden bereits von Lügen sprechen. Das Sparpaket sei das Gegenteil seiner Versprechen, sagte Droutsas. «Jetzt steht er eben da, quasi wie der König ganz nackt ohne Kleidung.»

Droutsas war von 2010 bis 2011 Außenminister. Seit Juni 2011 sitzt er für die Sozialisten im EU-Parlament.

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