Hempstead (dpa) – Sie ist zurück, mit voller Wucht. Die Staatsfrau, da steht sie, als hätte sie nie gefehlt. Hillary Clinton schießt scharf, sie teilt aus, sie trumpft mit Fakten und Zahlen und ruht bei alldem so sehr in sich, als wäre es nie anders gewesen. Als hätte es all die Patzer, all die Fehler, all das Straucheln der vergangenen Wochen nie gegeben.
Ihr Konkurrent macht bei all dem kein gutes Bild. Donald Trump findet einen guten Einstieg, dann wirkt er nervös, hält sich oft am Wasserglas fest, unterbricht Clinton immer wieder, wirkt belehrend, ohne dass er etwas zu sagen hätte.
Die Demokratin lächelt, wenn er spricht. Der Republikaner verzieht das Gesicht, wenn sie an der Reihe ist. Er stöhnt auf, wenn sie ihn angreift. Sie bleibt ruhig. Ganz am Ende hält der 70-Jährige ihr vor, sie habe nicht die Durchhaltekraft, um Präsidentin zu sein.
Tagelang hat Amerika auf diese Debatte hingefiebert, auf diesen ersten Schlagabtausch beider Kandidaten, die das Land so polarisieren, wie vielleicht noch nie zuvor in der Geschichte. Der Unternehmer, der noch nie ein politisches Amt inne hatte. Die ehemalige Außenministerin, über die jeder eine Meinung hat, und die vielen verhasst ist.
Clinton erscheint im roten Hosenanzug, der Farbe der Republikaner. Trump hat einen schwarzen Anzug gewählt, seine Krawatte ist blau. Sie reichen sich die Hände, das ist 2016 keine Selbstverständlichkeit.
Der Ton ist ganz zu Beginn für wenige Augenblicke erstaunlich zahm. Trump sagt sogar, er stimme mit Clinton überein, was Kinderbetreuung und andere Themen angehe, nur eben nicht bei den Zahlen.
Aber die 68-Jährige mag dieses Spiel nicht mitspielen, sie geht ihm nicht auf dem Leim. Sie will die Regeln bestimmen, das macht sie ziemlich schnell deutlich, als sie Trumps wirtschaftliche Misserfolge aufzählt, die vielen Insolvenzen, die Steuererklärung, die er noch immer nicht veröffentlicht hat. Sie nennt ihn den «König der Schulden», spekuliert darüber, dass er gar nicht so reich sei, wie er es vorgebe zu sein.
Sie provoziert ihn, es sind viele kleine Nadelstiche und sie treffen Trump sichtbar unter die Haut.
Als er ihr im Gegenzug ihre wechselnden Meinungen zu internationalen Handelsabkommen vorhält, sagt sie schlicht: «Donald, ich weiß, du lebst in deiner eigenen Realität.» Es ist immer der Vorname, mit dem sie ihn anspricht.
Trump flüchtet sich in seine üblichen Übertreibungen, schwärmt von dem Hotel, das er gerade in Washington in Laufweite zum Weißen Haus errichtet hat. Mit seinen politischen Konzepten bleibt er weiter vage, seine Ideen zum Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) gehen nicht über die üblichen Bekenntnisse zur nötigen Härte hinaus.
Die Mauer zu Mexiko, ein roter Faden seines ganzen Wahlkampfs, erwähnt er mit keinem Wort.
Perfekt hatte Trumps Team das Spiel mit den Erwartungen im Vorfeld auf die Spitze getrieben. Schicht um Schicht zeichneten sie das Bild eines Außenseiters, der keine Zeit mit intensiver Debattenvorbereitung verschwendet, US-Medien übernahmen das als Generallinie. Die Erwartungen an Trump waren dermaßen niedrig, dass es ihm schon als Erfolg ausgelegt wurde, würde er nur auf seine üblichen Ausfälle verzichten.
Die Messlatte für Clinton war dagegen ungleich höher. Sie, die Erfahrene, müsse jedes Detail kennen, dürfe dabei aber nicht zu abgehoben wirken und müsse natürlich bei alldem etwas dafür tun, glaubwürdiger zu erscheinen.
Sie wischt das alles weg. «Ich glaube, Donald hat mich gerade dafür kritisiert, dass ich mich auf diese Debatte vorbereitet habe. Ja, ich habe mich vorbereitet. Und weißt du, worauf ich noch vorbereitet bin? Ich bin dafür vorbereitet, Präsidentin zu sein.»
Clintons Bild von Amerikas Gesellschaft ist voller Optimismus. Trump wählt die negative Zustandsbeschreibung, auf die er auch im Wahlkampf immer setzt: die Wirtschaft am Boden, Millionen von Arbeitsplätzen, die ins Ausland abwanderten.
Es ist dieser Gegensatz, der sich auch schon auf den Parteitagen abzeichnete: Clintons Ode an die Hoffnung und Trumps Abgesang an den amerikanischen Traum.
Beide Kandidaten umwerben vor allem die Wählerschichten, die ohnehin schon Teil ihrer Basis sind: Trump setzt auf die weiße Arbeiterschaft, Clinton auf Frauen und Minderheiten. Noch unklar ist, ob die Debatte große Auswirkungen auf den Stand des Rennens haben wird.
Noch während das Duell läuft, beginnt auf den Nebenschauplätzen der Kampf um die Deutungshoheit. Kurz nach ihrem Ende strömen Heerscharen aus beiden Lagern aus, um ihre Version des Auftritts zu verbreiten. Das Medienzentrum ist rappelvoll.
Clintons Sprecher Brian Fallon sagt, Trump habe endgültig bewiesen, dass er nicht qualifiziert für das Amt sei. Trumps Berater Michael Flynn kritisiert die Auswahl der Fragen des Moderators Lester Holt.
Der Debattenforscher Aaron Kall sagt: «Trump hat stark begonnen. Aber am Ende hat seine mangelnde Erfahrung in Debatten und seine mangelnde Vorbereitung Clinton geholfen, die letzten Runden zu gewinnen und womöglich auch die Debatte insgesamt.»
Die «New York Times» schreibt am Tag danach: «Clinton schien langsam aber stetig zu lernen, wie sie ihn in Echtzeit angreifen und bezwingen kann.» Die «Washington Post» meint, der Republikaner sei fast die gesamte Zeit über in der Defensive gewesen, habe sich ein ums andere Mal verteidigen müssen. Das «Wall Street Journal» findet, Trump habe sich als Kandidat des Wandels präsentiert. Er sei ganz der aggressive Unternehmer gewesen, der es als kluge Taktik verkaufe, im Jahr 2006 kaum Steuern gezahlt zu haben.