München/Regensburg/Amberg. „Für die exportorientierte bayerische Wirtschaft, für die Amerika ein wichtiger Markt ist, sind das schlechte Nachrichten“, erklärt Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. „Auch für einen Abschluss der TTIP-Verhandlungen sehe ich zeitnah kaum noch Chancen.“ Entscheidend sei, ob er die lautstarken Versprechungen aus dem Wahlkampf in die Tat umsetze. „Die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen dürften in jedem Fall schwieriger werden.“
Für eine direkte Kontaktaufnahme mit dem Trump-Lager sei es noch zu früh, sagt ein Sprecher des Ministeriums zu unserer Zeitung. Vorerst sei abzuwarten, wie sich die politische Agenda der Trump-Administration tatsächlich gestalte. „Davon unabhängig werden wir das unsere tun, um die sehr guten wirtschaftlichen und auch politischen Beziehungen aufrecht zu erhalten.“ Mit den beiden Auslandsrepräsentanzen in San Francisco und New York sowie dem Verbindungsbüro in Boston sei das bayerische Wirtschaftsministerium in den USA präsent.
Keine schlaflosen Nächte
„Ich bin gelassen und ruhig“, bereitet der Wahlausgang Albert Füracker, Staatssekretär im Heimatministerium, keine schlaflosen Nächte. Nachdem Ministerpräsident Horst Seehofer vor Wochen eine freundliche Einladung für den 45. Präsidenten der USA ausgesprochen hatte, sieht der Oberpfälzer CSU-Bezirksvorsitzende die Chance, „dass Herr Trump die Sonderrolle Bayerns schätzen“ lernen könnte. „Die USA sind unser Exportland Nummer 1, die robuste Partnerschaft ist lange gewachsen.“
Harald Schwartz, Landtagsabgeordneter aus Amberg, findet Trumps Agenda „America first“ völlig legitim. „Vielleicht ist es der Deutsche nicht mehr gewohnt, dass ein Politiker sagt, die Interessen meiner Wähler gehen vor.“ Klar könne das Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft haben. „Ob er aber wirklich Freihandelsabkommen kündigt oder die Verhandlungen abbricht, da bin ich mir nicht sicher – er will zunächst eine Verbesserung der amerikanischen Position.“
Wie wichtig die USA für die bayerische Wirtschaft ist, zeigen folgende Zahlen:
- Unter den wichtigsten Handelspartnern für die bayerische Wirtschaft liegen die USA seit 2014 auf Platz 1. Gemessen an den Exporten sind die USA das Hauptzielland bayerischer Ausfuhren, bei den Importen liegen sie auf Platz 4.
- Knapp 1800 bayerische Unternehmen – nicht nur große Konzerne, sondern auch mittelständische Betriebe – unterhalten Geschäftsbeziehungen, davon etwa 630 mit einer eigenen Vertretung, Niederlassung oder Produktionsstätte.
- Das Handelsvolumen wuchs im vergangenen Jahr auf 34,8 Milliarden Euro an und lag im 1. Halbjahr 2016 bei 16 Milliarden Euro.
- Zu den wichtigsten Handelsgüter zählen die Warengruppen Fahrzeuge/Fahrräder und elektrotechnische Erzeugnisse.
- Die Exporte beliefen sich im 1. Halbjahr auf Waren im Wert von 10,1 Milliarden Euro, die Importe auf 5,8 Milliarden Euro.
- Zuletzt floss ein Viertel der bayerischen Auslandsinvestitionen in die USA. Umgekehrt machte der bayerische Anteil an den US-Investitionen in Deutschland 20 Prozent aus.
„Trumps protektionistische Tendenzen werden mit Sorge gesehen“, fasst Christian Götz, Pressesprecher der IHK für die Oberpfalz die Haltung der Mitgliedsbetriebe zusammen. „Ostbayern ist sehr exportorientiert, über 50 Prozent unserer Unternehmen exportieren.“ 260 Betriebe seien in den USA aktiv sind – 250 exportierten, 50 importierten, manche beides. „30 haben eine eigene Auslandsvertretung, 37 Niederlassungen, es gibt knapp 20 Produktionsstätten.“ Der promovierte Volkswirt ist sicher: „Kurzfristig wird sich nicht viel ändern.“
Toni Hinterdobler, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz, ist betont zurückhaltend: „Wenn Trump keine radikalen neuen Regeln einführt, sehe ich die Chance, dass wir Stabilität bekommen.“ Ein Regieren mit ruhiger Hand wäre jetzt angesagt. Hinterdobler vertraut auf die Mechanismen und Institutionen einer der ältesten Demokratien.
Börsen-Psychologie
Robert Beer, Börsenexperte und seit drei Wochen zusammen mit seinem Sohn in den USA unterwegs, verweist auf den psychologischen Charakter wirtschaftlicher Entscheidungen: „Vielleicht gibt Trump vielen Hoffnung und produziert dadurch eine sehr positive Wirkung auf die Wirtschaft.“ Zwar werde er viel lernen müssen, und in den nächsten Wochen könne es sehr holprig und turbulent zugehen. „Ich habe auch mit Investoren gesprochen und kann mir gut vorstellen, dass die amerikanische Wirtschaft positive Impulse erhält und Zugpferd der Weltwirtschaft bleibt.“ Das sei auch gut für unsere Wirtschaft und unsere Börsen.
Nach dem Sieg Donald Trumps bei der US-Präsidentenwahl kann Europa nach Ansicht des EU-Kommissars für digitale Wirtschaft, Günther Oettinger, nicht mehr so stark auf Amerika zählen wie früher. «Europa muss zumindest erwachsen werden», sagte Oettinger am Donnerstag im Deutschlandfunk. «Die Zeiten, wo wir uns als kleiner Bruder der USA fühlen konnten, wo wir im Schatten und in der Sicherheit der USA wachsen konnten», gehörten der Vergangenheit an.
USA mehr als je zuvor Global Player
Wirtschaftlich könnten sich die Vereinigten Staaten nicht von der Weltbühne verabschieden, sagte Oettinger. «Die Amerikaner sind doch mehr als je zuvor Global Player. Da kann die Regierung, da kann der Präsident kein reiner Regionalfürst werden», sagte der EU-Politiker.
Jetzt gelte es, Trumps Politik genau zu beobachten. Dessen erste Aussagen nach dem Wahlsieg seien zumindest klug gewesen – ob seine Politik versöhnlich werde, bleibe abzuwarten.