Papeete (dpa/tmn) – Schon am Flughafen gibt sich Tahiti alle Mühe, gängigen Südseevorstellungen gerecht zu werden. Auf einer Bühne neben der Schlange am Einreiseschalter spielt eine Drei-Mann-Kombo traditionelle Melodien, dazu tanzt eine lächelnde Tahitianerin mit Blumenkranz auf dem Kopf – um 22:30 Uhr abends wohlgemerkt.
Auch die klassischen Blumenketten aus duftenden Tiaré-Blumen dürfen nicht fehlen, die Ankommenden bekommen sie stets ungefragt um den Hals gelegt. Eine gute Dosis Klischees und Folklore ist Besuchern, kaum haben sie das Flugzeug verlassen, sicher.
Auch Landschaft und Natur werden allen Erwartungen gerecht, wie sich in den nächsten Tagen herausstellt: Die Strände sind tatsächlich fast endlos, weiß und geradezu pudrig. Das Meer glitzert in allerlei Farben, Schnorchler finden Korallenriffe vor der Haustür. Und es liegt Frangipani-Duft in der Luft.
Aber es muss doch mehr geben als nur Idylle. Woher kommen eigentlich die Menschen, was essen, was glauben sie? Wer ins Inselinnere Tahitis oder zu kleineren Inseln vordringt, kommt den Antworten auf diese Fragen näher.
Klein und doch riesig groß
Schon beim Begriff «Tahiti» gibt es Klärungsbedarf. Wer ihn benutzt, meint oft ganz Französisch-Polynesien, dabei ist Tahiti nur die Hauptinsel des französischen «Übersee-Landes» (Pays d’Outre-Mer), das insgesamt 118 Inseln mit rund 3675 Quadratkilometer Landfläche umfasst.
Damit ist es etwa halb so groß ist wie Korsika, nur verteilt es sich auf einem Areal der Größe Europas. Mit rund 278.000 Menschen, die meisten leben auf Tahiti und der Nachbarinsel Moorea, hat ganz Französisch-Polynesien so viele Einwohner wie Wiesbaden.
Das Gute an der Inselvielfalt: Neben klassischen Resort-Inseln wie Bora Bora gibt es auch jede Menge Eilande, auf denen das einheimische Leben gleich neben oder sogar in der Unterkunft stattfindet.
Zum Beispiel auf dem kleinen, einsamen Maupiti, etwa 300 Kilometer nordwestlich von Tahiti: Hier entscheiden sich die Einwohner bewusst gegen große Projekte. Stattdessen empfangen sie die Reisenden in familiären Gästehäusern. Kleine Privatpensionen werden auch auf näher gelegenen Inseln betrieben.
Unterbrochene Traditionen werden reanimiert
Wer wissen will, was es jenseits des inszenierten Flughafenempfangs mit der polynesischen Kultur auf sich hat, tourt zum Beispiel mit dem Geografen Matahi Tutavae ins Papenoo Valley, das sich von der Küste im Norden bis ins Zentrum der Hauptinsel zieht.
Mit einer herkömmlichen Sightseeing-Tour hat die Fahrt im Pick-up des Tahitianers wenig zu tun: Über holprige Wege geht es durch grünen, nebeligen Regenwald in die Berge, rechts und links kleine Wasserfälle, Bäume voller bunter Blüten, über allem liegt der Duft des Dschungels.
Das Ziel heißt Fare Hape, ein weiteres, enges Tal umgeben von spitzen Gipfeln. Hier warten gleich mehrere Marae, heilige Orte, die an steinerne Boote erinnern und wo vor der Christianisierung den traditionellen Göttern gehuldigt wurde. Tutavae erzählt von Ta’aroa, dem Erschaffer, Tu, dem Kriegsgott, Hina, der Göttin der Frauen, und Oro, dem Gott der Fruchtbarkeit.
Auch wenn die alte tahitianische Kultur wieder auf dem Vormarsch ist, muss vieles mühsam rekonstruiert und neu zusammengesammelt werden. Denn, so Tutavae, «die polynesische Kultur ist eine mündliche – Mythen, Gebete, Geschichte, alles wurde von Generation zu Generation im Gespräch überliefert».
Das bedeutet: Mit der französischen Kolonialherrschaft wurde diese Tradition unterbrochen, Dinge gerieten in Vergessenheit. Genau dagegen kämpfen die Betreiber des Haururu-Projekts, die Fare Hape erforschen und rekonstruieren. «Wir wollen die lokale Kultur wiederbeleben, sie unseren Leuten wieder näherbringen», erklärt Yves Doudoute, «denn die geschriebene Geschichte ist nicht unsere.»
Der 74-jährige ehemalige Lehrer ist einer der Initiatoren des 1994 gestarteten Projekts. Seither graben Doudoute und seine Mitstreiter im Fare-Hape-Tal und üben sich in traditionellen Zeremonien.
Eine wichtige Rolle bei der Rekonstruktion spielt auch das Leben auf den anderen Inseln des polynesischen Dreiecks, dessen Ecken die Osterinsel, Hawaii und Neuseeland markieren; und Französisch-Polynesien liegt mittendrin. Denn sämtliche ursprünglichen Besiedler stammen von taiwanischen Fischern ab, die sich vor rund 3000 Jahren auf den Weg in die Südsee machten. Tutavae: «Kein Wunder, dass die Kulturen und Sprachen des Südpazifik oft erstaunlich ähnlich und auch heute noch größtenteils gegenseitig verständlich sind.»
Kultur geht durch den Magen
Weniger historisch und geradezu handfest zeigt sich ein anderer Aspekt der polynesischen Kultur, dem sich der Ex-Koch Heimata Hall auf der Nachbarinsel Moorea widmet. Seit 2019 bringt der 45-Jährige Touristen den kulinarischen Alltag Polynesiens nahe. Seine Tour ist gespickt mit typischen Verkostungen.
Erster Stopp: ein Obststand am Schiffsanleger von Moorea. Es gibt Mangos, Ananas und vieles mehr. Das Obst ist bereits mundgerecht geschnitten und geschält – und mit einem rötlichen Puder bestäubt: «Das Plum Powder stammt eigentlich aus China», erklärt Hall. Das leicht säuerliche Pflaumen-Pulver verwandelt die Mangoschnitze in «Bonbon Mangue».
An einem Stand an der Hauptstraße ordert Hall Baguette «Chao Men», eine echte Multikulti-Spezialität. «Das mit gebratenen chinesischen Nudeln belegte Baguette gehört zu den beliebtesten Snacks der Insel», sagt er. «Unsere Küche ist eine Mischung aus tahitianischen, französischen und chinesischen Elementen.»
An weiteren Stopps in kleinen Restaurants oder an den typisch tahitianischen Roulottes – mobilen Imbissen mit Tischen davor – lässt Hall Brotfrucht-Chips probieren, gedünstete Taro-Blätter, die wie Spinat schmecken, und «Poe»: mit Tapiokamehl vermengter und gekochter Kürbis, in Kokosmilch serviert. Und natürlich Poisson cru – auf Tahitianisch «E’ia Ota»: roher Fisch, mit kaltem Zitronensaft gebeizt.
Die tahitianische Alltagsküche ist also weitaus überraschender als die Tanzvorführungen am Flughafen – und trotz oder gerade wegen ihrer multikulturellen Wurzeln wohl noch viel typischer.
Tipps, Links, Praktisches:
Anreise: Nach Papeete führen die Flugverbindungen ab Deutschland in der Regel über die USA, Umstieg ist meist in Los Angeles. Die Flugzeit ab Deutschland beträgt rund 22 Stunden.
Einreise: Deutsche und EU-Bürger können bis zu 90 Tage visumfrei einreisen. Benötigt wird ein gültiger Reisepass.
Währung und Preise: Bezahlt wird mit dem CFP-Franc, der einen knappen Eurocent wert ist. Für einen Euro bekommt man rund 120 CFP-Franc. Tahiti ist kein billiges Pflaster, die Lebenshaltungskosten sind höher als in Frankreich, da viele Waren importiert werden müssen.
Zeitverschiebung: Tahiti ist gegenüber der mitteleuropäischen Zeit (MEZ) elf Stunden hinterher, in unserer Sommerzeit zwölf Stunden.
Gesundheit: Spezielle Impfungen sind nicht vorgeschrieben; es empfiehlt sich, vor Einreise gängige Impfungen gegebenenfalls aufzufrischen. Französisch-Polynesien gilt als malariafrei.
Weitere Auskünfte: www.tahititourisme.de
Social Media: https://www.tiktok.com/@tahititourisme; https://www.instagram.com/tahititourisme