Düsseldorf/Oberhausen (dpa/tmn) – Beckenbruch, Schlaganfall oder Herzinfarkt kommen nie zur rechten Zeit. Passieren sie im Dezember, wenn sich Weihnachten schon deutlich am Horizont abzeichnet, ist das Timing aber besonders unglücklich.
Und Betroffene sind es meist auch, wenn es im Krankenhaus kurz vor den Festtagen heißt: «Wir müssen Sie über Weihnachten leider hier behalten.» Wie gehen Patientinnen und Patienten und ihre Liebsten damit um – emotional, aber auch bei der Organisation der Feiertage?
Den Schmerz anerkennen
Eins vorab: Es ist ganz normal, dass in so einer Situation der Boden unter den Füßen ruckelt. Schließlich kommt einiges zusammen: die schwere Erkrankung oder Verletzung, die erstmal verarbeitet werden will. Und dann die Erkenntnis, dass Weihnachten dieses Jahr ganz anders aussehen wird als geplant und erhofft.
«Es ist wichtig, dem Schmerz Raum zu geben», sagt Heike Schneidereit-Mauth, Klinik-Pfarrerin in Düsseldorf. Den Kloß im Hals herunterzuschlucken, ist also keine gute Idee. Die Situation mit einem «Ist doch alles halb so schlimm» abzutun, auch nicht.
Stattdessen rät Schneidereit-Mauth, hinzuschauen: Welche Gefühle entstehen gerade in mir? Klarheit über das eigene Empfinden zu haben – das kann manchmal schon die Perspektive auf die Situation verändern. So wird es oft schon etwas leichter, mit ihr umzugehen.
Da können sich Traurigkeit melden, Enttäuschung, Ängste, Wut. Manchmal breitet sich aber auch Erleichterung aus – was ebenso eine legitime Reaktion ist. «Es gibt Menschen, die über Weihnachten gern im Krankenhaus sind, weil sie sich dort gut versorgt und nicht einsam fühlen», sagt Heike Schneidereit-Mauth.
Traditionen ins Krankenhaus holen
Damit an den Festtagen zumindest ein wenig Weihnachtszauber den Weg ins Krankenhaus findet, braucht es einen guten Plan.
Wenn also feststeht, dass sie über die Festtage in der Klinik bleiben werden, können Betroffene überlegen: Was ist mir an Weihnachten besonders wichtig? Auf dieser Grundlage lässt sich gemeinsam mit den Liebsten ein Plan stricken: Wie können wir das ins Krankenhaus holen?
Klinik-Pfarrerin Schneidereit-Mauth hat dabei eine gute Nachricht für betroffene Familien: «An Weihnachten ermöglicht das Personal im Krankenhaus viel, weil alle wissen: Es ist eine große Herausforderung für die Patientinnen, Patienten und ihre Angehörigen.»
Hier kommen einige Beispiele:
– Gottesdienst:
Das Fest mit einem Gottesdienst zu feiern, das geht auch im Krankenhaus – oder sogar im Krankenbett. «Wenn man die Klinikkapelle nicht aufsuchen kann, kann man vielleicht über einen Livestream dabei sein oder sich einen Fernsehgottesdienst anschauen», sagt Heike Schneidereit-Mauth.
– Weihnachtsessen:
Kartoffelsalat, Gänsekeule, Plätzchen – am wohligen Weihnachtsgefühl hat oft das Essen einen entscheidenden Anteil. Wer bei seiner Ernährung keine Einschränkungen auferlegt bekommen hat, kann diese Weihnachtsleckereien auch in der Klinik genießen.
«Auf fast jeder Station gibt es eine Mikrowelle. Das heißt: Angehörige können vorkochen und dann zum gemeinsamen Essen vorbeikommen – zumindest im kleinen Kreis», sagt Heike Schneidereit-Mauth. Auf Palliativstationen oder in Hospizen steht oft auch eine Küche zur Verfügung, in der ganze Gerichte zubereitet werden können.
– Dekoration
Die Deko-Klassiker sind zwar schwierig. «Ein kleiner Tannenbaum, der in Erde steht, darf aus hygienischen Gründen nicht ins Krankenhaus», sagt Carsten Eichhorn, Pflegedirektor der Ameos Klinika in Oberhausen. Auch «echte» Kerzen sind am Krankenbett nicht erlaubt – es droht Brandgefahr.
Aber abseits davon bleiben viele Möglichkeiten übrig, das Krankenzimmer etwas festlicher zu gestalten. Und wenn es nur ein paar Fotos von den Enkelkindern auf dem Nachttisch sind.
Pflegedirektor Eichhorn rät: «Überraschen Sie als Angehörige die Kolleginnen und Kollegen auf den Stationen nicht, sondern kündigen Sie an, was Sie gerne machen möchten.» Die Pflegekräfte können beurteilen, ob das auch für die Mitpatientinnen und -patienten in Ordnung ist.
– Beisammensein
Zeit mit den Liebsten verbringen: Das geht auch im Krankenzimmer. Die Einrichtungen sind an den Feiertagen in vielen Fällen flexibler und großzügiger, was die Besuchszeiten betrifft, wie Carsten Eichhorn sagt.
Sinnvoll kann ein Besuchsplan sein, wie Heike Schneidereit-Mauth rät: «Denn so verteilt sich der Besuch besser.»
Für einige Patienten gilt jedoch in Sachen Besuch und Aktivitäten: Weniger ist mehr. «Es soll ja auch nicht anstrengend werden», sagt Carsten Eichhorn. «Man darf nicht vergessen: Wer über Weihnachten im Krankenhaus ist, für den ist das in aller Regel ungeplant – und diesen Menschen geht es oft nicht gut.»
Kommen zu viele Eindrücke, Menschen und oder Programmpunkte zusammen, kostet das Kraft. Und es kann für Frust sorgen und den Wunsch, endlich seine Ruhe haben zu wollen.
Damit das nicht passiert, sollten Angehörige bei der (Besuchs-)Planung nicht einfach bei den eigenen Vorstellungen und Gedanken bleiben, sondern nach Wünschen und Bedürfnissen fragen, so Schneidereit-Mauth.
Eine Pause von Social Media
Und die Klinik-Pfarrerin hat einen weiteren Tipp: eine Pause von den sozialen Medien. Wer dort prächtig geschmückte Bäume, leuchtende Augen und harmonische Familienszenen sieht, fühlt im Krankenhaus womöglich einen umso stärkeren Stich ins Herz. «Das Bild der heilen Familie unterm Weihnachtsbaum ist zwar für so einige Menschen Wirklichkeit, für den Großteil der Menschen aber eben nicht.»