Ratgeber

So prüft die Stiftung Warentest Produkte

Berlin (dpa/tmn) – «Sehr gut» von Stiftung Warentest benotet: Das wünscht sich jedes Unternehmen, denn so eine Note ist oft gleich bedeutend mit mehr Nachfrage nach dem Produkt. Viele Menschen machen ihre Kaufentscheidung von der Einschätzung der Stiftung Warentest abhängig. Das birgt viel Verantwortung für die Tester. 

Wie kommt die Stiftung Warentest eigentlich zu ihren Urteilen über die rund 3500 Produkte, die sie nach eigenen Angaben jedes Jahr testet? Das fragt man am besten Holger Brackemann. Er leitet bei der Stiftung den Bereich Untersuchungen.

Frage: Herr Brackemann, wie würden Sie in wenigen Sätzen erklären, mit wie viel Aufwand eine Untersuchung bei Stiftung Warentest verbunden ist?

Holger Brackemann: Wir haben den Anspruch, die Produkte so zu testen, dass nachher Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Nutzung keine Enttäuschung damit erleben. Das heißt, wir können uns nicht nur auf eine einzelne Eigenschaft beschränken, sondern müssen ganz unterschiedliche Qualitätsdimensionen bestimmen.

Das fängt bei der Funktion an, geht über die Handhabung weiter. Ein wichtiger Aspekt ist, wie lange die Produkte halten. Aber sie müssen auch sicher sein. Hinter jedem dieser Punkte verbergen sich dann unheimlich viele Detailprüfungen. So untersuchen wir Spielzeug auf Dutzende Schadstoffe, testen Waschmittel mit über 40 verschiedenen Flecken und rollen eine 140-Kilo-Walze 60.000 Mal über Matratzen, um die Haltbarkeit zu prüfen.

Wir schauen, welche gesetzlichen Normen und Industriestandards es für ein Produkt gibt. Wir beziehen aber auch Nutzer-Erfahrungen ein und Rückmeldungen von Verbraucherschützern – das soll uns helfen, um zu sehen: Welche Erwartungen gibt es, welche Schwachstellen wurden bei solchen Produkten in der Vergangenheit kritisiert?

Aus all dem wird ein Prüfprogramm entwickelt. Das macht bei uns in erster Linie ein Projektleiter – das ist ein Wissenschaftler, der eine einschlägige fachliche Ausbildung hat. In einem Fachbeirat, in dem Verbraucher, unabhängige Institutionen und Hersteller-Vertreter sitzen, wird das Prüfprogramm dann zur Diskussion gestellt. Kommt dort sachlich fundierte Kritik, müssen wir uns dazu positionieren. Das heißt nicht, dass wir das übernehmen müssen, was vorgeschlagen wird. Aber wir müssen uns in so einem Fall genau überlegen: Haben die recht und müssen wir etwas ändern?

Für die Durchführung der Untersuchungen beauftragen wir dann spezialisierte Prüflabore, die in ihrem Fachbereich ganz vorn mit dabei sind, was die Entwicklung und Anwendung von Prüfverfahren angeht. Die Namen der Institute halten wir anonym, damit Hersteller keinen Einfluss nehmen können.

Frage: Wie viel Zeit vergeht zwischen der ersten Idee und der Publikation eines Tests ungefähr?

Brackemann: Mit einem Jahr liegen Sie nicht verkehrt, wobei die eigentliche heiße Testphase ein halbes Jahr umfasst. Das heißt: von dem Einkauf der Produkte bis zu einer Veröffentlichung.

Was vorher passiert, ist unter anderem eine Marktanalyse. Welche Produkte haben die entsprechende Marktrelevanz, welche Segmente innerhalb einer Produktgruppe sind für Verbraucher interessant? Das dauert. Es gibt zwar ein Kernteam von wenigen Personen, die eine Untersuchung planen und am Ende den Bericht schreiben. Aber es gibt viele Leute herum, die Input geben.

Die Hersteller sind ebenfalls einbezogen. Sie können vorher nicht nur Feedback zum Testkonzept geben, sie erhalten im Nachgang – vor der Veröffentlichung des Tests – auch die Messergebnisse der Untersuchung für mögliche Stellungnahmen. Auf die Testdurchführung und die Bewertungen haben sie aber ebenso wenig Einfluss wie auf den Produkteinkauf. Der erfolgt anonym, um auszuschließen, dass nicht speziell verbesserte Produkte eingereicht werden, sondern wirklich die, die im Handel angeboten werden.

Frage: Gibt es blinde Flecken, also Produktgruppen, die Sie nicht testen?

Brackemann: Theoretisch testen wir alles. Aber es gibt ein paar Produkte, die wirtschaftlich einfach nicht vernünftig darstellbar sind. Ich würde liebend gerne mal Fertighäuser testen, weil das für die Verbraucher, die so ein Haus kaufen, unheimlich relevant ist – aber das ist mit unseren Ansätzen und Ansprüchen nicht möglich.

Wir haben in der Zeit, die ich überblicke, und das sind rund 20 Jahre, auch nur ein oder zwei Mal Jeans getestet. Das interessiert nicht so viele Menschen, weil da modische Aspekte eine dominierende Rolle spielen – da tritt dann der vergleichende Warentest in den Hintergrund. Matratzen zum Beispiel sind das genaue Gegenteil: Da ist das Aussehen egal, hier geht es zu 100 Prozent um die Funktion, die Haltbarkeit und die Schadstoff-Freiheit.

ZUR PERSON: Dr. Holger Brackemann, 62, ist Leiter des Bereichs Untersuchungen bei der Stiftung Warentest und seit gut 20 Jahren dort tätig. Er ist physikalischer Chemiker.

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