Bleckede (dpa/lni) – Tisch 14 ist der gefragteste in «Urtes Wohnküche». Einmal im Monat veranstaltet Urte Rötz in Bleckede im Landkreis Lüneburg ein Single-Dinner, deckt für die sechs Angemeldeten festlich ein und serviert ein Drei-Gänge-Überraschungsmenü. «Es geht nicht ums Dating, ich will weder Größe noch Beruf wissen», erzählt die 58-Jährige. Es geht ihr ums Miteinander. Und die Menschen, die sich anmeldeten, seien offen.
So wie Ernst Schumacher, der aus Seevetal bei Hamburg schon dreimal die 60 Kilometer hin und zurück fuhr. Als die Frau des 80-Jährigen im vergangenen Jahr starb, las er zwei Monate später von der Idee und meldete sich spontan an. «Es ist wunderbar, wenn man sich unterhalten kann. Das ist so eine geniale Idee, ich habe für ein paar Stunden meine schlechte Laune vergessen», erzählt der Rentner.
Anfangs kämen die Gespräche am runden Sechser-Tisch meist schleppend in Gang, das gebe sich im Laufe des Abends. «Dann geht es irgendwann fließend, jeder erzählt, was er gemacht hat. Einfach fantastisch, ich finde das Ganze faszinierend», sagt Schumacher.
Nach einem Abend habe er sich sogar noch einmal mit jemandem allein getroffen. Er ist offen für neue Freundschaften. Aber das Wichtigste: «Wir amüsieren uns meist köstlich». Beim letzten Mal löste sich die Runde erst nach vier Stunden auf. «Ich weiß nicht, warum andere Restaurants nicht auf so eine Idee kommen.» Er wolle es auf jeden Fall in seinem Stammlokal in Sittensen anregen.
Rötz bestätigt, dass in dem urigen Lokal über zwei Etagen Tisch 14 meist noch besetzt ist, wenn schon alle anderen auf dem Heimweg sind. «Sie erzählen sich ihre Lebensgeschichten, kommen meist aus ganz unterschiedlichen Bereichen», sagt die Initiatorin, die sich wünscht, dass viele Restaurants ihre Idee nachahmen.
Meist hat sie einen Koch, der in einer offenen Küche die regionalen Speisen zubereitet – man kann dabei zusehen. Sie entwirft die Speisekarte mit heimischen Gerichten, so wie sie auch bei ihr auf einem Internet-Blog zu lesen sind. Auf die Single-Idee kam die Landwirtschaftsberaterin an den langen Abenden, die sie bei ihren Dienstreisen allein im Restaurant verbringen musste. Werbung machte sie bisher nicht, die Mund-zu-Mund-Propaganda reicht.
Und bereits vor der Eröffnung ihres kleines Lokals probierte sie das Bekochen von Fremden in den heimischen vier Wänden aus. Die Gäste kannten sich meist nicht, spendeten einen Obolus für einen guten Zweck. «Ich komme aus der Landwirtschaft und habe einen großen Tisch vermisst», sagt Rötz. Im Sommer steht sie an den Wochenenden um vier Uhr morgens auf, um eigenen Kuchen für die Gäste zu backen.
Urlaub macht sie wenig, nur Anlässe wie die Einschulung der Enkel sind ihr wichtig. Das war schon immer so, auch als sie noch die Verantwortung für einen großen Hof mit Ackerbau und Viehzucht in der Altmark in Sachsen-Anhalt hatte, den sie nach dem Tod ihres Mannes allein weiterführte und später ihrem Sohn übergab.
In dem autobiografischen Roman «Rotweinlaunen – Die elegante Form von Schnapsideen» hat sie unter dem Pseudonym Jour Bromann ihre Lebensgeschichte aufgeschrieben, auch das jahrelange Intermezzo als Fraktionsvorsitzende der CDU im Kreistag. Und den Wunsch, eines Tages in die Nähe des alten Hofes zurückzukehren.