London (dpa) – Schüler aus Deutschland und der EU machen seit dem Brexit einer Umfrage zufolge nur noch selten Bildungsreisen nach Großbritannien. Wie der Branchenverband Tourism Alliance unter gut 80 europäischen Anbietern solcher Reisen ermittelte, sind 2022 bis Ende des Sommers 83 Prozent weniger Schülerinnen und Schüler aus Europa nach Großbritannien gereist als vor Brexit und Pandemie. Bis August brachten die Anbieter etwa 37 000 Schülerinnen und Schüler ins Vereinigte Königreich, um ihr Englisch zu verbessern, Land und Kultur kennenzulernen und Freundschaften zu knüpfen. 2019 waren es rund 306 000.
Der enorme Einbruch hat vor allem einen praktischen Grund: Betreuer können mit den Schülern nicht mehr wie bisher als Gruppe einreisen, indem sie eine Liste mit Daten der Mitreisenden vorlegen. Nach dem Brexit ist dieses «List of Travellers»-Prinzip abgeschafft worden. Stattdessen müssen nun alle einzeln einen Reisepass vorlegen.
«Viele Schulkinder haben aber gar keine Reisepässe», sagte Richard Toomer, Chef der Tourism Alliance, der Deutschen Presse-Agentur. Außerdem müssten teils Visa beantragt werden – etwa für Schüler anderer Staatsbürgerschaften ohne Anrecht auf einen EU-Reisepass. «Die Hürden werden unüberwindbar», sagte Toomer. «Der Einfluss des Brexits ist absolut dramatisch.»
Teilhabe für alle werde deutlich schwerer, sagte auch Julia Richter vom Fachverband Deutscher Sprachschulen und Sprachreise-Veranstalter der dpa. «Das braucht alles Vorlauf und verursacht zusätzliche Kosten. Viele Schulen oder Lehrer, die Klassenfahrten organisieren, schreckt das ab.» Stattdessen Fahrten nach Irland oder Malta zu unternehmen, bringe andere Hürden mit sich: Diese Ziele seien weniger leicht mit Zug oder Bus zu erreichen und damit längst nicht so kostengünstig und nachhaltig wie Fahrten nach Großbritannien – was für viele eine wichtige Rolle spiele.
Die britische Regierung scheint – zumindest, was die Einreiseregeln angeht – keine Änderungen zu planen. «Wir erkennen die Wichtigkeit des Austausches zwischen Großbritannien und anderen Ländern an», heißt es auf Anfrage aus dem Innenministerium. «Die britischen Einreiseregeln gehören bereits zu den großzügigsten der Welt.»