Hamburg (dpa/lno) – Es ist gerade erst hell geworden und dennoch drängen sich die Menschen schon vor Axel Pabsts Theke auf dem Hamburger Fischmarkt. «Käse satt für alle, für 15 Euro!», ruft er lauthals in die Menge. Seine Stimme ist rau – aber gut trainiert. Seit mehr als 25 Jahren arbeitet der 54-Jährige als Marktschreier für das Unternehmen Fred4Food, das auf dem Fischmarkt durch den Obsthandel Bananen-Fred bekannt wurde. Mittlerweile gibt es aber nicht mehr nur Früchte im Sortiment, sondern unter anderem auch einen eigenen Käse-Stand. Besser bekannt als: Käse-Fred.
Jeden Sonntag steht Pabst hinter dieser Theke auf dem Platz an der Elbe. Aufstehen muss er dafür um 2.45 Uhr, der Aufbau beginnt um 4.00 Uhr. Der frühe Marktbeginn ist kein Zufall, sondern hat mehr als 300 Jahre Tradition: Als hier 1703 der Handel begann, wollte man, dass die Leute noch vor der Kirche am Sonntag ihren Fisch besorgen konnten, wie Pabst berichtet.
Heute ist die bekannte Verkaufsstätte «Teil der DNA unseres Bezirks», sagt Mike Schlink, Sprecher des zuständigen Bezirksamts Altona. Einige Stammverkäufer und ihre Marktschreier blicken selbst auf eine langjährige Geschichte auf dem Fischmarkt zurück und sind längst als fester Bestandteil zu Attraktionen geworden: Nur wenige Meter neben Käse-Fred schreit beispielsweise der bekannte Schoko-Johnny mit ihm um die Wette, der legendäre Aale-Dieter steht weiter entfernt.
Um sich das traditionelle Spektakel anzuschauen, kommen an den Sonntagen im Sommer laut Schlink im Schnitt 30 000 bis 45 000 Besucherinnen und Besucher. Abgesehen von Touristen und Stammkunden zählen auch feierlustige Kiezgänger von der Reeperbahn zu Pabsts Kundschaft.
Bei Käse-Fred versammeln sich die Schaulustigen dann – nicht nur um ein Stück Käse zu ergattern, sondern auch um den Marktschreier bei der Arbeit zu sehen. Mehrere Körbe auf dem Tresen füllt Pabst nach und nach mit etwa zehn verschiedenen Sorten. Ob Weichkäse, Edamer oder Frischkäse – der gelernte Lebensmittel-Kaufmann kann genau erzählen, woher sie kommen, wie sie schmecken, wie sie am besten zu genießen sind.
Etwa 2000 Gramm bekommt man dabei für sein Geld. «Isst du alles auf einmal, platzt dir die Hose!», ruft er so laut, dass ihn auch die Menschen im Vorbeigehen hören. Dann entleert er die Körbe zum Mitnehmen in käsegelbe Tüten. Das alles geht zack, zack, zack – kaum sind die Körbe leer, geht die Runde wieder von vorne los.
Auch wenn die Traube an Leuten vor seinem Stand immer größer wird und alle auf ihre Käse-Tüte warten, bringt das Pabst nicht aus der Ruhe. «Dann macht‘s erst richtig Spaß», sagt er. Das Scherzen mit den Zuschauenden sei das Beste an seinem Job. Genauso wie der Schnack mit anderen Marktleuten – einige von ihnen seien mittlerweile zu Freunden geworden.
Mit den Jahren hat er nach eigenen Worten viele Kunden kennengelernt, die gezielt für ihren Wocheneinkauf zum Fischmarkt kommen, um Geld zu sparen. Bei Käse-Fred erhalten sie den Angaben zufolge größtenteils die gleichen Produkte wie im Supermarkt – nur eben mit kürzerer Mindesthaltbarkeit oder als B-Ware. Dazu kämen die niedrigen Gebühren, die für die Verkäufer anfallen. Etwa sieben Euro kostet der Meter laut Schlink. «Ein Supermarkt, der muss ja seine Fläche mieten», meint Pabst. «Hier ist‘s einmal Standgeld für einen Tag und danach egal.»
Glücklich ist er in seinem Job, den er nach seiner Lehre per Zeitungsannonce fand, bis heute. «Außer wenn man jetzt 35 Grad hat und Käse verkaufen soll, dann ist es natürlich Quälkram», scherzt er.
Als um 9.30 Uhr die Bitte durch die Lautsprecher schallt, dass der Verkauf nun zu beenden ist, kommen immer noch einige für die Käse-Tüte zu Pabst. Ein paar Handgriffe, schon reicht er die letzte Tüte über den Tresen. Aber nur die letzte für heute. Dem Fischmarkt will der Hamburger noch länger treu bleiben.