Deutschland

Schnellkurs Stockholm

Hop on, hop of, das sagt ja bereits alles über die Busse, mit denen man die schwedische Hauptstadt nahverkehrlich ohne Plattfüße erschließen kann. Man muss sich dann nur noch merken, dass man die „blaue“ und nicht die „rote“ Linie gebucht hat, oder umgekehrt, was sich nicht unbedingt an der Farbe der Doppeldecker erschließt. Als kostengünstige Etappenesel mit eingebauten Stadtinformationen eignen sich die Gefährte jedenfalls ausgezeichnet.

Ausgangspunkt der hoppen Busfahrt: Der Platz vorm Bahnhof mit dem Glas-Obelisken in Sichtweite.

Durch die engen Gassen der Altstadt kurven die bunten Touristenbusse naturgemäß nicht. Dafür setzen die Fahrer die Interessen ihrer Passagiere durchaus mit Verve durch – wenn sie etwa an einer Haltestelle einer desorientierten amerikanischen Großfamilie geduldig den Weg erklären, während ein erboster Straßenbahnfahrer und sein Schaffner lautstark fordern, den Weg freizumachen. Wer in der Nähe des Hauptbahnhofs einsteigt, durchfährt erst einmal die Straßenschlucht der Klarabergsgatan mit einer Reihe von Neubauten, die Stockholmer Ästheten zur Weißglut brachten und bringen – die radikale städtebauliche Erneuerung dieser Epoche liegt vielen Nostalgikern noch schwer im Magen.

Skulptur vorm Bahnhof.


Betonmonster und Edelkaufhaus

Die Skulptur vor dem Bahnhof, in dessen Jahrhundertwende-Hallen einige sehenswerte Jugendstil-Malereien zu bewundern sind, scheint zumindest den Bau- und Straßenlärm satt zu haben: Mit dicken roten Retro-Kopfhörern blickt sie verdrießlich auf das Viertel in Norrmalm, das in den 1950er Jahren, vorsichtig formuliert, einer Generalsanierung zum Opfer fiel. Das Kulturhus am Sergels Torg erkennt man an seiner großen Glasfassade, davor der 37,5 Meter hohe Glasobelisk in einem Brunnen, der nur nachts, wenn er von innen beleuchtet wird, tatsächlich eine gewisse Ausstrahlung besitzt. Tagsüber hat er den Charme eines Betonmonsters – wie viele der Kaufhäuser und Bürokomplexe, die ihn umzingeln.

Einen Hauch Lafayette strahlt das Kaufhaus NK Nordiska Kompaniet in der Einkaufsstraße Hamngatan aus. Die 1915 eröffnete Edel-Mall setzt auf Eleganz und Flair, eine ausgezeichnete Beratung gehört traditionell zum guten Ton – in den Gründerjahren sollen die Verkäufer auch Fragen zur Etikette beantwortet haben. Zur rechten Fensterseite breitet sich der Kyngsträdgården aus. Der Park mit großem Wasserbassin ist eine beliebte Erholungsinsel für die Stockholmer. Kinder freuen sich im Sommer über kleine Fahrgeschäfte. In den zahlreichen Restauratant-Pavillons kann man für schwedische Verhältnisse relativ preiswert und gut essen.

Top-Adresse Strandvägen.

Archipel Stockholm
Vorbei am Kunliga Dramatiska Theatern können wir jetzt die Jugendstil-Paläste des Boulevard Strandwägen aus der Nähe bewundern. Seit der Kunst- und Industrieausstellung 1897 wohnt hier die Oberschicht – namhafte Architekten hatten vorher die Bruchbuden und Bauernhöfe des Scherbenviertels niedergewalzt, um eine repräsentative Häuserzeile mit Seeblick zu errichten. Von hier bekommt man eine Vorstellung davon, was es bedeutet, dass Stockholm mit 24.000 Inseln eines der größten Archipele der Welt besitzt.

Die Djurgårdsbron mit ihren Figuren aus der nordischen Mythologie – Thor und Freja mit dem Falken – ist die Brücke zum Djurgården, seit 1995 erster Öko-Naturstadtpark der Welt mit über 100 Vogelarten. Ende des 19. Jahrhunderts gründete hier der Ethnograph Artur Hazelius das Nordische Museum und das Freilichtmuseum Skansen. Ebenfalls hier beheimatet: das Wasa-Museum mit dem restaurierten Havarie-Schiff aus dem 17. Jahrhundert, das Aquaria Vattenmuseum, der Freizeitpark Gröna Lunds Tivoli und das Spritmuseum.

Blick auf die Diplomatenstadt.

Diplomatenstadt und Kaknäs-Turm
Zurück auf dem „Festland“ durchqueren wir die Diplomatenstadt (Diplomatstaden), ein exklusiver Wohnbezirk im Stadtteil Östermalm. In den rund ein Dutzend palastähnlichen Villen, die Anfang des 20. Jahrhunderts nach strengen qualitativen Vorgaben des Stadtrats errichtet wurden, sind die wichtigsten Auslandsvertretungen untergebracht.

Im Ladugårdsgärdet, einem durch den Djurgårdsbrunnsviken von der Halbinsel Djurgården getrennten Grüngebiet in Östermalm, ragt der Kaknäs-Fernsehturm mit seinen bescheidenen 155 Höhenmetern in den Stockholmer Himmel – Wolkenkratzer sind in der Stadt nicht zugelassen. Dafür auch in Schweden seit 1980 kommerzielle Sender. Ausländische Filme werden nach wie vor nicht synchronisiert, was den Sprachkenntnissen der Skandinavier eindeutig zugutekam.

Königliche Bibliothek im Park Humlegården.


Hopfengarten Humlegården

Östermalm zählt zu den besseren Vierteln der Stadt, immerhin wohnte hier der meistgespielte Dramatiker des Landes, August Strindberg. Am Humlegårdsgatan 9 befindet sich Stockholms älteste Markthalle, 1888 vom Architekten Isak Gustaf Clason nach Plänen von Kasper Salin gebaut. In einem heutigen Park an der Humlegårdsgatan hegte und pflegte die Stadt früher einen Hopfengarten. Schließlich sollen Seeleute im 17. Jahrhundert ein Anrecht auf zwei Liter Bier pro Tag gehabt haben – ein gutes Tauschgeschäft.

Vor der Königlichen Bibliothek im Park Humlegården wirft sich Carl von Linné in Pose – als Denkmal. Wir denken kurz nach, verlassen den Bus und stärken uns mit Ramlösa und schwedischem Milchkaffee – um die Stockholmer Variante italienischer Gigolos zu bewundern und die Frage zu erörtern: Was bewegt einen Sizilianer dazu, bei für ihn arktischen Temperaturen seine Brusthaare unter der Sonnenbrille baumeln zu lassen.

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