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Putsch im Partnerland? Offiziere verkünden Machtübernahme im Niger

Im der von Militärputschen und Terroristen heimgesuchten westafrikanischen Sahelzone galt der Niger als Hoffnungsträger - doch am Mittwoch verkünden Offiziere die Machtübernahme. Der mögliche Putsch kam unerwartet und wirft viele Fragen auf.

Nach einer stundenlangen Festsetzung von Nigers Präsident Mohamed Bazoum haben Militärs in dem westafrikanischen Land die Machtübernahme erklärt. Alle Institutionen der Republik seien ausgesetzt und die Landesgrenzen «bis zur Stabilisierung der Situation» geschlossen, verkündete Oberst Amadou Abdramane am späten Mittwochabend im nationalen Rundfunk RTN. Zudem gilt eine nächtliche Ausgangssperre. Die Verlautbarung galt als Vollzug eines Putsches, der unerwartet am Mittwochmorgen mit der Blockade des Präsidentenpalasts in der Hauptstadt Niamey begonnen hatte.

Offen blieb, wer in dem Land mit etwa 26 Millionen Einwohnern tatsächlich die Macht hatte. Unklar war, ob die zehn Soldaten im Fernsehen für die gesamten Streitkräfte sprachen. Auch ansonsten warfen die Ereignisse in Niamey Fragen über die Hintergründe und weitere Entwicklung auf.

«An diesem Tag, dem 26. Juli 2023, haben die Sicherheits- und Verteidigungskräfte, vereint im Nationalen Rat für die Rettung des Vaterlandes, beschlossen, dem Ihnen bekannten Regime ein Ende zu setzen. Dies ist eine Folge der kontinuierlichen Verschlechterung der Sicherheitslage, der schlechten wirtschaftlichen und sozialen Regierungsführung», erklärten die Offiziere. Man werde alle Verpflichtungen des Landes achten.

Nach Militärputschen in Mali und Burkina Faso war der Niger das letzte der drei Nachbarländer in der Sahelzone, das von einer demokratisch gewählten Regierung geführt wurde. Erst Ende 2022 hatte die EU eine Militärmission im Niger beschlossen, um den Terrorismus in der Region zu bekämpfen. Die Bundeswehr stellt für diese EU-Mission bisher nur einige wenige Soldaten, die in Niamey sind. Die Bundeswehr unterhält dort einen Lufttransportstützpunkt für das militärische Engagement in Westafrika, auf dem rund 100 deutsche Soldaten arbeiten. Die Soldaten waren nach früheren Angaben des Verteidigungsministeriums von Mittwoch in Sicherheit.

Am Mittwochmorgen hatte die Präsidentengarde, eine Eliteeinheit der Armee, Präsident Bazoum (63) in Niamey festgesetzt und den Zugang zum Palast und mehreren Ministerien gesperrt. Das Büro des Präsidenten drohte zunächst noch, die Armee und die Nationalgarde seien bereit, die Präsidentengarde anzugreifen. Demonstranten zogen vor den Präsidentenpalast, um für Bazoum und die Wahrung der Demokratie zu protestieren. Berichten zufolge wurden Schüsse abgefeuert.

International riefen die Vorgänge noch vor dem Verkündung im Fernsehen scharfe Verurteilungen hervor. Unter anderem die Vereinten Nationen, die EU, die USA und die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas forderten eine Freilassung Bazoums und die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung. Den Informationen der EU zufolge liefen noch am Abend Verhandlungen mit den Putschisten.

«Wir verurteilen jeglichen Versuch, die Macht mit Gewalt zu ergreifen», sagte US-Außenminister Antony Blinken am Donnerstag während eines Besuchs in Neuseeland. Die USA seien in Kontakt mit der Regierung des Nigers sowie mit ihren Partnern. Es gebe Bemühungen, die Situation friedlich zu lösen. Erst bei einem Telefonat mit Bazoum am Morgen habe er klargemacht, dass die USA diesen als den demokratisch gewählten Präsidenten des Nigers unterstützten.

Nach Angaben von EU-Diplomaten sprachen auch EU-Chefdiplomat Borrell und EU-Ratspräsident Charles Michel am Mittwoch zweimal mit Bazoum, der demnach bis zuletzt mit seiner Familie in seiner Residenz war. Auch UN-Generalsekretär António Guterres sprach mit dem Präsidenten, wie ein Sprecher auf Twitter mitteilte.

Der Niger ist in den vergangenen Jahren in den Mittelpunkt der westlichen Bemühungen gerückt, dem gewaltsamen Vormarsch der Dschihadisten in Westafrika und auch einem wachsenden militärischen Einfluss von Russland entgegenzuwirken. Putsche in den benachbarten Ländern Mali und Burkina Faso seit 2020 gingen mit einer Abwendung von europäischen Partnern und zuletzt der Forderung nach Abzug der UN-Friedensmission zur Stabilisierung Malis einher. Das Dreiländereck wird seit Jahren von Gruppen terrorisiert, die den Terrormilizen Al-Kaida und IS anhängen. Die Sicherheitslage verschlimmert sich zunehmend und bedroht auch bislang stabile angrenzende Staaten.

Der Niger gehört mit seinen rund 26 Millionen Einwohnern zu den ärmsten Ländern der Welt. Bazoums Amtseinführung im April 2021 war der erste friedliche demokratische Machtwechsel im Land seit seiner Unabhängigkeit von Frankreich 1960 – wenige Tage vorher kam es noch zu einem Putschversuch, den die Präsidentengarde verhinderte. Bazoum diente unter seinem Vorgänger Mahamadou Issoufou seit 2011 als Außen- und Innenminister, bis er zur Nachfolge des nach zwei Amtszeiten ausgeschiedenen Issoufou antrat und mit rund 56 Prozent der Stimmen gewann. Issoufou behielt viel Einfluss. Beobachter vermuteten als möglichen Hintergrund auch einen Kampf um Einfluss in Niamey.

Die Ereignisse zeigten die Fragilität des Landes, sagte der Regionalbüroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Sahelzone, Ulf Laessing, der Deutschen Presse-Agentur. «Deutschland und Europa haben Millionensummen in Niger investiert von Militär- bis Entwicklungszusammenarbeit. Die Hilfsprogramme wecken auch Begehrlichkeiten.» Laessing fügte hinzu: «Ein Coup kann alles ändern und würde auch Russland die Tür öffnen, sich breitzumachen.»

Außerhalb der großen Städte ist in Niger der Staat kaum präsent. Von einer Fläche, die dreieinhalbmal so groß wie Deutschland ist, sind zwei Drittel Wüste. Niger hat die höchste Geburtenrate und die jüngste Bevölkerung der Welt – Kinder unter zehn Jahren machen mehr als ein Drittel der Einwohner aus. Mehr als 40 Prozent der Menschen leben in extremer Armut. Zudem ist der Niger eins der wichtigsten Transitländer für Migranten, die das Mittelmeer erreichen wollen.

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