München (dpa/tmn) – Heißen Selbstständige so, weil sie selbst ständig verfügbar sein müssen? Das Bonmot wird gerne verwendet, wenn es um die Schattenseiten des Lebens als Selbstständige oder Selbstständiger geht. Ein paar Tage freinehmen, vielleicht sogar zwei Wochen Urlaub – wie soll das gehen? Man will schließlich keine Kunden oder Aufträge verlieren.
«Gerade zu Beginn ihrer Selbstständigkeit tappen manche Gründerinnen und Gründer in diese Falle», sagt Felix Petruschke vom Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland. Endlich läuft das Geschäft – da sorgen sich viele, dass eine Auszeit den Erfolg gefährden könnte. Vor allem Solo-Selbstständige oder Chefs und Chefinnen kleiner Unternehmen wollen ansprechbar bleiben für bereits gewonnene und potenzielle Kunden.
Dabei sei monatelanges Durcharbeiten eigentlich viel riskanter, warnt Petruschke: Wer sich keine Erholungspausen gönnt, läuft Gefahr, irgendwann ungeplant wegen Erschöpfung oder Krankheit auszufallen. «Und das ist für Selbstständige finanziell dann erst recht schwierig zu kompensieren.»
Wichtiger Test für ein solides Geschäftsmodell
Ob ein Urlaub machbar ist – das ist in der Gründungsberatung deshalb «ein wichtiger Test für ein solides Geschäftsmodell», sagt Petruschke. Wenn man sich als Selbstständiger einen Urlaub nicht leisten kann, «dann funktioniert das Geschäftsmodell nicht, dann muss man beispielsweise darüber nachdenken, höhere Honorare zu verlangen».
Oft ist es allerdings gar nicht so sehr die konkrete Sorge um ausbleibende Einnahmen, die Selbstständige von einer Arbeitspause abhält, beobachtet Businesscoachin und Unternehmensberaterin Anke Tielker: «Ich habe den Eindruck, dass Urlaub für viele Selbstständige nicht gesellschaftsfähig ist, weil man nicht den Eindruck erwecken will, zu wenig zu tun zu haben.»
Sogenannte «Verantwortungs-Festhalter» seien das, sagt sie. Doch es ist nicht unbedingt gut fürs Geschäft, wenn man sich pausenlos für alles und alle zuständig fühlt. «Durch eine Auszeit steigt die Kreativität, Aufträge und Akquise gehen anschließend wieder leichter von der Hand, die Produktivität nimmt zu.»
Urlaub und Auszeiten langfristig planen
Spontan kurz mal wegfahren können, weil gerade nichts zu tun ist – das kann einer der Vorteile selbstständiger Arbeit sein. Als Prinzip der Urlaubsplanung empfiehlt es Felix Petruschke trotzdem nicht: «Wir raten dazu, Urlaubszeiten langfristig zu planen, am besten mehrere Monate im Voraus, ganz ähnlich, wie es Angestellte machen.» Dann bleibt auch genug Zeit, die Arbeit entsprechend einzuteilen, die Kunden zu informieren – und sich gegebenenfalls um eine Vertretung zu bemühen.
Wer nicht an Schulferien gebunden ist, könne sich bei der Planung gut von seinen betriebswirtschaftlichen Auswertungen leiten lassen, so ein Tipp von Coachin Anke Tielker. Die nackten Zahlen helfen, «Saure-Gurken-Zeiten» mit wenig Aufträgen zu identifizieren. «Auf diese Weise vermeidet man, mit schlechtem Gewissen zur falschen Zeit Urlaub machen zu müssen», sagt Tielker. Und in Zeiten, in denen die Aufträge dann nur so ins Haus flattern, ist man wieder voll einsatzfähig.
Doch wie informiert man die Kunden über die eigene Auszeit? Ebenfalls mit ausreichend Vorlauf, raten die Experten. Vielleicht verbunden mit dem Angebot zuvor bei Bedarf noch Dringendes zu erledigen. «Auf diese Weise kann man Urlaubspläne sogar zur Akquise nutzen», sagt Anke Tielker.
Aufgaben auch mal abgeben
Wobei es durchaus auch gute Gründe geben kann, die Abwesenheit nicht zu kommunizieren – weil man im Haifischbecken zwischen den Konkurrenten seinen Platz behaupten möchte. Unterstützen kann in solchen Fällen ein personalisierter Anrufumleitungsservice oder eine virtuelle Assistenz. «Man bleibt erreichbar, muss aber nur auf die Anfragen reagieren, die wirklich wichtig sind, und nicht auf Werbeanrufe für Kugelschreiber», sagt Tielker.
Wenn man ein Team hat, lässt sich eine Vertretung oft auch intern organisieren. «Delegieren müssen manche allerdings oft erst lernen, gerade am Anfang der Selbstständigkeit», beobachtet die Unternehmensberaterin. Am besten übt man das schon vor dem Urlaub, gibt gelegentlich Aufgaben ab oder testet das Outsourcing an externe Dienstleister.
Und auch dann wird man wieder überlegen müssen: Will ich erreichbar bleiben, wenn es Fragen gibt? «Aber das Thema permanenter Erreichbarkeit stellt sich nicht nur in der Selbstständigkeit», sagt Felix Petruschke. «Das erleben Angestellte mittlerweile genauso. Jeder muss für sich lernen, wie er sich sinnvoll abgrenzt.»
Sich sinnvoll abgrenzen – das ist gerade für Selbstständige auch in anderem Zusammenhang wichtig – und der Umgang mit Urlaub ein wichtiges Indiz, ob es gelingt, sagt Anke Tielker. «Man muss immer wieder justieren, welche Tätigkeiten einen wirklich antreiben, wo man gut ist und womit man mit einem angemessenen Zeitaufwand so viel Geld verdient, dass man sich unter anderem auch einen Urlaub leisten kann.»