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Neue Tourismus-Agentur will Wir-Gefühl an der Küste stärken

Mehr als 60 Tourismusorganisationen werben in Niedersachsen und Bremerhaven für Urlaub an der Küste. Eine neue Agentur soll dieses Klein-Klein nun beenden. Ihr neuer Chef Mario Schiefelbein erklärt, wie das klappen kann - und was das auch für Einheimische bedeutet.

Die Büroräume in der Wilhelmshavener Börsenstraße sind gerade bezogen, die ersten sechs Mitarbeiter eingestellt – nun soll die Arbeit der neuen Tourismus-Agentur Nordsee, abgekürzt «Tano», Fahrt aufnehmen. Mario Schiefelbein ist seit Anfang November der neue Chef der Agentur, die die touristische Zusammenarbeit fast aller niedersächsischen Küstenorte von der niederländischen Grenze bis zur Elbe inklusive Bremerhaven stärken soll. «Wir sind hochmotiviert und haben ein erstklassiges Kernteam», berichtet Schiefelbein. «Wir wollen gerade sehr viel gleichzeitig machen, müssen uns aber an manchen Stellen selbst disziplinieren.»

Wer den gebürtigen Kieler trifft, spürt, wie sehr er für die Nordseeküste brennt. Der 57-Jährige, der in Cuxhaven aufwuchs, gilt zudem als Experte für Markenbildung. Mindestens genauso groß wie die Zahl seiner Ideen sind aber wohl auch die Aufgaben, vor der die neue Agentur steht. Denn mit der Tano soll das bisherige Klein-Klein im Tourismusmarketing an der niedersächsischen Küste verschwinden. Bislang gibt es dort mehr als 60 Organisationen, die ihre Orte bewerben: Von der kleinen Tourist-Information über die Kurverwaltungen bis hin zu den regionalen Tourismusgesellschaften.

Nach Jahren der Vorarbeit gründeten Anfang 2022 neun Landkreise und Städte entlang der Küste die neue touristische Dachorganisation – die Tano. Beteiligt sind die sieben Landkreise Ammerland, Aurich, Cuxhaven, Friesland, Leer, Wesermarsch und Wittmund sowie die Stadt Wilhelmshaven und aus Bremen die Seestadt Bremerhaven. Allein die Stadt Emden ist aus eigenem Willen bislang nicht Teil des Verbundes. «Wir setzen auf eine stärkere interkommunale Zusammenarbeit und Abstimmung von Projekten für Gäste, aber auch für Einheimische», hatte der Landrat des Kreises Wittmund und Aufsichtsratsvorsitzender der Tano, Holger Heymann (SPD), bei der Gründung gesagt.

Die neue Agentur soll nun also helfen, Doppelstrukturen abzubauen, Ressourcen zu bündeln und die Urlaubsregion auch international stärker bekannt machen. Es gibt auch schon erste Ideen, wo die Zusammenarbeit besser werden könnte: Bei der Digitalisierung der Tourismusorte etwa oder bei der Fachkräftegewinnung. Beim Auslandsmarketing könnten die niedersächsischen Orte von der Stadt Bremerhaven profitieren, die dort bereits stark ist.

Die Tourismusorganisationen am Ort seien «Partner» und unentbehrlich für die Tano, sagt Schiefelbein. Es gehe nicht darum, jemandem ins Tagesgeschäft hineinzureden. Die Agentur biete Hilfe an, wo immer es gewünscht sei und stelle Synergien her. «Wir schauen, dass wir möglichst viele Partner finden, die an einem Strang ziehen. Das ist bislang nicht immer der Fall gewesen. Wir müssen daher das Wir-Gefühl an der niedersächsischen Nordseeküste steigern.» Wichtig sei es, die gesamte Region mit ihrer rund 333 Kilometer langen Küstenlinie im Blick zu halten, sagt er und bekennt: «Das ist eine Mammutaufgabe.»

Als eines der ersten Projekte will die Agentur nun eine eigene Marke für die niedersächsische Nordseeküste samt Bremerhaven etablieren. Das sei mehr als überfällig, sagt Schiefelbein. Andere Urlaubsregionen wie der Schwarzwald oder das Allgäu und auch die übrigen deutschen Küsten machten vor, wie es gehe, sagt der Manager. «Wir hinken im Wettbewerb hinterher und sind lange nicht da, wo wir sein müssten. Aber wir sind auf dem richtigen Weg.»

Wie sehr die Nordseeküste im Hintertreffen ist, geht aus Daten der Landesgesellschaft Tourismus-Marketing Niedersachsen (TMN) hervor. Für einen Vergleich der Marktanteile hat die Gesellschaft die Daten der statistisch erfassten niedersächsischen Urlaubsregionen Nordseeküste, Ostfriesische Inseln und Ostfriesland mit den Marktanteilen der Küsten von Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern verglichen.

Zwar hat die niedersächsische Nordseeküste die Corona-Pandemie demnach besser verkraftet als die Küsten der anderen Länder. Sowohl bei den Übernachtungen als auch bei den Ankünften wurden Marktanteile seit dem Einbruch mit der Corona-Pandemie 2020 hinzugewonnen – während die Steigerung in Schleswig-Holstein prozentual geringer ausfiel und Mecklenburg-Vorpommern sogar Verluste hatte.

Allerdings liegt die niedersächsische Nordseeküste bei den Gesamt-Marktanteilen im Vergleich weiter deutlich zurück: Vor der Pandemie 2019 kam die niedersächsische Küste bei den Übernachtungen auf einen Anteil von 21,6 Prozent – hinter Mecklenburg-Vorpommern mit 37,7 Prozent und Schleswig-Holstein mit 41,1. Nahezu identisch war die Verteilung bei den Ankünften. Auch die Corona-Pandemie hat an dieser Verteilung nicht grundsätzlich etwas geändert.

Braucht es nun also mehr Urlauber an der Nordsee? «Es wird nicht darauf hinauslaufen, um jeden Preis immer mehr Touristen zu einem Besuch an der niedersächsischen Küste zu motivieren», sagt Tano-Chef Schiefelbein. Der Begriff des sogenannten Overtourism – also dass es aus Sicht der Einheimischen zu viel Tourismus an einem Ort gibt – sei auch in der Region schon zu hören. «Wir denken vielmehr aus der Perspektive der Einheimischen und fördern die Akzeptanz für den Tourismus auf der einen Seite und das Verständnis für Schutzmaßnahmen im Sinne unseres Naturerbes auf der anderen», sagt Schiefelbein. Das Ziel sei es, die Wertschöpfung zu steigern. «Dafür müssen die Zielgruppen und die entsprechenden Angebote zueinanderpassen.»

Zwei bis drei Jahre Zeit bleibe, so Schiefelbein, um den Gesellschaftern der Tourismusagentur Nordsee zu beweisen, dass der eingeschlagene Weg der richtige sei.

Richtig sichtbar werden soll die Arbeit der neuen Tourismusagentur zuerst im Marketing. Zurzeit arbeitet die Agentur etwa an einer Website für Touristen, die im Frühjahr an den Start gehen soll. Auch die Fachkräftegewinnung und die Inszenierung von nachhaltigen Naturerlebnissen will Agenturchef Schiefelbein 2023 angehen, ohne schon Details zu nennen. Klar sei aber schon das Ziel: «Wir wollen auffallen mit dem, was wir tun, mutig sein und neue Wege gehen.»

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