Berlin (dpa/tmn) – Ausgebucht: Das konnte sich die IFA (1. bis 5. September) nicht immer auf die Fahnen schreiben. Doch in diesem Jahr sind die 26 Messehallen komplett belegt mit 2059 Aussteller aus 48 Ländern, melden die Veranstalter.
Ganz neu auf der IFA sind die Ausstellungsbereiche House of Robots (Haus der Roboter) und Sustainability Village (Nachhaltigkeitsdorf) Das lässt keinen Zweifel daran, um welche Themen es bei Unterhaltungselektronik, Haushaltsgeräten & Co gerade geht. Ein Überblick über drei Trends unterm Berliner Funkturm:
1. Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien
Auf der Messe werden viele neue Geräte gezeigt, in denen wiederverwendete oder zumindest recyclingfähige Materialien stecken. Denn um etwa auf dem gesättigten Smartphonemarkt bestehen zu können, brauchen Hersteller neue Verkaufsargumente. Dabei sei «Nachhaltigkeit ein Schlüsselelement zur Sicherung des Wachstums», analysiert der Branchenverband und IFA-Mitveranstalter gfu.
Der Marktforscher GfK hat beobachtet, dass die Hersteller Umwelt-Gesichtspunkte inzwischen verstärkt thematisieren, auch im Marketing: Am häufigsten gehe es dabei um ökologische Verpackungen, recyceltes Material in und den CO2-Fußabdruck von Produkten.
Langlebig, reparabel und recycelbar
In die Nachhaltigkeitsbetrachtung muss natürlich auch die Langlebigkeit von Geräten einfließen, die in einem hohen Maß von Software-Updates, der grundsätzlichen Reparierbarkeit und der Verfügbarkeit von Ersatzteilen abhängt. Und Geräte sollten am Ende ihres Lebenszyklus‘ natürlich recycelt werden.
Diese Punkte hat der Smartphone-Hersteller Fairphone zu seinem Geschäftsmodell gemacht. Auf der IFA ist das neueste, 700 Euro teure Fairphone 5 zu sehen, das zu großen Teilen aus Recycling-Materialien gefertigt und wie seine Vorgänger modular aufgebaut ist, so dass eine Reparatur in Eigenregie nur mit Schraubenzieher möglich ist.
Geradezu spektakulär ist das Herstellerversprechen, die fünf nächsten Betriebssystem-Aktualisierungen für das Android-13-Gerät und acht Jahre Sicherheitsupdates zu liefern.
Vollsta?ndig recycelten Stoff, 85 Prozent recycelten Kunststoff und 50 Prozent recyceltes Aluminium setzt indes die Harman-Marke JBL in ihren drei neuen WLAN-Lautsprechern ein. Beim Design wecken die Authentics getauften Geräte 1970er-Jahre-Assoziationen. Sie bieten Streaming-Unterstützung für Airplay und Chromecast sowie eine raumspezifische, automatische Klangoptimierung.
Zwei Sprachassistenten gleichzeitig nutzbar
Ganz neu ist die Möglichkeit, zwei verschiedene Sprachassistenten quasi simultan zu nutzen, nämlich Amazons Alexa und Googles Assistant, die zu diesem Zweck sogar kooperieren. Das Topmodell Authentics 500 (630 Euro) liefert auch Dolby-Atmos-Raumklang.
Auch erneuerbare Energien sind Trendthema auf der Messe, für Verbraucher vor allem auch in Gestalt kleiner Solarkraftwerken. Der Hersteller Technaxx hat etwa einen Tisch (700 Euro) für Balkone und Terrassen entwickelt, dessen aufstellbare Platte aus Solarmodulen besteht, die bis zu 410 Watt liefern, wenn nicht gerade getafelt wird. Und Jackery hat den Solargenerator 300 Plus (450 Euro) mit nach Berlin gebracht. Er besteht aus einem kleinen, faltbaren 40-Watt-Solarpanel samt Akku-Station zum Speichern des Stroms.
2. Display- und Audio-Innovationen
Gefragt sind laut GfK auch hochwertige Produkte mit innovativen Features. Das zeige sich deutlich bei neuen TV-Geräten mit OLED-Displays, aber auch grundsätzlich bei neuen Fernsehern mit innovativen Features. Davon werden auf der IFA einige vorgestellt, etwa die Auracast-Technologie.
Auracast ermöglicht es, den Ton von einem Gerät drahtlos per Bluetooth quasi an beliebig viele Empfänger in der Nähe gleichzeitig zu streamen, etwa auf Kopfhörer. Bislang funktionierte das über Bluetooth mit maximal zwei Empfängern gleichzeitig.
Samsung hat entsprechende Updates für aktuelle Smart-TVs (2023er Neo-QLED- und Micro-LED-Reihe) und die In-Ear-Kopfhörer Galaxy Buds 2 Pro angekündigt. Und Philips bringt die Technologie auf seine neuen Kopfhörer Fidelio L4 und auf die In-Ears Fidelio T2. Grundsätzlich müssen Geräte Bluetooth 5.3 mit Low Energy (LE) Audio unterstützen, um Auracast wiedergeben zu können.
Auch bei Dolby funkt es: Das Audiolabor demonstriert in Berlin Atmos Flexconnect, eine neue Technologie, die das Fernseher-Soundsystem um drahtlos verbundene Zusatzlautsprecher erweitert. Der Atmos-Raumklang soll dann intelligent an jeden Raum und jede Boxenaufstellung sowie -leistung angepasst werden. Kompatible Fernseher liefert ab 2024 Kooperationspartner TCL, ebenso die nötigen Lautsprecher.
Ein ähnliches System stellt das Technologieunternehmen Xperi mit DTS Play-Fi Home Theater auf die Beine. Hier sollen kompatible Fernseher bis 2024 zuerst von Philips kommen.
Neues Camping-TV mit WLAN
Apropos Fernseher: Die laufen für gewöhnlich mit 220 Volt daheim an der Steckdose. Weil Camper unterwegs mit dieser Spannung recht wenig anfangen können, baut Thomson ein Camping-TV (24 oder 32 Zoll) mit WLAN, das sich an die Caravan-Wand hängen lässt oder mit zwei in der Breite verstellbaren Füßen auf dem Campingtisch steht, vor allem aber auch mit 12- oder 24-Volt-Bordstrom läuft.
Ebenfalls für unterwegs hat LG das Lifestyle-Display Stanbyme Go ersonnen, das samt Lautsprechersystem in einem schicken Koffer steckt und Akkus für bis zur drei Stunden Betrieb hat. Beim Öffnen des Koffers schaltet sich der verstellbare Bildschirm automatisch ein. Flach auf den Tisch gelegt, laufen auf dem Touchdisplay auch digitale Brettspiele. Ansonsten lassen sich problemlos Videos, Filme oder Musik vom Smartphone aufs Koffer-Display streamen.
Und die IFA wäre nicht die IFA, gäbe es keine gigantischen neuen Fernseher zu sehen: Unter dem Motto «Big in Berlin» präsentiert Samsung zwei neue 98-Zoll-Modelle (4K QLED Q80C und 8K Neo QLED QNC990), die mit ihren knapp 2,50 Metern Bilddiagonale nun wirklich wandfüllend sind.
Noch bildgewaltiger, aber platzsparender geht es mit dem neuen Samsung-Projektor «The Freestyle 2». Koppelt man zwei davon, erhält man ein 120-Zoll-Bild im Hoch- und ein 160-Zoll-Bild im Querformat, was in der Horizontalen eine riesige 21:9-Kinoleinwand ergeben soll.
3. Connected und Smart Living
Im Sustainability Village findet sich auch das House of Smart Living, wo die intelligente Energiesteuerung und Automation von Geräten und Gebäuden im Mittelpunkt steht. Hier dreht sich vieles um den Smart-Home-Standard Matter, der seit einem knappen Jahr fertig ist.
Nun wartet Matter darauf, in möglichst viele Geräte eingebunden zu werden, damit diese leicht per QR-Code eingerichtet, herstellerübergreifend genutzt und kombiniert werden können. Matter basiert technisch auf LAN, WLAN, dem Netzwerkprotokoll Thread und teils auf Bluetooth LE (ab Version 4.2).
Lange Zeit hatten sich Verbraucherinnen und Verbraucher faktisch auf einen Smart-Home-Anbieter und seine Komponenten festlegen müssen. Doch nun stehen die Chancen für Matter in der bisher in Sachen Standards fragmentierten Smart-Home-Welt gut. Denn in der Connectivity Standards Alliance (CSA), die mehrere Hundert Mitgliedsunternehmen zählt und Matter definiert hat, sind auch Amazon, Apple, Google, LG oder Samsung aktiv.
Diese Hersteller haben schon viele ihrer Geräte vom Fernseher bis zum Smart-Display sowie ihre Betriebssysteme und Smart-Home-Apps fit für Matter gemacht haben, damit über diese Schaltzentralen etwa kompatible Schalter, Türschlösser, Sensoren und Lampen, aber auch Haushaltsgeräte verschiedenster Hersteller gesteuert werden können.
Oder auch smarte Steckdosen: Eine schaltbare WLAN-Dose für 15 Euro, ist etwa das erste Matter-Produkt von Zubehörspezialist Hama. Zugegeben ein einfaches Teil, aber eines, mit dem quasi jedes beliebige Gerät ins Smart Home eingebunden werden kann.
Neues gibt es auch von Signifiy, dessen smarte Philips-Hue-Lichter weit verbreitet sind. Der Hersteller nimmt Sicherheitskameras und einen Kontaktsensor für Türen, Fenstern oder Schränke ins Sortiment auf, hat vor allem aber die Matter-Kompatibilität für den Herbst 2023 in Aussicht gestellt: und zwar für alle Hue-Produkte über die Philips-Hue-Bridge.