Lauterach/Hamburg (dpa/tmn) – Beim Linsen-Walnuss-Salat seiner Frau kommt Alt-Bio-Linsenanbauer Franz Häußler aus Lauterach auf der Schwäbischen Alb ins Schwärmen. Die Hülsenfrüchte überzeugen nicht nur im Eintopf, sondern unter anderem auch in frischen Salaten. Bio-Spitzenkoch Sebastian Junge aus Hamburg serviert etwa als Vorspeise ein Türmchen aus Roggen-Sauerteig-Chips mit Linsen-Kichererbsen-Hummus.
Erdig bis nussig fein
Galten die Hülsenfrüchte früher als Arme-Leute-Essen, haben sie inzwischen einen festen Platz nicht nur in der fleischlosen Küche. Für Kochbuchautorin Inga Pfannebecker liegen die kleinen Kraftpakete voll im Trend. Das Geschmacksspektrum reicht von erdig bis nussig fein.
Und was sagen die Farben aus? «Die hellen Sorten, rote, gelbe und cremefarbene, sind geschält und haben eine kurze Kochzeit. Sie sind in etwa 10 Minuten gar», erklärt die Fachfrau. Geschält hätten sie zwar weniger Ballaststoffe, aber weiterhin viel pflanzliches Eiweiß. «Geschälte Sorten eignen sich prima für Brotaufstriche, Dips oder indische Dals.»
Dunkle Linsen wie Beluga- oder Berglinsen sind nicht geschält und brauchen je nach Sorte etwa 30 Minuten. «Die Garzeit ist auch abhängig davon, wie lange die Linsen gelagert wurden. Je älter, desto länger dauert es», sagt Pfannebecker. Dunkle Linsen haben ein nussiges Aroma. Helle Sorten sind mehlig.
Ungeschält behalten Linsen ihre Form und sind toll für Salate. Pfannebeckers Tipp für eine besondere Beilage: «Puy-Linsen mit etwas Zwiebel wie ein Risotto mit wenig Wasser garen. Passt prima zu Fleisch oder geröstetem Gemüse.»
Nicht roh verzehren
Linsen müssen gekocht werden. Sebastian Junge vom Hamburger Bio-Restaurant Wolfs Junge, mehrfach mit dem «Grünen Stern» vom Guide Michelin ausgezeichnet, empfiehlt, Linsen über Nacht einzuweichen und danach mit viel Wasser zu waschen. «Dadurch werden teils unverträgliche Stoffe wie Lektine ausgeschwemmt. Durch den Kochvorgang werden diese Substanzen unschädlich gemacht», erklärt er.
Junge hält es für «ein Ammenmärchen, Linsen nicht mit Salz zu kochen. Im Gegenteil, der Grundgeschmack kann durch Gewürze hervorgehoben werden, je nachdem, wie ich die Linsen weiterverarbeiten will.» Für die Hülsenfrucht-Expertin Cecilia Antoni aus Berlin, die zwei Blogs über Hülsenfrüchte betreibt, ist kein anderes Lebensmittel so wandlungsfähig: «Durch Gewürze kann man Linsen in jede Richtung lenken, sei es indisch, orientalisch oder mediterran. Sie nehmen alles dankbar an.»
Alb-Leisa – Renaissance der heimischen Linse
Franz Häußler kennt den Anbau der heimischen Linsen von der Pike auf. Sie waren seit Alters her auf der Schwäbischen Alb beheimatet, halfen der Bevölkerung beim Überleben. In den 1950er-Jahren starb die Hülsenfrucht dort aus, weil sie mit günstigen Importen nicht mithalten konnte. 1985 begannen Woldemar Mammel und seine Frau wieder mit dem Anbau, anfangs nur für den Eigenbedarf. Die Nachfrage war so groß, dass Mitarbeiter gesucht wurden und auch Häußler einstieg.
Inzwischen gilt die Alblinse als Feinschmeckerlinse. Häußler erzählt: Späths Alblinse war die ursprüngliche Linse. Sie wurde 2006 in der Genbank in St. Petersburg wiederentdeckt und schwäbische Bio-Landwirte erhielten wenige Hundert Samen. Diese vermehrten sie mühevoll und bauten sie wieder an. Heute kultivieren etwa 140 Bio-Landwirte auf 450 Hektar Alb-Leisa, sprich Alb-Linsen.
Der Linsenanbau ist sehr anspruchsvoll. «Linsen werden nicht in Reinkultur angebaut, sondern brauchen eine Stützpflanze. Bei uns auf der Alb sind das entweder Leindotter, Hafer oder Gerste. Man muss also immer in zwei Kulturen denken», erklärt Häußler. Linsen brauchen Feuchtigkeit zum Keimen und zum Wachsen bis zur Blüte. Ab der Blüte darf es trocken sein. Geerntet wird Ende Juli/Anfang August.
Besonderes Geschmackserlebnis
Alblinsen zeichnen sich durch einen intensiv nussigen Geschmack aus. «Wir haben vier Sorten mit unterschiedlichen Kocheigenschaften: Späths Alblinse I ‘Die Große‘, Späths Alblinse II ‘Die Kleine‘, die grüne marmorierte Linse und die Beluga Linse», erklärt der Altbauer. Die dunkelgrüne Linse stammt aus Frankreich. «Wir dürfen sie nur nicht Puy-Linse nennen. Sie ist festkochend und gut für Salate.
Späths Alblinse II ‘Die Kleine‘ ist auch festkochend, auch perfekt für Salate und andere Gerichte. Späths Alblinse ‘Die Große‘ ist etwas weichkochend. Sie erinnert die Schwaben an ihr typisches Linsen-Spätzle-Gericht», so Häußler.
«Linsen sind ein eiweißhaltiges Lebensmittel, das in Kombination mit Getreide und dessen Kohlenhydraten eine vollwertige Ernährung bietet, deshalb Spätzle und Linsen», erklärt Häußler. Eine perfekte Kombi für Vegetarier. Für Cecilia Antoni sind sie der optimale Ersatz für tierische Produkte wie Hackfleisch in der Lasagne oder Hackbällchen.
Der Anbau der Hülsenfrüchte bringt ökologisch viele Vorteile, etwa an Biodiversität. «Wir finden auf unseren Äckern Pflanzen, die auf der Roten Liste stehen», weiß Häußler. Auch können Linsen Stickstoff aus der Luft verwerten. Zusätzlicher Dünger ist nicht nötig.
Nachhaltige Küche mit Linsen
Sebastian Junge verarbeitet vorwiegend Lebensmittel aus der Region. Linsen und Kichererbsen aus dem Göttinger Raum verwandelt er in ein Curry, begleitet von Röstkartoffeln und gebratenem Grünkohl. Oder er serviert zum selbst gebackenen Brot Linsenhummus. Die Hülsenfrüchte gibt es bei Junge aber auch klassisch mit Fleisch vom Ackerschwein und gebackenen Kartoffeln.
Zu Pfannebeckers Lieblingsrezepten zählt Linsensalat mit Fisch. Dafür Puy-Linsen mit Lorbeer kochen, abgießen und das Salatdressing mit Granatapfelkernen zubereiten. Granatapfel sorgt für frische Säure. Mango, Zwiebel, Dill mit Dressing gut durchmischen, Linsen dazugeben und ziehen lassen. Cecilia Antoni isst Linsen gern mit frischen Früchten wie Himbeeren. Oder sie zaubert aus ihnen Müsli-Riegel.