Eltville/Knüllwald (dpa/lhe) – Ein edler Tropfen zum Abendessen direkt vom Gastgeber oder frische Bio-Eier von freilaufenden Hühnern zum Frühstück – Camping am Weingut oder Bauernhof liegt auch in Hessen im Trend. Zum Saisonauftakt können sich die Anbieter vor Anfragen von Wohnmobilbesitzern nach Stellplätzen teils kaum retten. Aber auch klassische Campingplätze profitieren von dem anhaltenden Boom.
Vor allem die langen Wochenenden im Mai und Juni seien vielerorts schon ausgebucht, und man rechne mit einem guten Jahr, sagte der Erste Vorsitzende des Landesverbandes der Campingwirtschaft in Hessen, Ernst-Rudolf Müller, der Deutschen Presse-Agentur.
Auch der Weinhof Martin in Eltville-Erbach hat sich zu einem beliebten Ziel für Wohnmobilbesitzer entwickelt. Seit März häufen sich dort die Anfragen und die mittlerweile acht Wohnmobil-Stellplätze auf dem Gelände seien bis inklusive September «durchgängig gut gebucht», berichtet Betriebsleiter Michael Martin.
Die Gäste des Weinhofes sind bunt gemischt und kommen sowohl aus dem ländlichen Raum als auch aus der Stadt – von Singles und Paaren bis hin zu Familien mit Kindern, die zwar selbst auf dem Land wohnen, aber auch mal eine andere Region sehen wollen. Dafür biete der Rheingau mit seinen touristischen Anziehungspunkten die passende Umgebung.
Vor gut zehn Jahren hatten Martins Eltern das Weingut mit drei Plätzen rund um das Maschinenhaus für Wohnmobilbesitzer geöffnet, im vergangenen Jahr kamen fünf weitere Stellplätze hinzu. Stromversorgung, WLAN und Entsorgungsmöglichkeiten für Toiletten und Müll – das bietet das Weingut, das Michael Martin vor zwei Jahren von seinen Eltern übernommen hatte. Auch ihre Hunde dürfen die Gäste mitbringen.
Das Weingut umfasst auch eine Vinothek und eigene Gastronomie – und abends könnten es sich die Gäste nach einem Essen mit Weinbegleitung in ihrem Wohnmobil gemütlich machen. Der Stellplatzbetrieb sei so für ihn auch eine Möglichkeit, neue Kunden für die Vinothek zu gewinnen, sagt Martin. «So mancher hat uns als Stellplatz gesucht und als Weingut gefunden.»
Wer es tierisch mag, kommt auf dem Campingplatz am Bauernhof im nordhessischen Knüllwald (Schwalm-Eder-Kreis) auf seine Kosten. «Wir haben alles von Schwein über Ziege, Huhn und Schaf bis hin zu Hund und Katze», sagt Uta Imberger. Sie betreibt den Platz gemeinsam mit ihrer Familie in vierter Generation. Die Gäste können dort ein wenig in den Hofalltag hineinschnuppern und auf Tuchfühlung mit den tierischen Bewohnern gehen.
«Es gibt einen Streichelzoo mit Hängebauchschweinen und Ziegen, ein Gehege mit Hasen, ein Hühner-Mobil, und wir bieten Kurse im Ponyreiten an», berichtet Imberger. Den Hühnern können die Besucher beim Brüten zusehen. Deren Eier können sie im Hofladen kaufen.
Zielgruppen seien Familien mit Kindern sowie Menschen, die gerne wandern oder einfach Zweisamkeit suchen, sagt Imberger. «Wir haben hier tolle Wanderwege.» 60 Stellplätze bietet der Campingplatz, der seinen Ursprung in den 1970er-Jahren hat und nur weniger Kilometer entfernt vom Naturpark Knüllwald liegt. Die Buchungslage sei auch in diesem Jahr gut. «Aber es steht und fällt vieles mit dem Wetter», so Imberger. So sei der Betrieb nach Ostern wegen der Kälte schwach gewesen.
Die Gäste kommen von überall her, sagt Imberger. Die weiteste Anreise hatten demnach Besucher aus Südafrika, die kürzeste Gäste aus einem zehn Kilometer entfernten Ort. Viele Camper kämen aus der näheren Umgebung. «Sie wollen einfach mal rauskommen, ohne eine lange Fahrt.»
Gleiches berichten Katharina May-Bussmann und ihr Mann Michael Bussmann, die seit 2022 gemeinsam mit zwei Geschäftspartnern den Campingplatz Fuldaschleife in Guxhagen (Schwalm-Eder-Kreis) betreiben. Viele der Gäste in der Vorsaison stammten aus der Region. «Sie wollen einfach mal ein Wochenende aus den eigenen vier Wänden raus und frische Landluft schnuppern», sagt May-Bussmann.
Die Vorsaison sei insgesamt ein wenig verhaltener gewesen wegen des mäßigen Wetters. «Im vergangenen Jahr war es Ostern schon rappelvoll. In diesem Jahr war es noch sehr kalt. Das macht sich natürlich bemerkbar.» Für die Hauptsaison ist der Platz aber schon wieder gut gebucht. «Die Nachfrage ist ungebrochen», sagt May-Bussmann.
Ein besonderes Angebot auf dem Campingplatz Fuldaschleife mit gut 130 Stellplätzen und einer Zeltwiese sind zwei Campingfässer. Zwei Personen finden darin Platz. Ausgestattet sind sie mit einem Doppelbett, einer kleinen Sitzgruppe und einer Heizung. «Besonders bei Radfahrern, die mit wenig Gepäck unterwegs sind oder Begleitern von Campern, die selbst keinen Wohnwagen oder -mobil haben, sind die gemütlichen Holzfässer beliebt», berichtet May-Bussmann. In ihnen fühle es sich ein bisschen an wie in der Sauna – nur ohne die Hitze.
Mehr als zwei Fässer sollen es aber erst einmal nicht werden. «Auch wir merken den Fachkräftemangel», sagt May-Bussmann. Es werde immer schwieriger beispielsweise Reinigungspersonal zu bekommen.
Auch bundesweit sehen Experten einen Trend zum naturnahen Urlaub, der zum anhaltenden Camping-Boom in Deutschland beitrage: Auf deutschen Campingplätzen wurden im vergangenen Jahr rund 40 Millionen Übernachtungen gezählt und damit etwa 22 Prozent mehr als im Vorjahr, wie eine kürzlich veröffentlichte Auswertung des Portals camping.info ergeben hatte. Dazu habe auch beigetragen, dass sich viele Menschen während der Corona-Pandemie ein Reisemobil zugelegt hatten, das sie jetzt weiter nutzen.
Hinzu komme, dass Camping mittlerweile mehr Zielgruppen anziehe dank Angeboten wie Reiten, Surfen, Pools und Wellnessoasen sowie Übernachtungsmöglichkeiten in Mietobjekten, sagte Johanna Risse von camping.info: «Camping kommt mittlerweile teils einem Hotelurlaub nah und ist deshalb nicht mehr nur für die klassischen Camper interessant.»