Hitler beeindruckte Hankes bedingungsloser Gehorsam so, dass er ihn am 29. April 1945 in seinem politischen Testament als Nachfolger des in Ungnade gefallenen Heinrich Himmler zum Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei ernannte. Breslaus Preis für Hankes kurzen Ruhm: Von 30.000 Gebäuden lagen am Ende der Kampfhandlungen 21.600 in Trümmern. Viele Industriebetriebe und wertvolle Kulturdenkmäler waren völlig zerstört.
Der Wahnsinn des Müllermeisters aus dem niederschlesischen Lauban/Lubán kostete nach Schätzungen des britischen Historikers Norman Davies 170.000 Zivilisten, 6.200 deutsche und 13.000 sowjetische Soldaten das Leben. Bei der Kapitulation der Stadt war der feige Kampfkommandant und zwischenzeitliche Geliebte von Magda Goebbels verschwunden – mutmaßlich geflohen mit dem einzigen Flugzeug, das auf der von ihm veranlassten Startbahn, der eine ganz Breslauer Straße weichen musste, jemals abhob.
In Prag scheint sich Hanke der 18. SS-Freiwilligen-Panzer-Grenadier-Division „Horst Wessel“ angeschlossen zu haben, die nach Kämpfen mit tschechischen Partisanen in der Nähe von Neudorf/Nová Ves kapitulierte. Bei einem Fluchtversuch soll er von tschechischen Wachmannschaften angeschossen und erschlagen worden sein – möglicherweise eine Legende. Denn Wilfred von Oven, Goebbels Referent, will Hanke später in Argentinien wiedererkannt haben.
Hänsel und Gretel auf dem Rynek
Ob Flucht oder Tod, der Spuk war vorbei, die Überlebenden und Neubürger aus dem Osten Polens konnten mit dem Wiederaufbau beginnen. Wer heute auf dem Rynek, dem Ring, steht, kann sich kaum vorstellen, dass hier fast alles in Trümmern lag. Das alte Rathaus mit der berühmten astronomischen Uhr (1580) bildet den Mittelpunkt des 1241 angelegten, rechteckigen Marktplatzes. Hohe, herrschaftliche Bürgerhäuser mit reich verzierten Fassaden – wie das Haus der Kurfürsten an der Westseite mit Fresken des italienischen Künstlers Giacomo Scianzi (1672) – bilden die vier Seiten des Karrees.
Das Rathaus birgt außer historischen Quellen auch ein architektonisches Geheimnis: Zahlreiche Tore öffnen sich zu den Gassen im Inneren der Anlage, in denen seit dem Mittelalter Händler und Handwerker ihre Waren herstellten und feilboten. Hänsel und Gretel nennen die Breslauer zwei schmale, durch einen barocken Torbogen verbundene Häuschen vor der hohen Elisabethkirche an der Nordseite des Platzes. Etwas aus dem historischen Rahmen fällt das sechsstöckige Gebäude mit den horizontalen Rundungen: Das Mendelsohn-Haus (1912) war früher ein beliebtes Kaufhaus.
Salzmarkt, Synagoge und Jüdische Friedhöfe
Südwestlich des Ringes schließt sich der kleinere Salzmarkt an, dessen repräsentative Bürgerhäuser eine Reihe von Blumenpavillions in dessen Mitte rahmen. Der Plac Solny wird von mehreren Querstraßen durchschnitten. Am anderen des Platzes geht man durch einen unauffälligen Gebäudebogen auf eine der Hauptverkehrsstraßen, der mit einem weiteren Torbogen hunderte Meter weiter an der Fassade der Sw. Antoniego korrespondiert – der Eingang zur klassizistischen Synagoge, dem einzig erhalten gebliebenen jüdischen Gotteshaus für die etwa 300 Mitglieder der jüdischen Gemeinde Breslaus.
Daneben befinden sich das Gemeindezentrum und das koschere Restaurant „Sarah“. Auf einer Gedenktafel an der Hinterhofwand ist zu lesen: „Von diesem Platz sind in den Jahren 1941 bis 1944 die Breslauer Juden durch die Nationalsozialisten in die Vernichtungslager deportiert worden. Wir wollen es niemals vergessen!“ Um zum Neuen Jüdischen Friedhof zu gelangen, fährt man am besten mit der Straßenbahnlinie 22 eine knappe halbe Stunde stadtauswärts – vorbei an Hochhäusern und einem kleinen Stadtwäldchen. Das Eingangstor findet man etwas versteckt an der ul. Lotnicza 51.
Auf dem Alten Jüdische Friedhof an der Ulice Slezna 37 liegen vorwiegend prominente Breslauer in pompösen Gruften begraben. Schriftsteller, Wissenschaftler, Politiker und erfolgreiche Unternehmer. „Süß ist des Arbeiters Schlaf“ ist auf einem Stein zu lesen – es aber nicht das Grab Ferdinand Lassalles, des berühmt-berüchtigten Arbeiterführers, 1825 in Breslau geboren. Des Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins mit dem Lebensstil eines Bohemiens starb mit nur 39 Jahren bei einem Duell um eine amouröse Affäre.
Jahrhunderthalle und Markthalle
Nördlich der Oder residiert inmitten einer Parklandschaft mit einem sehr großen Flachteich und halbrunden, berankten Arkaden die 1913 erbaute Jahrhunderthalle, seit 2006 UNESCO-Weltkulturerbe, in der die größte Orgel der Welt konstruiert wurde – mit 15.133 Pfeifen und 200 Register.
Für ihre Einweihung hatte der Weidener Komponist Max Reger im Auftrag der Stadt Breslau das monumentale Werk Introduktion, Passacaglia und Fuge e-moll (op. 127) komponiert. Hinter dieser so genannten Hala Stulecia, eine von 1911 bis 1913 in Breslau nach dem Entwurf des Architekten und Stadtbaurates Max Berg errichtete Veranstaltungshalle aus Stahlbeton, ragt die 86 Meter hohe Skulptur „Iglica“, eine Stahlnadel in die Höhe.
Richtung Zentrum neben einer Oderbrücke erhebt sich die 1908 aus roten Backsteinen errichtete Markthalle, eine Stahlbetonkonstruktion mit historischer Fassade – Grundriss und Außenarchitektur stammen von Richard Plüddemann, den Innenraum gestaltete Heinrich Küster. Unter den hohen, geschwungenen Stahlträgern findet das rege Marktreiben mit seinen zahlreichen Verkaufsständen statt.
Die Oderinseln: Dom-, Sand- und Konsorten
Von hier ist es nur noch ein Katzensprung zu den Oderinseln –Dominsel, Sandinsel und zwei kleinere Schwestern, untereinander und mit dem „Festland“ verbunden durch eine Vielzahl von Brücken und Stegen.
Namensgeber der Hauptinsel und Wahrzeichen der Stadt ist der Breslauer Dom, die gotische Kathedrale St. Johannes des Täufers (Archikatedra ?w. Jana Chrzciciela) aus den Jahren 1244 bis 1341. Mit knapp 98 Metern sind seine Türme die höchsten der polnischen Stadt Breslau.
Eine Brücke mit gusseisernen Torbögen führt auf die Sandinsel mit der Kirche St. Maria auf dem Sande (Ko?ció? Naj?wi?tszej Marii Panny na Piasku), auch Sandkirche genannt – sie gehört zu den ältesten gotischen Kirchen Polens. In der Frühphase der böhmischen Periode, Anfang des 14. Jahrhunderts, wurde der romanische Vorgängerbau abgerissen. Baumeister Peschel errichtete an seiner Stelle von 1334 bis 1430 eine größere gotische Kirche aus Backstein.
Beide Inseln sind dicht bebaut mit sakraler Architektur, ohne dass sie deswegen die beschwingte Leichtigkeit eines Sommertages verlören – auf den Inseln promenieren Breslauer und Touristen, in den Wiesen lagern Studenten und bei zahlreiche Konzerten verwandeln sie sich in fröhliche Partymeilen der bunten Universitätsstadt.