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Klangwelten des Genusses

Sein Vater hatte die Orgel für St Paul's Cathedral gebaut, die bei der Hochzeit von Lady Diana und Prinz Charles ertönte. John Mander selbst, geboren 1949 in London, ist besonders stolz auf sein Werk in der St Ignatius Loyola in New York. Er bleibt er auf der Suche nach dem perfekten Klang: „Wenn man versucht, die Sterne zu erreichen, kommt man vielleicht nur zum Mond, aber das wäre auch nicht schlecht.“

Was zeichnet eine Mander-Orgel aus?

John Mander: Das ist nicht so einfach zu beantworten. Denn es kann einen Unterschied geben, zwischen dem, was ich gerne hätte, was eine Mander-Orgel auszeichnen sollte, und der Wirklichkeit. Ich hoffe, dass unsere Orgeln eine gewisse Wärme ausstrahlen. Sie sind auf alten englischen Orgeln basiert, aber sie sind auch weiterentwickelt, sodass sie Werke von anderen Zeiten und Ländern zumindest musikalisch darstellen können, wenn schon nicht historisch-authentisch. Das ist aber gar nicht möglich, denn die Literatur der verschiedene Länder und Epochen ist so unterschiedlich.


Quelle: Youtube.com

Sie haben den Betrieb von Ihrem Vater übernommen, war das selbstverständlich? Hätten Sie sich einen

anderen Beruf vorstellen können?

John Mander: Ich wollte Zivilpilot werden! Ganz was anderes. Aber meine Eltern haben sich entschlossen, dass ich den Betrieb übernehmen sollte. Also wurde ich nach der Schule nach Hamburg geschickt, um Orgelbau zu lernen bei einem besonderen Lehrmeister, Rudolf von Beckerath. Ich musste einen Kampf mit meine Eltern ausfechten, dass ich nicht schon mit 17 nach Hamburg geschickt wurde. Ich wollte noch zwei Jahre in der Schule bleiben, hauptsächlich um eine Chance zu haben, ein Stipendium von der Royal Air Force zu bekommen, fliegen lernen zu können, was ich auch erreicht habe. Mit 19 in ein anderes Land geschickt zu werden war ja auch früh genug. Heute bereue ich es überhaupt nicht, dass ich Orgelbau machen musste. Denn es ist ein unheimlich interessanter Beruf. Ich habe viele interessante Menschen getroffen, viele genauso interessante Länder besucht, und vor allem, Instrumente hinterlassen in verschiedenen Orte, wo ich Freunde gewonnen habe, wo sie eine Freude daran haben und etwas haben, woran sie sich an mich erinnern können, und was sie heute noch eine Freude bereitet. Etwas von einem selbst hinterlassen zu können ist ein Segen, denn die Arbeit und Liebe, die in eine Orgel stecken, wie man sie gebaut hat und was man hineingesteckt hat, ist fast so wie ein Kind auf die Welt zu bringen und zu erziehen.

Chestnut Hill Presbyterian Church in Philadelphia, drei Manuale, 45 Register


Wenn Sie den Orgelbau mit einem Gleichnis oder Bild beschreiben müssten, welches würden Sie wählen?

John Mander:
Ob ich die Orgel mit ein bestimmtes Bild vergleichen kann, weiß ich nicht, ich glaube es nicht. Aber dennoch gibt es Vergleiche, denn ein Maler muss die Farben auswählen, um die Stimmung, die er oder sie erzeugen will, zu zeigen. So ist es auch bei einer Orgel, aber die Farben sind eben Klänge. Man kann es aber auch mit Kochen vergleichen, denn die verschiedenen Klänge und Töne müssen miteinander schmelzen, genauso wie beim Kochen, wo ein Geschmack nicht zu sehr hervortreten sollte. Sie sollten sich alle ergänzen, so ist es auch bei den verschiedenen Registern einer Orgel. Sie sollten sich in möglichst vielen verschiedenen Kombinationen zusammenspielen lassen, jedes Mal mit unterschiedlichem Resultat.

Welche Qualitäten muss ein guter Orgelbauer mitbringen? Ist absolutes Gehör Pflicht?

John Mander:
Absolutes Gehör muss ein Orgelbauer nicht haben, aber gut hören können sollte er. Er muss auch mechanische Fähigkeiten beherrschen, teilweise auch elektrische, und er muss ein Geschäftsmann sein, oder eine Geschäftsfrau. Er muss auch die Fähigkeit haben, alle diese Fäden zusammenzuhalten, damit die Orgel dann eine gute musikalische Gesamtheit zeigen kann.

Vom vielen Sitzen im Büro bekommen viele Rückenschmerzen, Tennisprofis strapazieren ihren Arm. Gibt”s auch im Orgelbau eine Berufskrankheit?

John Mander: Die einzige Berufskrankheit, die es im Orgelbau gibt, ist die Liebe zur Orgel. Man arbeitet sehr viel für wenig Geld und will immerzu versuchen die perfekte Orgel zu bauen, was gar nicht möglich ist. Aber man versucht es trotzdem, auch wenn es einem klar ist, dass es unmöglich ist. Jedes Mal stellt man fest was man NOCH besser machen kann, und versucht es. Die Liebe zur Orgel ist bei nah tödlich, aber gleichzeitig, doch so schön.

Wie kennzeichnet ein Orgelbauer seine Werke? Nur mit einer Plakette oder hinterlassen Sie – wie auch Steinmetze am Dom – ein für Sie typisches Zeichen?

John Mander: Meistens, aber nicht immer, gibt es eine Plakatte an der Orgel. Dann schreiben die einzelne Orgelbauer kleine Notizen in der Orgel, und als Chef hinterlasse ich kleine Andeutungen, ganz geheime, die keiner jemals erkennen wird, zum Beispiel in der Schnitzerei über den Pfeifen, Andeutungen zu Menschen oder zu dem Ort, wo die Orgel hinkommt.

Den Pfarrgemeinden schwinden die Mitglieder, damit steht für einen eventuellen Neubau einer Orgel auch weniger Geld zur Verfügung. Entwickelt Ihre Branche alternative Finanzierungsmodelle, zum Beispiel Leasing?

John Mander:
Noch haben wir es nicht versucht mit Leasing. Gelegentlich bauen Orgelbauer Orgeln und warten dann ein paar Jahre auf ihr Geld. In der Vergangenheit war das noch mehr üblich, und die Orgelbauer müssten manchmal Jahre warten bis sie bezahlt wurden. Das war aber für alle Handwerker normal, nicht nur für die Zunft der Orgelbauer.

Wieviel kostet eine Orgel mindestens, wieviel maximal und an welchen Bauteilen kann man am meisten sparen?

John Mander:
Orgeln sind wie Häuser, sie gehen von ganz billig bis ganz teuer. Grob geschätz von etwa 20.000 Euro bis über drei Millionen Man kann natürlich überall sparen, genau wie bei einem Haus oder Auto, aber man merkt, dass gespart wurde. Wie immer im Leben.

Eine Orgel von innen: Zu sehen sind die feinen Trakturen aus Holz, die die Ventile im Windladen mit den Tasten verbinden.

Welche Ihrer Orgeln ist Ihr Liebling und warum?

John Mander:
Was für eine schwierige Frage! Ich habe drei Kinder und kann überhaupt nicht sagen, welche der Kinder mein Lieblingskind ist. Ich liebe sie, und auch die Orgeln, in verschiedenen Arten und aus verschiedenen Gründen. Ja, es gibt manche, die ich besonders gelungen, aber die anderen, wenn sie auch nicht ganz so gut gelungen sind, liebe ich trotzdem. Denn dass sie nicht so gut gelungen sind, liegt nicht an den Orgeln selber, sondern an der Akustik, oder weil der Kunde nicht das wollte, was ich am besten gefunden hätte, oder – das gibt es auch – weil ich versagt habe. Aber auch wenn man versagt in der Erziehung eines Kindes, liebt man das Kind nicht weniger.

Ein ganz tolles Instrument kann von einem heiß geliebt und von anderen gehasst werden. Die Geschmäcker sind eben sehr unterschiedlich.

Wovon träumen Sie?

John Mander: Mein Traum ist, eine Orgel zu bauen, die von allen, aber wirklich allen Orgelliebhabern als schön und musikalisch angesehen wird. Dieser Traum ist ganz und gar unrealisierbar. Dennoch bleibt es mein Ziel. Wenn man versucht die Sterne zu erreichen, kommt man vielleicht nur zum Mond, aber das wäre auch nicht schlecht.

Wie alt sind Sie, wo wurden Sie geboren und wer übernimmt nach Ihnen Ihren Betrieb?

John Mander: Was für eine persönliche Frage! Antworte ich aber gerne. Ich bin bei nah 63, geboren hier in London in 1949. Ich werde noch einige Jahre arbeiten, bis ich etwa 70 bin. Leider übernimmt keines meine Kinder den Betrieb, also werde ich es an meine Mitarbeiter übergeben. Die sind alle jung, ich schätze das Durchschnittsalter ist um die 40. Sie bilden ein gutes Team, entwickeln neue Ideen und sind zum Teil ganz frech, was mir Spaß macht. Glücklicherweise, habe ich eine Art Philosophie, was mich zumindest im Herzen jung hält. Über die Jahre habe ich festgestellt, dass die meisten Menschen nicht ahnen, was sie nicht wissen, gewissermaßen eine glückliche Ignoranz. Ich dagegen habe gerade genug über die Jahre gelernt, längst nicht nur im Orgelbau, dass ich eine ganz wage Ahnung habe, was ich alles nicht weiß. Das versuche ich, so weit die geistigen Grenzen es erlauben, zu erforschen und lernen. Leider, oder vielleicht nicht so leider, führt jedes weitere Lernen nur dazu, erkennen zu müssen, wie viel es noch zu lernen gibt. Damit ist das Gehirn aufgefordert, wie bei einem Kleinstkind. Das genieße ich.


Ihr Vater hat die Orgel von St Paul”s Cathedral restauriert, die bei der Hochzeit von Prinz Charles und Lady Di von Millionen Menschen gehört wurden. War er zufrieden mit seiner Arbeit? Haben Sie daran schon mitgewirkt?

John Mander: Mein Vater war sehr zufrieden mit der Orgel in St Paul”s Cathedral und sehr stolz darauf, mit Recht finde ich. Meine Mitwirkung war bescheiden, denn der Auftrag lief schon, als ich aus Hamburg zurück kam. Meiner Ausbildung nach war es auch nicht unbedingt meine Art der Orgel. Aber inzwischen ist die Pflege der Orgel meine Aufgabe, sie ist ein Meisterwerk, gerade kürzlich habe ich Wartungsarbeiten geleitet. Für mich persönlich ist der Neubau interessanter, denn ein Original zu schaffen ist schwierig.

Ich bin aber ebenso stolz auf das, was er geschafft hat, wie er stolz war, als er die Orgel gesehen und gehört hat, die ich in St Ignatius Loyola in New York bauen durfte. Sie hat vier Manuale und 68 Register mit einer rein mechanischen Spieltraktur, das ist sehr ungewöhnlich für eine Orgel dieser Größe.


Quelle: Youtube.com

Die gerade fertiggestellte Mander-Orgel in Beckenham, zwei Manuale, 15 Register

Woher wissen Sie, dass eine Orgel gut ist? Ist das nicht abgesehen vom Handwerk, der Harmonik, einfach Geschmackssache?

John Mander: Ganz einfach. Wenn mir dir Tränen aus den Augen fließen, wenn ich sie von einem guten Organist gespielt höre, dann ist sie gut. Das kommt aus der Tiefe, aus dem Herzen, und hat wenig mit definierbaren Maßstäben zu tun. Natürlich kommt persönlicher Geschmack dazu, das kann man nicht umgehen. Dennoch gibt es Gelegenheiten, wo der persönliche Geschmack doch in den Hintergrund gestellt werden kann, wenn man offen genug sein kann, um diesen persönlichen Geschmack für eine Weile zu vergessen, um das wahrzunehmen, was einem präsentiert wird. Wenn man das kann, und das ist im Orgelbau ebenso wichtig wie in allen anderen Kunstarten, kann man die Kunst in allen ihren Formen um so mehr genießen. Viele können das nicht, weshalb sie eben was verpassen. Die Offenheit öffnet Welten des Genuss. Ich bin vom Wesen her ein Genießer, ob Menschen, Kunst, Theater oder sonst was. Es wundert manche, was ich für Orgeln mag, und vor allem, wie unterschiedlich die Orgeln sind, die ich mag.

Welche Orgeln in Europa empfehlen Sie?

John Mander: Die Clicquot Orgel in Poitiers, die Silbermann Orgel in Freiberg, die Schnitger Orgel in der Jakobi-Kirche in Hamburg, die Cavailleé-Coll Orgel in St Omer und die Ladegast Orgel in Schwerin. Das sind fünf, und ich könnte auch noch mehr dazu addieren. Die sind eben jeder auf ihre Art besonders. Es ist nicht so, als ob man einen Mercedes mit einem BMW vergleichen würde, sondern wie ein Vergleich der Queen Mary 2 mit der Georg Fock. Obwohl sie alle von einer Art sind, sind sie doch nicht zu vergleichen. Hören Sie hin, ich denke, Sie werden mich verstehen.

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