Deutschland

Kamera an und Vollgas

Ein Student steht wegen Mordes vor Gericht, weil er mit seinem Motorrad einen Fußgänger überfahren haben soll. Zuvor verdiente der Angeklagte Geld mit YouTube-Videos seiner rasanten Touren.

Bremen (dpa) – In Bremen steht ein 24 Jahre alter Student wegen Mordes vor Gericht, weil er mit seinem Motorrad einen 75 Jahre alten Fußgänger überfahren und so getötet haben soll. Der Angeklagte ist in der Bikerszene für YouTube-Videos seiner riskanten Touren bekannt.

Eine Helmkamera des Herstellers GoPro ist am 29.08.2012 auf einem Helm in Friedrichshafen zu sehen.

Ist das Phänomen der gefilmten Raserei auf dem Vormarsch?
Eine Studie gebe es dazu nicht, heißt es vom Automobilclub ADAC in München und von Siegfried Brockmann, dem Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV). «Es ist total schwer zu erfassen», sagt die ADAC-Verkehrspsychologin Nina Wahn am Montag. «Die Dunkelziffer ist extrem hoch, und bei vielen passiert einfach nichts, weshalb die Fälle nicht bekannt werden.» Grundsätzlich sei aber zu sagen, dass – wie beim Phänomen des Gaffens – Kameras immer häufiger auch bei Rasern eine Rolle spielen und Videos später im Netz landen.

Wer macht denn so etwas?
In der «Raserszene» gibt es nach Angaben Brockmanns viele Menschen mit einem «Profilierungsproblem», die sich gerne vor anderen zeigen. Die Kamera gebe die Möglichkeit, noch mehr Menschen mit seinem vermeintlichen Können zu erreichen. «Menschen, die nicht so PS-affin sind, können das nicht verstehen», sagt Brockmann. Es gebe aber immer noch eine Masse von Menschen, die glaubten, schnelles und riskantes Fahren mache einen guten Fahrer aus. ADAC-Psychologin Wahn spricht von einem «ausgeprägten Leistungsprinzip».

Ein Motorrad-Fahrer fährt am 09.04.2015 auf einer Straße in Berlin. Wegen Mordes muss sich ein 24-Jähriger ab dem 12.12.2016 vor dem Landgericht Bremen verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, mit seinem Motorrad einen 75-jährigen Fußgänger überfahren zu haben.

Machen das nur Männer?
Nein, sagen Brockmann und Wahn – aber hauptsächlich. «Es sind generell eher mehr Männer, die durch Raserei auffallen, vor allem mehr junge Männer», sagt Wahn. «Dieses Extrem, dass man sich vor anderen profilieren will, kommt bei Frauen eigentlich nicht vor», sagt Brockmann. Man könne aber nicht sagen, dass ausschließlich Männer rasen und sich dabei filmen.

Verstehen die Raser, wie gefährlich das ist? Ist das sogar der Kick?
Da gebe es solche und solche, sagt Verkehrspsychologin Wahn. Einige Raser suchten diesen Kick wirklich, wenn auch nicht alle. «Das geht einher mit der Illusion, die Situation unter Kontrolle zu haben.»

Kann YouTube nichts gegen solche Videos tun?
Brockmann hält das für schwierig. Schließlich ergebe sich nicht aus jeder schnellen Fahrt eine Straftat, und für einen Algorithmus dürfte es seiner Ansicht nach schwierig sein, die problematischen Filme herauszufiltern. Von YouTube heißt es, Nutzungsbedingungen und Community-Richtlinien untersagten «unmissverständlich das Einstellen von bestimmten Inhalten wie zum Beispiel Videos, die zu gefährlichen oder illegalen Aktivitäten aufrufen, bei denen ein Risiko für Leib und Leben besteht». «Sobald YouTube von einem konkreten Inhalt Kenntnis erlangt, der gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen könnte, wird dieser unverzüglich geprüft und gegebenenfalls entfernt», teilte ein Sprecher mit.

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