Frankfurt/Wiesbaden (dpa) – Die Teuerung in Deutschland verharrt unverändert knapp unter der Neun-Prozent-Marke. Wie im Januar lagen die Verbraucherpreise auch im Februar 2023 um 8,7 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Volkswirte werteten die am Mittwoch veröffentlichten vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes als «Warnsignal» für die Euro-Währungshüter. Auch Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hatte zuvor betonte: «Die Inflation ist zu hoch und geldpolitisch muss daher was getan werden.» Die von der Europäischen Zentralbank (EZB) für März angekündigte Zinserhöhung werde nicht die letzte sein, sagte Nagel in Frankfurt.
Angeschoben wird die Inflation seit Monaten von hohen Energie- und Lebensmittelpreisen. Haushaltsenergie und Kraftstoffe kosteten nach Angaben der Wiesbadener Behörde vom Mittwoch im Februar den vorläufigen Zahlen zufolge 19,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Nahrungsmittel verteuerten sich binnen Jahresfrist um 21,8 Prozent.
Von Januar auf Februar 2022 stiegen die Verbraucherpreise nach Berechnungen des Bundesamtes voraussichtlich um 0,8 Prozent. Das Statistische Bundesamt hatte mit dem Berichtsmonat Januar 2023 die Berechnungsgrundlage auf das Basisjahr 2020 umgestellt.
«Auch wenn die Daten wegen der neuen Gewichtung des Warenkorbs zum Jahreswechsel besonders volatil erscheinen, zeigt sich ganz klar: Die Teuerung geht nicht so rasch zurück wie erhofft», analysierte der Chefvolkswirt des Fondsanbieters Union Investment, Jörg Zeuner. Seit September halte sich die Inflation «auf stark erhöhtem Niveau».
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer bekräftigte: «Die Inflation ist noch lange nicht besiegt.» Es brauche von der EZB «weitere, kräftige Leitzinserhöhungen», um das Inflationsproblem mittelfristig zu lösen.
Die EZB strebt mittelfristig für den Euroraum Preisstabilität bei einer Teuerungsrate von zwei Prozent an. Mit Zinserhöhungen versuchen die Währungshüter, die Inflation einzudämmen. Höhere Zinsen verteuern Kredite. Das kann die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken. Nach fünf Anhebungen in Folge seit Juli liegt der Leitzins im Euroraum inzwischen bei 3,0 Prozent. Für die EZB-Sitzung am 16. März ist eine weitere Zinserhöhung um erneut 0,5 Punkte in Aussicht gestellt. Derzeit halte er «noch höhere Leitzinsen für erforderlich, damit die Inflationsrate zeitnah zu unserem Zwei-Prozent-Ziel zurückkehrt», sagte Bundesbank-Präsident Nagel.
Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, denn sie können sich für einen Euro dann weniger leisten. Im vergangenen Jahr sanken die Reallöhne in Deutschland – also die Nominallöhne unter Berücksichtigung der Inflation – zum dritten Mal in Folge – und zwar um 3,1 Prozent.
Mit einer durchgreifenden Entspannung bei den Preisen rechnen Volkswirte im laufenden Jahr nicht. Denn nach Einschätzung von Ökonomen hat die Inflation inzwischen an Breite gewonnen und erfasst viele andere Produkte außer Energie und Nahrungsmittel. Steigende Löhne könnten den Preisauftrieb zudem anheizen. Dämpfend wirken dürften im Jahresverlauf die staatlichen Preisbremsen für Gas und Strom, die vom 1. März an rückwirkend zum 1. Januar 2023 gelten.
Die Bundesregierung rechnet im Jahresschnitt 2023 mit einer Teuerungsrate von 6,0 Prozent. Die Bundesbank erwartet nach jüngsten Angaben einen Rückgang der Inflation in Deutschland – gemessen am für die Geldpolitik im Euroraum maßgeblichen harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) – auf einen Wert zwischen 6 und 7 Prozent im laufenden Jahr. Im Februar lag der HVPI in Europas größter Volkswirtschaft den vorläufigen Berechnungen der Wiesbadener Statistiker zufolge um 9,3 Prozent über dem Vorjahresmonat.
Die Welle der Preiserhöhungen ebbt unterdessen ab. Der monatlichen deutschlandweiten Unternehmensumfrage des Ifo-Instituts zufolge wollen in den nächsten drei Monaten deutlich weniger Firmen ihre Preise erhöhen als zuletzt. «Die Unternehmen haben einen Großteil der gestiegenen Kosten bereits an ihre Kunden weitergegeben, gleichzeitig lässt die Nachfrage in nahezu allen Wirtschaftsbereichen nach», resümierte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. «Damit dürfte der Inflationsdruck in den kommenden Monaten abnehmen.» Die schlechte Nachricht für Verbraucher: Nach wie vor planen vergleichsweise viele Einzelhändler Preiserhöhungen. Auch die Mehrheit der Gastronomen und Reiseveranstalter wollen demnach Dienstleistungen weiter verteuern.
Die Bundesbank ihrerseits würde für den entschlossenen Kampf gegen die Inflation auch Verluste in Kauf nehmen. «Auf der Grundlage verschiedener Berechnungen dürfte unsere Risikovorsorge auch im laufenden Jahr noch ausreichen», sagte Nagel. «In den Folgejahren werden die Belastungen unsere finanziellen Puffer aber wahrscheinlich übersteigen.» Somit könnte in der Bundesbank-Bilanz für das Jahr 2024 erstmals seit 1979 ein Verlust stehen.
«Die Kernbotschaft, die für uns als Notenbank wichtig ist: Wir haben unseren Job zu machen, wir haben unser Mandat zu erfüllen: Preisstabilität», betonte Nagel. «Da kann es durchaus Phasen geben, Jahre geben, in denen man auch damit zu leben hat, dass möglicherweise die Rückstellungen (…) aufgezehrt werden und wir dann Verluste ausweisen.»
Im vergangenen Jahr konnte die Bundesbank einen Verlust dadurch vermeiden, dass sie rund eine Milliarde Euro aus ihrer Risikovorsorge einsetzte. Unter dem Strich stand zum dritten Mal in Folge eine Null, somit bekommt der Bund erneut keine Überweisung aus Frankfurt.