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Hamburg will mit Großreederei MSC Zukunft des Hafens sichern

Auf der Nationalen Maritimen Konferenz wird es Ende der Woche in Bremen über eine Strategie für alle deutschen Seehäfen gehen. Einen Tag vor Beginn verkündet Hamburg ganz eigene Pläne - die sich auch auf die anderen Häfen auswirken könnten.

Ausverkauf des Hafens oder Rettungsring? Das, was Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher früh morgens auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz im Rathaus verkündet, überrascht viele: Mit einer knapp 50-prozentigen Beteiligung der weltgrößten Container-Reederei MSC am mehrheitlich städtischen Hafenbetreiber HHLA soll die Zukunft des in den letzten Jahren von Umschlagseinbußen gebeutelten Hamburger Hafens gesichert werden. Mit 50,1 Prozent will die Stadt weiter das Ruder in der Hand behalten. Von einem «Meilenstein» für den Hafen und den Wirtschaftsstandort insgesamt spricht der Bürgermeister.

MSC wolle seinen Deutschlandsitz inklusive der Kreuzfahrtsparte MSC Cruises in die Hamburger Hafencity verlegen und dort die Zahl der Mitarbeiter mit 700 zusätzlichen Stellen verdoppeln, sagt CEO Soren Toft. Außerdem wolle MSC sein Ladungsaufkommen in Hamburg von 2025 an deutlich erhöhen. Von 2031 an sollen es mindestens eine Million Standardcontainer pro Jahr sein. Die MSC-Tochter TiL betreibe heute schon mehr als 70 Terminals weltweit und die Gruppe wolle weiter wachsen, sagt Toft. «Jetzt unterstreichen wir, ein deutlicher Teil unseres Wachstums kommt hier in Hamburg.»

Auch wenn am Mittwoch nur eine Absichtserklärung unterzeichnet wurde und die Pläne noch von der EU-Kommission und der Hamburgischen Bürgerschaft abgesegnet werden müssen: Hamburg schafft damit Fakten in schwierigen Zeiten – einen Tag vor der am Donnerstag in Bremen beginnenden Nationalen Maritimen Konferenz, bei der es um eine nationale Strategie für alle deutschen Seehäfen gehen soll.

In Bremen, Bremerhaven und in Wilhelmshaven dürfte man ebenfalls überrascht worden sein. Erst am Morgen der Verkündung wurde Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) von Tschentscher telefonisch darüber informiert, erfuhr die dpa – aus aktienrechtlichen Gründen habe man sich bedeckt halten müssen.

Schon vor der Corona-Pandemie hatte es Gespräche der Bremer Hafenlogistik-Unternehmen BLG Logistics Group und Eurogate mit der HHLA über eine Zusammenlegung der Containerterminals in Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven gegeben, um sich schlagkräftiger gegen die Konkurrenz in Antwerpen und Rotterdam aufzustellen. BLG und Eurogate hatten sich erst vor wenigen Tagen weiter offen dafür gezeigt. Inwieweit dies mit der neuen Partnerschaft mit der MSC, die den Hamburger Hafen Toft zufolge zu ihrem neuen Knotenpunkt entwickeln will, noch etwas werden kann, ist eher fraglich.

In Bremerhaven ist MSC in einem Joint Venture mit Eurogate am MSC Gate Bremerhaven beteiligt. Diese 50-Prozent Beteiligung solle weiterlaufen, sagt Toft. Allerdings werde man sich künftig stärker auf Hamburg konzentrieren. Um die Partnerschaft mit MSC umzusetzen, muss Hamburg einen Teil seines 69-Prozent-Anteils abtreten. Um auf 49,9 Prozent zu kommen, muss die Reederei die im Streubesitz befindlichen restlichen 30 Prozent erwerben. In ihrem Übernahmeangebot ist ein Preis von 16,75 Euro je Aktie festgelegt.

Beim Logistik-Unternehmer Klaus-Michael Kühne, der erst kürzlich selbst Interesse an einer Mehrheitsbeteiligung bekundet hatte, sorgen die Pläne für Empörung. Gegenüber der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» und dem «Hamburger Abendblatt» spricht er von einem Affront vor allem gegenüber der Hamburger Hapag-Lloyd als größtem Nutzer und damit größtem Reederei-Kunden des Hamburger Hafens. Er rät Hapag-Lloyd, an der er über seine Kühne Holding 30 Prozent hält, selbst ein Übernahmeangebot für 49,9 Prozent der HHLA-Aktien abzugeben, und lässt wissen: «Wenn Hapag-Lloyd es nicht tun würde, erwägt meine Kühne Holding AG, es kurzfristig zu tun.»

Bei Hapag-Lloyd – der fünftgrößten Reederei der Welt und mit einem Viertel des Containerumschlags in Hamburg Platzhirsch in der Hansestadt – gibt man sich zurückhaltend. Man nehme die Ankündigung der HHLA zur Kenntnis, sagt Reederei-Chef Rolf Habben Jansen der Deutschen Presse-Agentur. «Wir gehen davon aus, dass dies unsere Zusammenarbeit mit der HHLA nicht beeinträchtigen wird.»

Was das bedeutet? Die Interpretation im Hafen ist da ziemlich eindeutig. Anders als von Kühne verlangt, geht kaum jemand davon aus, dass Hapag-Lloyd selbst ein Übernahmeangebot abgeben wird. Eine 49,9 Prozent-Beteiligung sei für die Reederei uninteressant, weil sie dann immer noch nicht frei über die Geschicke der HHLA entscheiden könnte.

Beobachtern im Hafen zufolge könnte jedoch etwas anderes passieren. Hapag-Lloyd hält 30 Prozent am Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven und könnte entsprechend Ladungsströme von Hamburg dorthin verlagern. Die Reederei ist zwar auch mit 25,1 Prozent am Hamburger HHLA-Terminal Altenwerder beteiligt. Doch kann sie dieses wegen der zu niedrigen Köhlbrandbrücke nicht für ihre ganz großen Containerschiffe nutzen und weicht deshalb auf das HHLA-Terminal Burchardkai aus. Doch damit könnte es bei einem Einstieg von MSC vorbei sein. Schließlich wolle Hapag-Lloyd nicht den direkten Konkurrenten finanzieren, heißt es. Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) betont, mit der MSC-Partnerschaft sei gewährleistet, «dass in jedem Fall die Stadt im Lead bleibt, auch noch in Jahrzehnten».

Tschentscher sagte, mit der geplanten MSC-Partnerschaft setze der Hamburger Senat seine Strategie für den Hafen um. «Das kann jetzt niemanden überraschen.» Er habe immer betont, «dass wir auch weitere Terminalbeteiligungen in Hamburg brauchen so wie es in Rotterdam, in Antwerpen, in allen größeren Häfen dieser Welt der Fall ist». Zuletzt hatten Pläne für eine Minderheitsbeteiligung des chinesischen Staatskonzerns Cosco am Terminal Tollerort für erhebliche Diskussionen und Verstimmungen bis in die Bundesregierung geführt.

Sorgen gibt es auch bei MSC, nicht nur ob einer möglichen Verlagerung von Warenströmen – auch die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten und die Sozialstandards sieht so mancher bei der HHLA in Gefahr. Gilt MSC doch als weitgehend mitbestimmungsfreies Unternehmen, das nicht einmal seine Umsatzzahlen veröffentlicht, und in dem die Inhaberfamilie das letzte Wort hat. Laut Toft ändert sich daran nichts: «Wir sind und wir bleiben ein inhabergeführtes Familienunternehmen – das heißt, die Zahlen behalten wir natürlich für uns.»

Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) betont, dass der Hafenentwicklungsplan der Stadt strategische Partner ausdrücklich vorsehe. Hamburg zahle inzwischen jedes Jahr rund 300 Millionen Euro aus Steuermitteln für den Betrieb und die Instandhaltung des Hafens. «Natürlich werden wir wie bisher dafür eintreten, dass es eine stärkere Beteiligung des Bundes gibt an den Investitionen in den norddeutschen Häfen.»

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