Eine deutliche Steigerung nach der Pause und ein Tore-Dreierpack von André Schürrle brachten der deutschen Fußball-Nationalmannschaft einen 7:0 (1:0)-Erfolg gegen den krassen Außenseiter Gibraltar. Mit dem zweithöchsten Sieg unter Bundestrainer Joachim Löw nach dem 13:0 in San Marino 2006 ist das DFB-Team mit 13 Punkten vor dem «heißen Herbst» in der EM-Qualifikation-Gruppe D hinter Polen (14) auf Rang zwei gerückt.
Neben Schürrle (28., 65. und 71.) trugen sich zweimal der zukünftige Wolfsburger Max Kruse (47. und 80.) sowie Ilkay Gündogan (51.) und Karim Bellarabi (57.) in die Torschützenliste ein. Ein versöhnlicher Abend wurde es für die mitgereisten deutschen Fans aber erst in der zweiten Halbzeit, als die DFB-Auswahl gegen die Amateure aus Gibraltar zu ihren Toren kam.
Löw fordert «Gnadenlosigkeit»
«Ich erwarte, dass die Mannschaft die Überlegenheit in Tore ummünzt», hatte Löw seiner Elf mit auf den Weg gegeben und gegen den krassen Außenseiter «Gnadenlosigkeit» gefordert. Der Bundestrainer setzte deshalb vor 7467 Zuschauern im Éstadio Algarve im portugiesischen Faro, wo Gibraltar mangels geeignetem Heimstadion antreten muss, ganz auf Offensive. Patrick Herrmann über rechts und Karim Bellarabi über links bildeten quasi zusammen mit Mario Götze und André Schürrle einen Vierer-Angriff. In der Abwehr beließ es Löw auf eine von Rückkehrer Jérome Boateng dirigierte Dreierkette.
Mit der Umsetzung der Löw”schen Marschroute haperte es aber gewaltig. Die erste Halbzeit war eines Weltmeisters kaum würdig. Gegen die dicht gestaffelte Defensive agierte die DFB-Elf einfallslos und ging gerade vor dem Tor viel zu fahrlässig mit ihren Chancen um. Bestes Beispiel war der fast schon arrogant geschossene Foulelfmeter von Kapitän Bastian Schweinsteiger, den Torhüter Jordan Perez in der zehnten Minute problemlos parierte. Kläglich auch, wie Mesut Özil und der eingewechselte Max Kruse kurz vor der Pause (44.) mit ihren Torchancen umgingen. So wuchs Perez, im wahren Leben ein Feuerwehrmann, über sich hinaus.
Erschreckende Lücken
Doch nicht nur das Offensivspiel lahmte, im Mittelfeld offenbarte die DFB-Auswahl erschreckend große Lücken, so dass die tapferen Gastgeber sogar selbst zu einigen Chancen kamen. Ging ein Warnschuss von Liam Walker in der fünften Minute noch knapp vorbei, musste der Dortmunder Schlussmann Roman Weidenfeller sogar einige Male beherzt eingreifen, um einen Gegentreffer zu verhindern.
Dabei sollte es eigentlich ein ruhiges «Abschiedsspiel» für den 34-Jährigen werden, der wohl nach der Sommerpause angesichts der vielen starken jungen Torhüter wie Marc-André ter Stegen oder Bernd Leno kaum mehr eine Chance haben wird. Doch Weidenfeller war bei Schüssen von Adam Priestley (17.) – ein Lehrer, der in der achten englischen Liga spielt – und Aaron Payas (22.) zur Stelle. Noch brenzliger wurde es in der 30. Minute, als Jake Gosling zum Nationalhelden hätte aufsteigen können, als er aus zwei Metern am DFB-Schlussmann scheiterte.
Tor erst nach kapitalem Fehler
Bezeichnenderweise ging beim Führungstor des Weltmeisters auch noch ein kapitaler Fehler von Gibraltars Ryan Casciaro voraus. Schürrle spitzelte dem Verteidiger den Ball weg und überwand auch Perez. Zuvor hatte sich Götze festgelaufen. Der WM-Held musste kurze Zeit später mit Oberschenkelproblemen für Kruse ausgewechselt werden. Rund 3000 aus dem 400 Kilometer entfernten Gibraltar angereiste Fans waren angesichts der Vorstellung völlig aus dem Häuschen, während bei Löw und DFB-Präsident Wolfgang Niersbach betretene Mienen zu verzeichnen waren.
Nachdem ein kaputtes Tornetz in der Halbzeit für eine Verzögerung sorgte, ging die deutsche Mannschaft im zweiten Durchgang mit viel mehr Ernsthaftigkeit zu Werke und profitierte wohl auch davon, dass bei den Halbprofis Kräfte und Konzentration nachließen. So staubte Kruse nach Vorarbeit von Özil aus kurzer Entfernung ab (47.), kurz darauf gelang Gündogan der dritte Treffer (51.), ehe Bellararbi nach einem Perez-Patzer weiter erhöhte (57.). Endlich nutzte der Weltmeister die Schwächen des limitierten Gegners konsequent aus. So konnte auch Bundestrainer Löw etwas beruhigter auf der Bank seine Nägel feilen.
Weidenfeller gut beschäftigt
Doch trotz aller Überlegenheit blieb es für Weidenfeller ein arbeitsreicher Tag. Gegen Lee Casciaro lenkte der Routinier den Ball mit den Fingerspitzen gerade noch über das Tor (55.). Das längst verdiente erste Heimtor wollte der Mannschaft David Wilson einfach nicht gelingen.
Stattdessen entwickelte die deutsche Mannschaft, insbesondere Schürrle, endlich Torlaune. Der Wolfsburger war sowohl in der 65. als auch in der 71. Minute aus kurzer Entfernung zur Stelle, ehe sein zukünftiger Kollege Kruse nochmals traf (80.).