Niamey/Berlin/Paris (dpa) – Nach dem Militärputsch im Niger spitzt sich die Sicherheitslage in der Krisenregion zu. Die Nachbarländer Burkina Faso und Mali, ebenfalls unter Kontrolle von Militärs, warnten die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas vor einem Eingreifen. Ecowas hatte der neuen Junta im Niger mit Gewalt gedroht und sich damit auf die Seite des Westens gestellt. Frankreich und Italien bereiteten am Dienstag eine schnelle Evakuierung ihrer Staatsbürger aus dem Niger vor. Die Bundesregierung riet allen Deutschen in der Hauptstadt Niamey, das Land zu verlassen.
Frankreich wollte noch am Dienstag mit der Evakuierung seiner Bürger beginnen, hieß es aus dem Außenministerium in Paris. Etwa 500 bis 600 Franzosen seien im Land. Andere Europäer, die das Land verlassen wollten, könnten mitkommen.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) dankte ihrer französischen Amtskollegin dafür, dass auch Deutsche mit ausfliegen können. «Oberstes Gebot ist in dieser Stunde für die Bundesregierung natürlich die Sicherheit der deutschen Staatsangehörigen im Land», erklärte Baerbock. Ein Sprecher erklärte weiter, das Auswärtige Amt rate grundsätzlich allen Deutschen in Niamey, das Angebot anzunehmen. Die deutsche Botschaft werde dabei Unterstützung leisten. Im Niger befinden sich knapp 100 deutsche Zivilisten.
Ecowas hatte den Putschisten am Sonntag ein Ultimatum gestellt. Sollte der festgesetzte Präsident Mohamed Bazoum nicht binnen einer Woche wieder eingesetzt werden, werde Ecowas Maßnahmen ergreifen, die auch Gewalt umfassen könnten, hieß es. Am Mittwoch vergangener Woche hatten Offiziere von General Omar Tchianis Eliteeinheit den demokratisch gewählten Bazoum für entmachtet erklärt. Tchiani ernannte sich anschließend selbst zum neuen Machthaber.
Baerbock wies darauf hin, dass die Militärs auch eine knappe Woche nach Beginn des Putsches versuchen an der Macht festzuhalten, obwohl sie international isoliert seien. Sie begrüße die Bemühungen der Afrikanischen Union und der Ecowas um eine politische Lösung.
«Wir arbeiten mit unseren Partnern daran, dass die Putschistenführer sich zum Wohle ihres Landes auf die Vermittlungsbemühungen einlassen und nicht länger an der Macht festhalten», so Baerbock. Die ohne jegliche Grundlage festgehaltenen Mitglieder der demokratischen Regierung müssten unverzüglich freigelassen und die Macht wieder zurückgegeben werden. Baerbock: «Es ist noch nicht zu spät, auf den Weg der Demokratie zurückzukehren.» Auch der Krisenstab der Bundesregierung beriet am Dienstag erneut über die Lage.
Frankreich kann mit Zustimmung der nigrischen Behörden mit mehreren Maschinen landen, obwohl der Flugbetrieb auf dem Flughafen Niamey bis Freitag untersagt ist. Auch Italien bot seinen Staatsbürgern an, sie per Sonderflug aus der Hauptstadt Niamey auszufliegen. Außenminister Antonio Tajani zufolge befinden sich knapp 100 Italiener im Niger. Auch das spanische Außenministerium arbeitet nach einem Bericht des staatlichen TV-Senders RTVE an der Evakuierung der gut 70 Bürger des Landes, die sich derzeit im Niger aufhalten.
Burkina Faso und Mali erklärten zu den Drohungen der Ecowas, jede militärische Intervention gegen den Niger komme einer Kriegserklärung auch gegen sie gleich. Ein militärisches Eingreifen könnte katastrophale Folgen haben, die die gesamte Region destabilisieren könnten.
Auch in Mali und Burkina Faso hatte sich das Militär an die Macht geputscht. Beide Länder sind selbst Ecowas-Mitglieder; seit den Umstürzen ist ihre Mitgliedschaft jedoch suspendiert.
In der Mitteilung der Übergangsregierungen von Burkina Faso und Mali hieß es weiter, «Selbstverteidigungsmaßnahmen» würden zur Unterstützung der nigrischen Streitkräfte und des nigrischen Volkes eingeleitet.
Der Niger war das letzte der drei Nachbarländer in der Sahelzone, das von einer demokratisch gewählten Regierung geführt wurde. Erst Ende 2022 hatte die EU eine Militärmission im Niger beschlossen, um den Terrorismus in der Region zu bekämpfen. Die Bundeswehr stellt für diese EU-Mission bisher nur einige wenige Soldaten, die in Niamey sind. Die Bundeswehr unterhält aber auch einen eigenen Lufttransportstützpunkt in Niamey für das militärische Engagement in Westafrika, auf dem rund 100 deutsche Soldaten arbeiten.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) betonte am Rande eines Besuchs in Ulm, der Stützpunkt in Niamey sei wichtig. Wenn es einen Wege gebe, die Sicherheit der Soldaten zu garantieren, «dann werden wir auch versuchen, an einem Stützpunkt festzuhalten», sagte er. Zeitgleich werde nach Alternativen gesucht, wie der beschlossene Rückzug der Bundeswehr aus Mali anders organisiert werden könne.
Die Sahelzone zieht sich vom Senegal im Westen bis nach Dschibuti im Osten. Sie leidet seit Jahren unter einer sich ständig verschlechternden Sicherheitslage. Viele Milizen, die zum Teil dem Islamischen Staat (IS) oder der Terrororganisation Al-Kaida die Treue geschworen haben, verüben regelmäßig Anschläge.