Berlin (dpa) – Am Supermarktregal geht es häufig ziemlich schnell. Ein Blick auf die Packung und ab in den Einkaufskorb mit Saft, Müsli und den Joghurtbechern. Viele Kunden sind dann aber gelinde gesagt verwundert, wenn sie das Produkt später öffnen – und der Inhalt nicht hält, was sie sich von der Aufmachung versprochen haben. Dabei monieren Verbraucherschützer seit langem, dass verlockende Bilder und Werbebotschaften Kunden in die Irre führen. Manche Hersteller greifen Kritik auf und bessern Etiketten nach – aber längst noch nicht alle.
Um welche Ärgernisse geht es?
Wenn die Werbung die Wahrheit über ein Produkt stark verzerre, nehme dies den Verbrauchern die Möglichkeit zu informierten Kaufentscheidungen, kritisiert der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller. «Der Kunde ist dann nicht König, sondern eher ein armer Bettelmann.» Beim Beschwerdeportal «Lebensmittelklarheit», das der vzbv seit fünf Jahren mit Bundes-Förderung betreibt, gingen schon mehr als 9000 Meldungen ein. Aktuell stehen dort – jeweils nach einer Prüfung – 478 Produkte, bei denen Kunden sich getäuscht sehen.
Was wird konkret beklagt?
Am meisten Unmut gibt es über «nicht eingelöste Zutatenversprechen», wie es Müller nennt. Da ist zum Beispiel ein «Vanilla»-Joghurt mit einer groß aufgedruckten gelben Vanilleblüte auf dem Deckel. Fast ganz hinten im Kleingedruckten auf dem Becher ist dann aber nur von «Aroma» zu lesen. Irritierend finden es viele Kunden auch, wenn sie im Kühlregal zu einer «Quarkcreme mit Joghurt» greifen. Tatsächlich sind aber Frischkäse, Magermilch und Sahne im Dessert. Ähnlich ist es mit einem «Schwarze-Johannisbeere»-Saft samt Bild auf dem Etikett – in der Flasche steckt aber vor allem Apfelsaft. Dabei sollte doch gelten, was auch Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU) anmahnt: «Was drauf steht, muss drin sein – und umgekehrt.»
Hat sich denn nichts verbessert?
Die Verbraucherzentralen registrieren inzwischen, dass sanfter öffentlicher Druck Wirkung zeigt – zumindest etwas. Eine Auswertung auf Basis des Portals «Lebensmittelklarheit» ergab, dass immerhin bei knapp der Hälfte der 2014 beanstandeten Produkte nachgebessert wurde. So wurde aus dem Aufdruck «Butter-Blätterteig», der mehr pflanzliche Fette als Butter enthält, «Blätterteig mit Butter». Ein Bild mit reichlich Früchten verschwand von einer Müslipackung, in der auch nur wenige Früchte sind. Bei «Sahne-Hering-Filets» wurde die Rezeptur dem Etikett angepasst – und wirklich Sahne statt Crème fraîche verwendet. Die Grünen fordern gesetzliche Regeln für verlässliche Produktinfos.
Wie geht es weiter?
Erkenntnisse des Portals sollen künftig regelmäßig in die Arbeit der umstrittenen Kommission einfließen, die Leitsätze für die Bezeichnung von Lebensmitteln erarbeitet. Die müsse sich stärker am Verständnis der Kunden orientieren, fordern die Verbraucherzentralen und haben auch ein gutes Beispiel dafür: So wurde kürzlich in einer Änderung definiert, dass bei einer Kalbsleberwurst mindestens die Hälfte des Leberanteils vom Kalb stammen muss – und eine übliche Beigabe von Schweinefleisch ausdrücklich aufs Etikett gehört, nämlich mit der Bezeichnung «Kalbsleberwurst mit Schweinefleisch». Neue Fragen dürfte der Trend zu veganen und vegetarischen Produkten aufwerfen. Wäre bei einer fleischlosen «Wurst» die Bezeichnung Mortadella noch in Ordnung – oder doch eher etwas wie «Aufstrich mit Mortadella-Geschmack»?