Hagnau (dpa/tmn) – Das Alu-Motorboot fährt in aller Ruhe über den Bodensee. Heike Winder sitzt am Steuer. Sie hat ein Stück Styropor im Visier, das Zeichen für ihr Fangnetz. Abends zuvor hat die Fischerin vier Netze ausgeworfen, nun sieht sie nach, was drin ist.
Winder fasst ein grünes Netz, zieht es aus dem Wasser und schaut hinein. Kretzer, wie sie Flussbarsche am Bodensee nennen, haben sich hauptsächlich verfangen, dazu ein Aal – und jede Menge Muscheln. «Die sind vom Schwarzen Meer eingeschleppt, die kann man in der Küche nicht gebrauchen», sagt die Fischerei-Meisterin.
Felchen hingegen, eigentlich der typische Bodensee-Fisch, sind ihr nicht ins Netz gegangen. Trotzdem ist sie zufrieden: Etwa zwölf Kilo Fisch hat sie an diesem Tag im Frühherbst gefangen.
Einen Teil verkauft sie an Gastronomen am Ort, den anderen verarbeitet sie – räuchert die Fische oder legt sie nach Matjesart ein. Abends wirft sieh ihre Netze wieder aus.
Erntezeit bei Obstbauern und Winzern
Auch an Land herrscht viel Geschäftigkeit in diesen Tagen. Im Frühherbst ist Erntezeit in Hagnau, einem Dorf am Nordufer des Sees unweit von Friedrichshafen. Die Obstbauern holen Zwetschgen, Quitten, Birnen und vor allem Äpfel von den Bäumen und Sträuchern. Die Winzer sind mit der Weinlese bestens beschäftigt.
Um die 1,4 Millionen Liter Wein produziert die Winzergenossenschaft des 1500-Einwohner-Ortes jedes Jahr – 52 Winzerfamilien liefern ihre Trauben dazu mitten im Ort ab. «Hier geht alles vollautomatisch», sagt Tobias Keck, der Chef der Genossenschaft.
Ein Stahlrohr arbeitet sich in die frisch gepflückten Trauben und ermittelt sofort die Süße der Früchte, den Öchslegrad. Dieser sowie die Menge und die Sorte bestimmen darüber, welchen Lohn ein Winzer für seine Lieferung bekommt.
Dann werden die Trauben gepresst und kommen in einen Edelstahltank – der Prozess der Weinherstellung nimmt seinen Lauf. Prominenteste Sorten: der Müller-Thurgau und der Blaue Spätburgunder.
Die Winzer produzieren seit mehr als 150 Jahren gemeinsam
Dass es die Genossenschaft überhaupt gibt, geht auf den Pfarrer Heinrich Hansjakob zurück. 1869 kam er als katholischer Geistlicher in den Ort – zugleich war auch noch Heimatschriftsteller, Historiker und Politiker. Weil Hansjakob die Not der Landwirte sah, gründete er 1881 den Hagnauer Winzerverein, es war die erste Winzergenossenschaft Badens. Heute bewirtschaft sie rund 170 Hektar Rebflächen.
Für die Gäste ist die Anlieferung der Trauben jedes Jahr von neuem eine Schau, denn die Traktoren mit ihren Anhängern bilden eine lange Schlange vor der Winzergenossenschaft.
Dafür unterbrechen Touristen auch gerne ihre Wanderungen in den Hügeln und Weinbergen oder ihre Radtouren am Seeufer. Und können sogar mithelfen beim «Wimmle», wie die Lese hier heißt. Von Hand mit der Rebschere und unter den scharfen Augen der Profis.
Wein steht in Hagnau an erster Stelle, auch auf dem Anwesen der Familie Gutemann: alteingesessen, klassische Winzer und Gastgeber seit Generationen. Doch Walter Gutemann geht mit dem Trend – und er probiert gern neues aus. Obstler gibt es bei ihm in den klassischen Varianten wie Zwetschge oder Mirabelle. Die Sorten Gelbe Rübe und Rote Beete sind da schon ausgefallener.
So wie die Gutemanns hegen und pflegen die Hagnauer ihre Reben und Obstbäume das ganze Jahr über – doch die Erntezeit ist recht kurz.
Die Fischerei hat Nachwuchssorgen
Bei Fischerin Heike Winder ist die Zeitspanne länger: die Felchen-Saison dauert von April bis November, die Saison für die Kretzer von Mai bis Oktober. «Wir sind aktuell 65 Fischer auf dem gesamten Bodensee, in allen drei Ländern», sagt sie. Gefischt wird aber in der Heimat, die jeweils anderen Länder sehen es nicht gerne, wenn Fischer die unsichtbaren Grenzen auf dem See überschreiten.
Winder ist, wie ihr ebenfalls fischender Mann, Fischerei-Meisterin. Ohne diese Ausbildung würde sie keine Erlaubnis für ihr eigenes Boot bekommen. Sie ist zudem ausgebildete Bademeisterin, arbeitet auch als Masseurin und Lymphtherapeutin – und betreibt Ferienwohnungen. Eine Mixtur verschiedener Jobs, wie sie viele hier haben. «Es gibt kaum noch junge Leute, die auf dem See fischen wollen», berichtet sie. Auch ihre eigenen Töchter «eher nicht».
Für Heike Winder, die jüngste von vier Schwestern, war es nie eine Frage, dass sie hinaus will auf den See. «Ich wollte immer mit meinem Vater mitfahren.» Nachdem er nicht mehr fischte, erbte sie das Boot, die Lizenz und die Ausrüstung.
Die neue Generation hat es allerdings ungleich schwerer, sagt sie. «Wer heute ganz von vorn anfangen will und investieren muss, kann kein gutes Geschäft mehr machen.»
Info-Kasten: Hagnau am Bodensee
Reiseziel: Hagnau liegt am Nordufer des Bodensees, einige Kilometer westlich von Friedrichshafen.
Anreise: Mit dem Zug nach Friedrichshafen und weiter mit dem Bus.
Übernachtung: In dem Ort mit rund 1500 Einwohnern gibt es etwa ebenso viele Gästebetten – in einigen Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen, zum Teil auch bei den Winzern.
Informationen: Tourist-Information Hagnau, Im Hof 1, 88709 Hagnau am Bodensee (Tel.: 07532/430043; E-Mail: tourist-info@hagnau.de; Website: www.gemeinde-hagnau.de)