„Gulden Straß“ als ihr Adelsprädikat tauchte erstmals 1513 in einer Urkunde des Bärnauer Pflegers Hans von Uttelhofen auf. Kaiser Karl IV. – Vater Deutscher, Mutter Tschechin, Kindheit in Paris – ließ die Verbindung zwischen seiner bevorzugten Residenzstadt Prag und der Reichsstadt Nürnberg nach dem Erwerb großer Teile der Oberpfalz im 14. Jahrhundert zu einer militärisch geschützten Reichs- und Handelsstraße ausbauen. Er steckte eine von „Pflegern“ bewachte Route über Weiden, Bärnau und Tachov ab, auf der er selbst 52-mal reiste.
Doch nicht erst die Speditionen unserer Zeit versuchten Maut und Zoll zu umgehen – eine Alternativstrecke über Wernberg, Leuchtenberg, Waidhaus und P?ímda erfreute sich als Verbotene Straße großer Beliebtheit. Die Goldene Straße war vor und nach dem Namensgeber der „Via Carolina“ immer mehr als nur eine gerade Strecke zwischen der Reichsstadt an der Pegnitz und der Goldenen Stadt. Der lebhafte Handel zwischen Bayern und Böhmen ließ sich nicht auf einen Strich reduzieren, den ein Herrscher einst in bester Absicht auf einer Landkarte zog.
Das pulsierende Leben im „Ruhrgebiet des Mittelalters“ mit seinen zahllosen Bergwerken und Hammerschlössern, seinen gefragten Handwerkern und Künstlern, seinen jüdischen Gelehrten und Kaufleuten brach sich in einem verzweigten Wegedelta Bahn, das alle wichtigen Städte und Orte miteinander verband. Die Handeltreibenden versuchten ihr Glück nicht nur in den „Rastplätzen“ entlang der Fernstraße, sondern machten auf den alten Hohlwegen gewinnbringende Abstecher zu nahe gelegenen „Points of Interest“ wie Amberg, Nabburg oder Eger, um sich dort neben schönen Aussichten auch mit warmem Essen und freundlicher Gastlichkeit zu versorgen.
So entstand über viele Jahrhunderte ein europäischer Wirtschafts- und Kulturraum, der in der Sprache wie auf der Speisekarte, in den Kirchen wie den Schlössern, in den Familien wie der Politik Spuren hinterließ.
Wir möchten Sie mit diesem Reiseführer in die mitteleuropäische Kulturregion „Goldene Straße“ einladen, die heute von der Magistrale Paris-Prag erschlossen wird wie früher vom karolingischen Handelsweg. Abseits der Autobahn harren vom Massentourismus nahezu unberührte Burgen und Schlösser, idyllische Naturlandschaften und nostalgische Industriedenkmäler, traditionelle Kirwan und zünftige Wirtshäuser mit typisch bayerisch-böhmischen Gerichten ihrer Wiederentdeckung.
Nicht alles, was glänzt, ist Gold – und auf unserer Straße finden wir auch vieles, was nicht mal mehr glänzt. Das ist das harte Brot der Entdecker: Wer mit offenen Augen durch die Welt läuft, der sieht auch ihre hässlichen Seiten. Das gilt für die Geschichte wie für die Gegenwart. Skrupellose Kriegsherren missbrauchten die Goldene Straße für ihre Zwecke. Jan Hus marschierte auf ihr direkt in den Scheiterhaufen von Konstanz.
Die hussitischen Freischärler und katholischen Widersacher lieferten sich mörderische Schlachten und sorgten in der Region für Angst und Schrecken. Verblendete Ideologen errichteten immer undurchlässigere Grenzen zwischen den zwei in ihrem Temperament so ähnlichen Völkern und vergifteten über Generationen gewachsene Bande. Die nationalistische Katastrophe des 20. Jahrhunderts trennte für lange Zeit, was zusammengehörte: Erst durch die barbarische Annexion des Nachbarlandes als Protektorat Böhmen und Mähren und dann, als Reaktion, durch die Vertreibung der Deutschböhmen.
Die Spuren des vergangenen Jahrhunderts sind noch nicht überall
beseitigt: Verschwundene Dörfer, vernachlässigte Architektur, leidvolle Biographien haben Wunden entlang unserer Route hinterlassen. Doch das Verbindende bleibt und an allen Orten graben Archäologen des guten Willens das gemeinsame Erbe wieder aus.
Weniger Disneyland, mehr Abenteuer
Grenzübergreifende Projekte haben verfallene Kapellen, marode Bauernhöfe und schwindsüchtige Stadthäuser liebevoll herausgeputzt. Eine Expedition durch ehemaliges Zonenrandgebiet und böhmische Dörfer ist kein organisierter Neckermann-Ausflug durch Altstadtmuseen und Disneyparks. Aber wer sich darauf einlässt, kann etwas Wirkliches erleben: Die Rekonstruktion einer Kulturlandschaft in der Mitte Europas.
Wer das Glück genießt, sich auf beiden Seiten zu Hause zu fühlen, der weiß, dass ungeachtet aller hanebüchenen Stereotypen Bayern und Böhmen aus dem gleichen Holz geschnitzt sind: aus dem störrischen Eichenholz des Ur-Böhmerwaldes. Bayern und Böhmen sind Verbündete in ihrer Liebe zu Bier, Schweinebraten und Knödeln, zu volksmusikalische Virtuosität mit Zwiefachem und Polka und weder der bayerische Spitzbua noch der böhmische Schwejk können das Frotzeln lassen.
Entdecken Sie mit uns auf den folgenden Stationen Land und Leute einer Region, die nicht immer Bilderbuch-Ansichten zu bieten hat, dafür aber skurrilen Humor, Authentizität und goldene Aussichten.