Das Deutsche Forum für Erbrecht erläutert die Verordnung und gibt Tipps, was Betroffene jetzt beachten sollten. Dr. Anton Steiner ist Präsident des Vereins und Fachanwalt für Erbrecht.
Wie beurteilen Sie die neue EU-Verordnung?
Anton Steiner: „Das Deutsche Forum
Neu ist außerdem ein in allen Mitgliedstaaten gültiger europäischer Erbschein. Für künftige Erblasser, die im Ausland leben, heißt es nun aber auch aufzupassen, dass die neue Rechtslage nicht zu unliebsamen Überraschungen führt.
für Erbrecht begrüßt die Verordnung. Die hohe Zahl von jährlich etwa 450.000 Erbschaften in der EU mit Auslandsbezug zeigt, dass es höchste Zeit war für eine einheitliche europäische Regelung. Das Erben in Europa wird damit einfacher, außerdem besteht für die Erben und künftige Erblasser mehr Rechtssicherheit, weil nun von vornherein klar ist, welche Rechtsordnung und welche Gerichte und Behörden im Erbfall zuständig sind. Die neue Regelung ist auch im Hinblick auf die Integration ausländische Mitbürger in Deutschland zu begrüßen: Deren Nachlass wird künftig nach denselben Gesetzen abgewickelt wie der eines inländischen Erblassers.
Wäre es nicht einfacher gewesen, gleich das eigentliche Erbrecht europaweit zu vereinheitlichen?
Anton Steiner: Eine solche Vereinheitlichung ist derzeit nicht vorstellbar. Das Erbrecht ist in den verschiedenen EU-Staaten sehr unterschiedlich – Unterschiede, die in besonderem Maße wertgeprägt sind. Nur ein Beispiel: Einer der Eckpfeiler des deutschen Erbrechts ist das Pflichtteilsrecht für nahe Angehörige, nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist dieses Recht sogar von der Verfassung geschützt. Das englische Recht hingegen kennt keinen Pflichtteil. Kinder des Erblassers können hier also vollständig enterbt werden. In Deutschland ist das grundsätzlich nicht möglich. Ein europäische Angleichung nach englischem Vorbild stieße deshalb bei vielen Menschen hierzulande auf großes Unverständnis. Ein gemeinsames europäisches Erbrecht ist wegen solcher Wertungsunterschiede auf Jahrzehnte hinaus nicht in Sicht.
Was muss man tun, wenn man im Ausland lebt und trotzdem nach deutschem Recht vererben will?
Anton Steiner: Die Verordnung sieht ein Wahlrecht vor: Der Erblasser kann testamentarisch bestimmen, dass sein Nachlass nach dem Recht seines Heimatstaats abgewickelt wird, obwohl er in einem anderen Land lebt. Ich empfehle den Betroffenen, sich im Zweifel beraten zu lassen und gegebenenfalls bereits jetzt vorsorglich in einem Testament deutsches Erbrecht zu wählen. Damit sind sie gewappnet, wenn die Verordnung in voraussichtlich drei Jahren in Kraft tritt.
Kann ich für meinen Nachlass auch das Erbrecht eines dritten europäischen Landes wählen, obwohl ich dort gar nicht wohne – etwa um Erbschaftssteuer zu sparen oder um Pflichtteilsansprüchen klein zu halten?
Anton Steiner: Nein, das ist nicht möglich. Das in der Verordnung vorgesehene Wahlrecht gilt nur für die Wahl zwischen dem Erbrecht der Staatsangehörigkeit und dem Erbrecht des Wohnsitzes. Die Wahl einer dritten Rechtsordnung, die für den künftigen Erblasser besonders günstig ist, ist ausgeschlossen.
Muss ich befürchten, dass mein schon vor längerer Zeit errichtetes Testament wegen der Verordnung womöglich ungültig wird?
Anton Steiner: Meist besteht kein Grund zur Sorge. Ein Testament, das – egal wann und in welchem Mitgliedstaat – nach den damals geltenden erbrechtlichen Vorschriften ordnungsgemäß und formgültig errichtet wurde, bleibt auch nach Inkrafttreten der Verordnung gültig. Aber es kann zu Auslegungsproblemen kommen, wenn das Testament mit den Begriffen des damaligen Rechts verfasst wurde und beispielsweise Vor- und Nacherbschaft anordnet, dann aber das Wohnsitz-Recht – zum Beispiel das spanische Recht – zum Zug kommt, das diese Begriffe gar nicht kennt. In solchen Fällen sollten Auslandsdeutsche daher von dem in der Verordnung vorgesehenen Wahlrecht Gebrauch machen und deutsches Erbrecht wählen.