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Eine volle Ladung Allgäu

Sprungbrett in die Berge, Wanderwege und Radrouten vor der Tür, dazu Seen, ein Moor. Ach ja, Handwerk gibt es auch zu erleben, wenn man mal keine Lust auf Aktivsein hat. Streifzug durch Pfronten.

Das hier ist so ein Platz für Herz und Seele. Drei Bänke zum Rasten. Ein Holzkreuz ragt in den Himmel. Vor einem breiten sich Apfelbaumwiesen aus. Hagebuttensträucher setzen Farbkleckse in Orangerot.

Hier oben auf dem Hörnle, dem Aussichtsbuckel über Pfronten, liegen Ort und Landschaft wie auf dem Präsentierteller: die Allgäuer Alpen, die Vorberge, Wälder, Weiden, Grasland. In den Vordergrund schiebt sich die Nikolauskirche mit ihren Schindelüberzügen und dem Turm, dessen Spitze einem umgedrehten Enzian gleicht.

Es ist ein Bergidyll wie gemalt, hier im tiefsten Süden, unweit von Füssen und Schloss Neuschwanstein, vor der österreichischen Grenze.

Steigt man vom Hörnle ab, ist es nur ein kurzer Weg zum Berger Moos. Ein geschütztes Moorgebiet am Ortsrand – ein Sonderfall innerhalb der hiesigen Naturschätze. «Jede Woche ändert sich die Pflanzenwelt, da entdeckt man immer Neues», sagt Moorerlebnisführerin Manuela Vogel, die mit ihren Gästen durch die Dämmerung streift.

Besenheide und Knabenkräuter wachsen hier, Stängelloser Enzian, Teufelsabbiss, Blutweiderich. Mittlerweile sind wieder fünf Biber heimisch. Vogel (53) erinnert an die Zeit, also im Allgäu noch Torf gestochen wurde. Ihre Oma Maria habe da noch mitgeholfen.

Nachhaltigkeit beim Handweber

Eine Handarbeit anderer Art pflegt Seniorchef Hans Hechenberger in der familiengeführten Handweberei. Für seine Werkstatt habe er einen pneumatisch unterstützten Webstuhls erfunden und gebaut. «Aber ich habe kein Patent angemeldet», sagt er und lacht.

Der Rohstoff für die Teppiche kommt bevorzugt von Allgäuer Bergschafen. Als Hechenberger (70) in den 1980er Jahren begann, sei Wolle «noch ein Abfallprodukt aus der Schlachtung» gewesen und er selbst ein Exot, erinnert er sich. Heute boome die Nachfrage.

Und noch etwas beobachtet Handweber Hechenberger: Kunden bringen zerschnittene Stoffreste zu ihm – aus Gardinen, Schürzen, Strümpfen, Bettwäsche. Daraus entstehen dann Bodenbeläge, alles Unikate. Aus Alt wird Neu, eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft im Kleinen.

«Früher hatten die Leute nichts. Da brachte man die abgetragene Kleidung zum Weber, der daraus Flickenteppiche machte, so wie wir jetzt», sagt Hechenberger mit Blick in die Vergangenheit.

Alexander Endres ist auch Handwerker, nämlich Pfrontens einziger Glasbläser. «Ich habe einen heißen Beruf», sagt der 59-Jährige und meint das ganz wörtlich: Sein Brenner entwickelt Temperaturen von bis zu 2500 Grad.

In seinem Atelier darf man ihm bei der Arbeit zuschauen. Gerade halten ihn vorbestellte Minikunstwerke für Kinder auf Trab: «Drei Kobras, eine blaue Eidechse und ein Einhorn.»

Lockruf der Berge

Doch irgendwann hat man genug Filigranes gesehen, es zieht einen wieder in die Natur hinaus. In Pfronten erliegt man automatisch dem Lockruf der Berge.

Die Wanderung zur Kappeler Alp beginnt mit der Höllschlucht, wo sich ein Wasserfall wie ein Schimmelschweif über eine Felswand legt. Über Steine und Wurzeln geht es hinauf durch den Bergwald, bis sich die Alpweiden öffnen. Schmetterlinge tanzen. Wilde Minze duftet. Silberdisteln leuchten in der Sonne.

Die Fernblicke ins Pfrontener Tal und bis zum Zugspitzmassiv begeistern. «Der Balkon vom Allgäu», so bewerben die Betreiber der Almhütte die Kappeler Alp. Eine treffende Beschreibung.

Nicht weniger großartig ist die Aussicht vom Falkenstein, Deutschlands höchstgelegener Burgruine auf knapp 1300 Meter Höhe. Bayerns König Ludwig II. (1845-1886) plante hier einst ein größeres Traumschloss als Neuschwanstein, doch das Vorhaben zerschlug sich.

Wer kräftesparend noch höher hinaus möchte, wählt die Kombination aus Gondel und Sessellift zum Breitenberg, dem Hausberg Pfrontens. Von der Bergstation ist es nur noch ein halbstündiger Aufstieg zum 1838-Meter-Gipfel mit der Ostlerhütte.

Dort kann man komfortabel in Suiten im Holzbaustil übernachten. Wenn die Ausflüglermassen verschwunden sind und die Sonne über den Spitzen der Gipfel versinkt, wirkt das große Alpenkino umso intensiver. Über Tag ist der Breitenberg ein beliebtes Terrain für Gleitschirmflüge.

Radeln und Kulinarik

Im Ostallgäu lässt es sich auch wunderbar radeln. Die Burgen- und Schlösserrunde führt auf gut 40 Kilometern in einem Kreis auch nach Füssen und Neuschwanstein. Nördlich von Pfronten liegt die Acht-Seen-Runde – 25 Kilometer lang, mit vielen Erfrischungsmöglichkeiten unterwegs.

Nicht fehlen darf bei allen Aktivitäten der Lohn einer zünftigen Einkehr. Ein Krug Bier passt bestens zu Allgäuer Zwiebelrostbraten und Wurstsalat. Der lokale Sternekoch Simon Schlachter (30) rühmt die «brutale Produktvielfalt» aus dem Umfeld von Bergen und Seen.

Wofür er sich indes nicht erwärmen kann, sind ausgerechnet Käsespätzle – einen der Klassiker der Allgäuer Küche. «Ich habe sie nicht auf der Karte und würde auch privat keine bestellen.». Die Käsespätzle treffen eben nicht seinen Geschmacksnerv.

Dagegen schwärmt Schlachter von Allgäuer Krautkrapfen, die in Vergessenheit geraten seien. «Ein guter Teig, Sauerkraut, Speck, Kräuter, Crème fraîche, das Ganze schön in Butterschmalz gebraten.» Das ist seins und mag belegen: Pfronten bringt auf unterschiedlichste Weisen auf den Geschmack.

Info-Kasten: Pfronten

Anreise: Mit dem Auto etwa über die Autobahn A 7, alternativ mit der Regionalbahn; der zentrale Bahnhof heißt Pfronten-Ried.

Unterkunft: Die Gemeinde Pfronten mit ihren 13 Ortsteilen verfügt über 4000 Gästebetten in Hotels, Gasthöfen, Pensionen und Ferienwohnungen.

Auskünfte: Pfronten Tourismus, Vilstalstr. 2, 87459 Pfronten (Tel.: 08363/69888, E-Mail: info@pfronten.de, Internet: www.pfronten.de)

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