Malakka (dpa) – Auf dem Roten Platz vor dem historischen Stadthuys von Malakka herrscht kunterbuntes Treiben. Minions drängen sich neben Minnie Maus, Little Ponys konkurrieren mit Pokemons, und Hello Kitty versucht, Spider-Man die Klienten abzuwerben. Seit die Küstenstadt im Südwesten Malaysias 2008 zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt wurde, hat sich neben den bunten Häuschen, den hübschen Galerien und der Flaniermeile Jonker Walk noch eine weitere Attraktion etabliert: Mit viel Plüsch beladene Fahrrad-Rikschas kutschieren Gäste durch die Kolonialgeschichte – und erfüllen dabei musikalische Kundenwünsche.
Eine Familie aus Indien steht unschlüssig vor den Wagen, die hier Trishaw oder Beca genannt werden. Die Wahl fällt auf ein Exemplar mit Figuren aus der koreanischen Serie «Squid Game» – der kleine Sohn hat entschieden. Die unheimlichen Wächter aus dem Netflix-Hit prangen auf einem Herz aus roten und weißen Plastikrosen. Umrahmt wird das Ensemble von silbernem Glitter. Das kleine Dach zum Schutz vor Regen und Sonne sieht aus wie ein Schmetterling. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Hauptsache «Kitsch as Kitsch can».
«Das gibt es nur hier, in Malakka», lacht Rikschafahrer Francis und reicht den Kunden sein Smartphone. Auf Youtube können sie die Begleitmusik für ihre Rundfahrt wählen. Ohrenbetäubend laut schallt kurz darauf indische Popmusik aus den Lautsprechern, und Francis tritt in die Pedale. Auf der anderen Seite fährt eine Rikscha voller niedlicher Stofftier-Ponys vor, eingehüllt in einen himmelblauen Rausch aus Kunststoffblumen, dazu die Klänge von «Aber bitte mit Sahne». Udo Jürgens in Malaysia? Zwei deutsche Touristinnen und das Smartphone ihres Fahrers Muhammad machen es möglich.
Der Beruf des Rikscha-Fahrers ist in Malakka «family business». Fast alle erzählen, dass bereits ihre Großväter und Väter in der Branche tätig waren. Früher wurden die Trishaws auch von den Einwohnern selbst benutzt. Kinder fuhren damit zur Schule, die Mütter zum Markt. «Mein Opa und mein Vater haben auch schon Rikschas gefahren, aber ich bin der erste, der seine herausputzt», erzählt Muhammad stolz.
Aber woher kommt der Trend? «Einer hat vor etwa 15 Jahren mal einen Teddybären vor seine Rikscha geschnallt. Damit hatte er so einen Erfolg, dass andere das nachgemacht haben», sagt der 25-Jährige. Dann gab es kein Halten mehr, und aus dem einzelnen Teddy wurde ein regelrechter Deko-Hype. Ursprünglich hätten die Fahrer damit Kinder locken wollen, «aber die Erwachsenen lieben es mittlerweile mindestens genauso», lacht Muhammad.
Die Lizenzen werden von der Tourismusbehörde vergeben. Beca-Fahrer, das ist ein ganz offizieller Job für 300 stolze Fahrer. Bis vor ein paar Jahren waren es noch mehr als 400, aber das Getümmel und der Geräuschpegel nahmen dermaßen überhand, dass die Behörde sich genötigt sah, die Zahl der Zulassungen zu beschränken.
«Viele Leute, die in Malakka leben, finden die Dinger einfach zu laut», sagt Boson Goh, der in der berühmten Jonker Street einen Antiquitäten-Laden führt. «Aber für die Fahrer ist es ihre Lebensgrundlage, und sie verdienen ja auch wirklich gut», fügt der 44-Jährige hinzu.
Die lange Tour von 30 bis 40 Minuten kostet – inklusive Fotostopps – 50 Malaysische Ringgit (10 Euro), die kurze von etwa 10 Minuten die Hälfte. Manche Fahrer verdienen sich noch etwas dazu, indem sie hinten an der Rikscha Werbeschilder platzieren. Im Schnitt liegt das Einkommen – so sagen die meisten übereinstimmend – zwischen 6000 und 8000 Malaysische Ringgit im Monat (1250 bis 1750 Euro). Das ist mehr, als in dem Königreich Lehrer oder Polizisten bezahlt bekommen.
Herausstaffiert werden die Trishaws in speziellen Dekorations-Shops – darum müssen sich die Fahrer nicht selbst kümmern. Das Design ihrer Vehikel ändern sie etwa einmal im Jahr. Das Thema können sie selbst wählen. «Hello Kitty ist gerade sehr populär», sagt Muhammad und schaut etwas nachdenklich auf die blauen und rosa Pferdchen an seinem eigenen Wagen. Vielleicht hatte er dieses Mal kein so glückliches Händchen: «My Little Pony ist gerade selbst bei kleinen Mädchen nicht so beliebt», räumt er ein.
Die meisten Touren werden von Besuchern und Besucherinnen aus China und Südkorea gebucht, wie die Fahrer erzählen. Manche reservierten für ganze Reisegruppen bereits im Voraus. Aber auch Gäste aus anderen Teilen der Welt ließen sich für die irren Rikschas begeistern, sagt Francis, nachdem die indische Familie ausgestiegen ist. Er wischt sich den Schweiß von der Stirn. Rikscha-Fahrer, das ist bei den tropischen Temperaturen ein Knochenjob. Gangschaltung? Gibt es nicht. Deshalb dürfen maximal zwei Erwachsene und ein Kind mitfahren.
Wenn es Nacht wird in Malakka, laufen die Becas erst richtig zur Hochform auf: Dann gesellen sich zum Farbenmeer aus Plüsch und Plastik noch elektrische Lichterspiele. Die Augen von Hello Kitty leuchten auf, die Pokemons strahlen und Spider-Mans Kopf ist von einem blinkenden Reif umgeben. Dazu dröhnen südkoreanischer Pop, feuriger Salsa-Beat und ein chinesisches Liebeslied. Die schrillen Dreiräder mögen vielleicht nicht jedermanns Geschmack sein – aber kaum einer kann umhin, bei ihrem Anblick zu lächeln.