Hamburg (dpa) – Die Deutsche Hafenwirtschaft hat von der Politik deutlich mehr Engagement beim Ausbau und Erhalt der Infrastruktur gefordert. «Wir erwarten vom Bund eine deutlich ehrgeizigere und strategischere Hafenpolitik, die unserer nationalen und europäischen Bedeutung gerecht wird. Unsere Nachbarländer kaufen uns, was das angeht, deutlich den Schneid ab», sagte der Präsident des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS), Frank Dreeke, am Mittwoch in Hamburg. Die nationale Hafenstrategie des Bundes sei ein guter Schritt in die richtige Richtung. Sie müsse aber schnell entwickelt und auch umgesetzt werden.
Die deutschen Seehäfen seien auf eine gute Infrastruktur im Hinterland angewiesen, sagte Dreeke. «Es ist daher unsere klare Erwartung, dass öffentliche Infrastruktur bedarfsgerecht und im Sinne der Klimaziele ausgebaut und dass die bestehende Infrastruktur auch instandgehalten wird.» Die Hafenwirtschaft begrüße, dass Bund und Bahn das Baustellenmanagement überarbeiteten und mit den Hochleistungstrassen ein neues Konzept verfolgten. Entsprechend erwarte der ZDS, dass auch das Dreieck Hamburg, Bremen, Hannover rasch als Hochleistungskorridor grundsaniert wird.
Bis 2040 solle ein Viertel des Güterverkehrs auf der Schiene abgewickelt werden, erinnerte Dreeke. Dazu müssten beim Ausbau der Bahninfrastruktur aber endlich «Nägel mit Köpfen» gemacht werden. Auch beim Ausbau der Wasserstraßen gebe es Defizite. Das betreffe nicht nur die Elbe, sondern auch die Weser, den Nordostsee-Kanal und den Strelasund in der Ostsee, sagte Dreeke.
Der Chef der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft (BLG Logistics) verwies auf das LNG-Terminal in Wilhelmshaven, das wegen der akuten Energiekrise innerhalb von nur 187 Tagen so weit gebaut worden sei, dass dort nun Schiffe anlegen könnten. «Das hat gezeigt, dass es geht in Deutschland.» Das könnte ein Vorbild auch für die Bahn, den Straßenbau und die Bundeswasserstraßen sein. «Wir sind auch gerne bereit 365 Tage zu erlauben, aber es muss einfach schneller gehen», sagte Dreeke. Bislang können für Planungen speziell bei Bahnprojekten Jahre bis Jahrzehnte ins Land gehen.
Die Corona-Pandemie, aber auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine haben der Hafenwirtschaft zu schaffen gemacht. Entsprechend sei es erfreulich, dass die Umschlagsmengen der deutschen Seehäfen im ersten Halbjahr nur um 0,5 Prozent auf 141,9 Millionen Tonnen gesunken seien, sagte Dreeke. Im Passagierverkehr habe es sogar ein Plus von 141 Prozent auf 11,5 Millionen Menschen gegeben, die ein- oder ausgestiegen seien. Dreeke räumte jedoch ein, dass der große Zuwachs von den coronabedingt extrem niedrigen Zahlen im Jahr zuvor herrühre.
«Wir verurteilen den menschenverachtenden und völkerrechtswidrigen Krieg. Selbstverständlich tragen wir die verhängten Sanktionen mit», sagte Dreeke mit Blick auf den russischen Angriff auf die Ukraine. Er gehe davon aus, dass es wegen des Kriegs über das gesamte Jahr gesehen zu einem Rückgang beim Warenumschlag kommen könne. In der Kreuzfahrt würden bereits viele beliebte Routen nicht mehr angeboten, etwa ins russische St. Petersburg.