St. Augustine/Pensacola (dpa/tmn) – Sonne, Strand, Vergnügungsparks: Das dürften die meisten Touristen mit Florida verbinden. Und es stimmt ja: Der Bundesstaat im Südosten der USA lockt mit ewigem Sommer in Miami, mit der bildschönen Golfküste in der Umgebung von Sarasota, mit der Walt Disney World, Seaworld und den Universal Studios in Orlando.
Doch es gibt ein Gebiet, das oft vergessen wird: der Panhandle. Noch nie gehört?
Dann wird es Zeit, denn der Pfannenstiel (englisch: Panhandle) im Norden des «Sunshine State» an der Grenze zu Georgia und Alabama bietet spannende Einblicke in die erstaunlich wechselhafte Historie des Bundesstaates. Und bietet zugleich vieles von dem, was einem beim Gedanken an einen Florida-Urlaub in den Sinn kommt.
Um die möglichen Fragezeichen wegen des seltsamen Begriffs aufzulösen: Als Panhandle wird diese Region bezeichnet, weil sie sich auf der Karte wie der schmale Stiel einer Pfanne zwischen der Golfküste und den angrenzenden Nachbarstaaten nach Westen zieht. Der Rest Floridas ist, um im sprachlichen Bild zu bleiben, also die Pfanne.
Am besten lässt sich dieser Panhandle auf einem Roadtrip entdecken. Er beginnt für uns in St. Augustine an der Atlantikküste, das noch nicht zum Pfannenstiel zählt, und endet in Pensacola am Golf von Mexiko – am Ende des Stiels, wenn man so will.
Dazwischen liegen rund 400 Meilen, also um die 650 Kilometer. Es empfiehlt sich nicht nur wegen der Entfernung, dafür ins Auto oder aufs Motorrad zu steigen – diese Tour mit dem Fahrrad ist nur etwas für Menschen, die neben der entsprechenden Kondition auch kein Problem mit Mücken haben.
Start in der ältesten Stadt der USA
Los geht’s in St. Augustine. Die älteste Stadt der heutigen USA ist seit 1565 bewohnt. Vieles dürfte Europäern bekannt vorkommen. Die Spanier haben hier ihre Spuren hinterlassen. Als die Konquistadoren in St. Augustine landeten, bauten sie eine Siedlung und eine erste Befestigungsanlage, das Castillo de San Marcos, heute ein Nationalmonument.
Eine kleine Bahn fährt durch St. Augustine, alle wichtigen Sehenswürdigkeiten bekommen ihre Erklärungen und ihre kleinen Geschichten. Auch an den Strand kann man – natürlich, man liegt schließlich direkt am Atlantik.
Hier in der Region wurde die Kolonie «La Florida» gegründet, benannt nach der «Pascua Florida», dem Fest der Blumen, wie die Spanier die Osterzeit nennen – die Eroberer kamen am Ostersonntag an.
Schnell gab es zwei Territorien: Ost- und Westflorida. Ostflorida war schon damals die Landzunge, die auch heute als Florida bekannt ist. Hauptstadt: St. Augustine. Westflorida hingegen ging bis zum Mississippi und deutlich weiter nach Norden, als die Staatsgrenzen heute verlaufen. Die Hauptstadt war Pensacola – gegründet 1559, bald durch einen Hurrikan zerstört und erst 1689 wiederbelebt.
Viel flaches Land auf dem Weg nach Tallahassee
Wer sich von St. Augustine aus aufmacht gen Westen, sieht viel grüne, sehr flache Landschaft. Sümpfe, Alligatoren, Quellen, Wildschutzgebiete und State Parks. Fruchtbare Böden, warmes Wetter, regelmäßiger Regen – das hat schon die Europäer angezogen, die Versorgung mit Lebensmitteln jedenfalls ist sicher gewesen.
200 Meilen, gut 320 Kilometer weiter, kommt man in Tallahassee an. Verbrieft ist, dass es 1824 zur Hauptstadt von Florida bestimmt wurde. «Der Ort lag etwa gleich weit weg von den beiden Zentren», sagt Rachel Basan Porter, Expertin für Geschichte im Old State Capitol, dessen Museum Urlauber kostenlos besuchen können. Die beiden Zentren, das waren Pensacola und St. Augustine.
Die Geografie sprach für den Ort, der außer dem riesigen Kuppelbau des Capitols nur mäßig an eine Hauptstadt erinnert: Tallahassee liegt auf einem Hügel. «Das war damals wichtig, so konnte man Angreifer früh sehen und die Stadt verteidigen», sagt Porter.
Denn ursprünglich war die Gegend ein Zentrum für Landwirtschaft und Handel – Baumwolle und Tabak wurden hier im Landesinneren angebaut. Später kamen die Regierung und verschiedene Hochschulen, die bis heute wichtige Arbeitgeber sind.
Einen Strand hat Tallahassee nicht – aber dafür punktet es mit grüner Umgebung, in der es Alligatoren, Manatees – putzige Seekühe -, Mangroven und Schildkröten zu sehen gibt. Die Wakulla Springs direkt vor den Toren der Stadt gilt als größte und tiefste Süßwasserquelle der Welt. Dort kann man baden, wandern oder Bootstouren machen.
Amerikanisch mit spanischem Einschlag
Knapp weitere 200 Meilen sind es von Tallahassee nach Pensacola. Das Bild entlang der Highways und der kleineren Straßen bleibt: grün. Die Natur ist üppig und die zahlreichen Mücken freuen sich über jeden, der aus seinem klimatisierten Auto steigt.
Pensacola bietet ein anderes Bild als St. Augustine, das wie eine spanische Stadt mit amerikanischem Einschlag scheint. In Pensacola indes ist vieles amerikanisch, während zumindest einiges vom spanischen Erbe eindrücklich konserviert worden ist.
So können Besucher sich im Seville Historic District ein Bild davon machen, wie es einst war, in Florida zu leben. 28 alte Häuser stehen noch, elf sind zugänglich und erzählen vom oft harten Leben im 19. Jahrhundert.
«Die Stadt der fünf Flaggen wird Pensacola bis heute genannt», sagt Historiker Rob Overton. Denn fünf Länder regierten hier über die Jahrhunderte: Spanien, Frankreich, Großbritannien, für wenige Jahre in der Bürgerkriegszeit die Konföderierten und eben die USA.
Die historische Klammer des Roadtrips
Noch interessanter aber waren die karibischen Gebiete, um die die Kronen in Spanien, Großbritannien, Frankreich und auch den Niederlanden stritten. «Der Zucker dort wurde weltweit gehandelt und hat viele reich gemacht», sagt Roger Smith, Historiker am Flagler College in St. Augustine. Also wurde immer wieder verhandelt. Florida fiel in britische Hände und dann wieder in spanische. 1819 wurde es an die Vereinigten Staaten verkauft.
Damals gab es die beiden großen Städte St. Augustine und Pensacola. «Jede wollte Hauptstadt sein, doch es gab auch Gründe gegen beide Orte», sagt Smith.
Und hier kommt eine Sage ins Spiel, die unserem Roadtrip eine spannende Klammer gibt: Demnach sollen einst Reiter zeitgleich in Pensacola und St. Augustine losgeschickt worden sein – und der Ort, an dem sie sich trafen, sollte die neue Hauptstadt sein: Und so kam 1824 also Tallahassee zu diesen Ehren. Auch wenn zu der Überlieferung Zweifel angebracht sind, die Geschichte hört sich gut an.
Pensacola und St. Augustine indes, die beiden Städte mit der reichen Kolonialgeschichte, sind sich in einem Punkt weiterhin nicht grün: Zwar wurde Pensacola zuerst gegründet, doch verfiel dann unbesiedelt über viele Jahre, während St. Augustine florierte und durchgängig seit der Gründung 1565 belebt war. Wer ist also älter? Eine Frage des Standpunktes.
Geschichte jedenfalls können Besucher in beiden Orten und überall entlang des Weges erleben. Und das «alte Florida» kommt auch auf dem Teller: Minorcan Clam Chowder etwa, eine Meeresfrüchte-Suppe, die auf die spanischen Einwanderer zurückgehen soll.
Badeurlaub geht ebenfalls hier wie dort: Pensacola an der Golfküste und St. Augustine am Atlantik können mit meilenweiten, weißen Sandstränden und dem dazugehörigen entspannten Beachlife aufwarten. Ganz «Sunshine State» eben.
Links, Tipps, Praktisches:
Reiseziel: Der Panhandle liegt im Nordwesten Floridas. Hier liegen unter anderem Pensacola und Tallahassee, die Hauptstadt des Bundesstaates. St. Augustine an der Atlantikküste zählt nicht mehr zum Panhandle, bietet sich aber als Startpunkt eines Roadtrips an.
Anreise: Alle drei Städte haben Flughäfen, die mit Umsteigeverbindungen innerhalb der USA zu erreichen sind. Wer direkt von Deutschland aus fliegt, landet in Orlando. Vor dort sind es etwa zwei Autostunden nach St. Augustine. Alternative: ein Flug nach Atlanta in Georgia. Tallahassee ist von hier in etwa vier Stunden Fahrtzeit entfernt.
Einreise: EU-Bürger benötigen einen gültigen Reisepass und eine elektronische Einreisegenehmigung (Esta).
Weitere Informationen: Zu Florida allgemein unter www.visitflorida.com/de, die drei Städte haben eigenen Websites: www.visitstaugustine.com; www.visittallahassee.com; www.visitpensacola.com