Perleberg/Potsdam (dpa/bb) – Am Stadtrand von Perleberg (Prignitz), direkt am Tierpark gelegen, steht Jungunternehmer Patrick Lange (22) am Tresen des Hotel-Restaurants «Hubertus – Kleine Residenz am Tierpark». An diesem Nachmittag sitzt nur ein Paar zum Essen im Restaurant, doch der Nachwuchs-Gastronom ist optimistisch.
Erst im Frühjahr hat seine Familie das bis dahin leer stehende Hotel-Restaurant übernommen. Den Essbereich haben sie bereits renoviert, die Zimmer sollen in nächster Zeit ebenfalls auf den neuesten Stand gebracht werden. Patrick Lange, der das Hotel-Restaurant mit einer Kollegin führt, setzt auf eine gute Mischung: Ausflugsgäste aus dem angrenzenden Tierpark, Einheimische, dazu Familien- und Firmenfeiern oder Tagungen.
Ein Lokal ausgerechnet in diesen Zeiten zu eröffnen – das ist in diesen Zeiten durchaus gewagt. «Es gibt Neugründungen, aber nicht allzu viele wie vor der Pandemie», sagt Olaf Lücke, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Brandenburg, im Gespräch mit der dpa. «Die Voraussetzungen sind derzeit denkbar schlecht.» Denn die Gastronomie bewegt sich von einer Krise in die nächste: Erst die Corona-Pandemie mit monatelangen Schließungen, dann zahlreiche -Hygiene-Auflagen und jetzt steigende Preise für Lebensmittel und Energie.
Hinzu kommt der Mangel an Fachkräften. «Wer in der Branche arbeiten will, bekommt derzeit eine Beschäftigung», sagt Lücke. Es bestehe also kaum ein wirtschaftlicher Druck, sich selbstständig zu machen. Dennoch gebe es Menschen, die die Branche liebten und ein eigenes Restaurant oder Café als Selbstverwirklichung ansähen, so der Dehoga-Geschäftsführer. «Abgesehen von der Krise macht die Gastronomie ja Spaß.»
Dem kann Lutz Lange nur zustimmen. Der Unternehmer aus Wittenberge (Prignitz) hat vor Jahren die alte Ölmühle in der Elbestadt zu einem Hotel-, Restaurant- und Eventkomplex umgebaut. Seit einiger Zeit expandiert er ins benachbarte Perleberg, sein Sohn Patrick verdient sich dort die ersten Sporen im Familienbetrieb. «Jede Krise hat eine Chance», ist Lutz Lange überzeugt. Mitten in diesen Zeiten ein Lokal zu eröffnen – das könne man durchaus machen, es brauche nur gute Mitarbeiter.
Und die habe er auch über die Corona-Lockdowns überwiegend halten können, betont der Prignitzer Unternehmer. «Wir haben das Projekt Hubertus in Perleberg gewagt, weil wir genug Personal haben», sagt Lange. Ein Koch und ein Kellner hätten sich ganz bewusst entschieden, nach Perleberg zu gehen. «Sonst hätten wir das Hotel-Restaurant nicht gekauft», meint der Hotelier.
Zahlen der drei Brandenburger Industrie- und Handelskammern (IHK) zeigen: Die Zahl der Neugründungen in der Gastronomie ist seit 2020 deutlich gefallen, wenn auch nichts dramatisch. Im IHK-Bezirk Potsdam, der von der Landeshauptstadt über das Havelland bis in die Prignitz reicht, gab es 2019 noch 455 Neugründungen, in den beiden Corona-Jahren waren es 418 beziehungsweise 333. In diesem Jahr wurden bis einschließlich Juni gut 240 neue Gastrobetriebe angemeldet.
Auch die IHK Ostbrandenburg in Frankfurt (Oder) schätzt die Lage ähnlich ein. Gab es hier 2017 noch über 220 neue Gastrobetriebe, waren es 2020 noch 185 Neugründungen, bis Ende Oktober dieses Jahres meldeten sich 170 neue Betriebe an. Bei der IHK Cottbus gab es rund 220 Neugründungen in 2019, dann sank die Zahl bis 2021 auf rund 150. Im laufenden Jahr meldeten sich den Angaben zufolge 130 Gastrobetriebe neu an.
Bei den Geschäftsaufgaben und Insolvenzen lässt sich zudem kaum ein «Corona-Effekt» ablesen. «Tendenzen zur pandemiebedingten Marktbereinigung lassen sich nicht erkennen», sagt Detlef Gottschling, Sprecher der IHK Potsdam. So hätten die staatlichen Hilfen «wirklich geholfen», die Betriebe hätten sich strukturell verbessert und die Unternehmen in Brandenburg von einer guten Nachfrage aus Berlin profitiert, so der IHK-Sprecher.