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Das Villenviertel der Steinzeit

„Suche geräumige Höhle für aufstrebende Jäger- und Sammlerfamilie, bevorzugt Südhang mit Kochstelle und Terrasse.“ Wir wissen wenig über den steinzeitlichen Wohnungsmarkt des unteren Tavignanu-Tales. Wie begehrt waren die bewohnbaren Höhlenhügel mit angenehmem mediterranem Klima? Wer bekam die schickste Höhle? Wenn die Verteilung ähnlich wie heute verlaufen sein sollte, dürfte es sich bei Filitosa um ein steinzeitliches Villenviertel gehandelt haben.

Beeindruckendes Panorama: das Villenviertel der Steinzeit.

Filitosa: Rekonstruktion einer 8000 Jahre alten Wohnsiedlung.

Seit 30 Jahren mühen sich Archäologen um den renommierten Wissenschaftler Roger Grosjean, die Geheimnisse um die 8000 Jahre alte Fundstelle an der Südwestküste Korsikas, etwa 10 Kilometer nördlich von Propriano, zu lüften. Ausnahmsweise ist die Entdeckung dieser prähistorischen „Hauptstadt“ der Insel nicht dem omnipräsenten Prosper Mérimée zu verdanken, der ab 1839 als Inspektor für historische Bauwerke von Dolmen bis Pisa-Türmen eine ganze Reihe wertvoller Kulturgüter vorm Untergang bewahrte.

„Zen oder die Kunst des Steinzeitgartens“
Es war der Besitzer der Anlage, Charles Antoine Cesari, der 1946 am Fuße des Hügels Druidensteine und Menhir-Statuen entdeckte. Grosjean, als Korsika-Beauftragter des Nationalen Wissenschaftlichen Forschungszentrums (CNRS) wurde mit der systematischen Erforschung der Anlage betraut. Das kleine Museum gleich nach dem Eingangsbereich stellt einen Teil der Funde aus – Keramiken, Waffen aus griechischer, italischer, punischer und einheimischer Herkunft.

Man muss kein ausgeprägter Stein- und Buddelfetischist sein, um der Anlage mit der zyklopischen Einfriedung, den drei „Torre“ genannten Monumenten, den 16 Menhir-Statuen, 30 Fragmenten, dem Hüttendorf und den Relikten mit Keramiken und Waffen, aufgereiht in einem Museumsraum beim Eingang, etwas abzugewinnen. Angefangen bei der farbenprächtigen Papageienschnabel-Flora über die mehrsprachige Audiostationen bis hin zur Anlage der Wege erinnert das Areal an eine kunstvoll naturalistische Park- und Landschaftsgestaltung um den Fluss Barcajolo – Arbeitstitel „Zen oder die Kunst des Steinzeitgartens“.

Das Ambiente der vorne mit Gesichtern und hinten mit Schulterblatt und Wirbelsäule ziselierten Menhire vor einer idyllischen Berg-, Wald und Hügelkulisse muss auch auf Fred Feuerstein und Konsorten eine magische Anziehungskraft ausgeübt haben. Eine ganze Reihe von Steinhütten bezeugen Zuzüge in der Bronzezeit, in der wohl auch die aufwendige Ringmauer und die Torre entstanden sein dürften, Zugleich Verteidigungsanlage, Eingangstore und Lagertürme.

Hochburg der figurativen Menhire
Besiedelt wurde Korsika um 7000 v.u.Z., wahrscheinlich von Sardinien aus, wie Obsidian-Funde nahelegen, eines Steines, der auf der Insel nicht vorkommt. In dieser Phase des alten Neolithikums lebten die ersten Korsen mit Immigrationshintergrund hauptsächlich von der Jagd und der reichen Vegetation in einer dünn besiedelten Landschaft. Mit der Verbreitung der Landwirtschaft im 4. Jahrtausend v.u.Z. nahm die Bevölkerung zu, Schafhaltung wurde üblich.

In dieser neueren Megalithzeit breitet sich in ganz Europa das Phänomen der Errichtung großer Steinmonumente aus. Während die Bretonen eine Meisterschaft bei der Konstruktion komplexer Dolmen erlangten, spezialisierten sich die Ur-Korsen auf die Gestaltung figurativer Menhire. 73 verzierte Statuen wurden bisher auf Korsika gefunden, auf dem nahen Sardinien nur zwei.

Manche Archäologen interpretieren die Steinfiguren als Krieger, ein französisches Pärchen, das aus dem Prusten nicht mehr herauskam, fand eine naheliegende Erklärung: Man muss keine allzu versaute Phantasie haben – wobei zu klären bleibt, was an Sex versaut sein soll – um die Stelen als Phallussymbole zu deuten. Die Eichel ist schön herausgearbeitet, ob die Gesichter dann als Personifizierung besonders prächtiger Phalliträger zu deuten sind oder ob die Neolithiker mit besonders schmucken Präservativen experimentierten, wird noch zu klären sein. Stoff genug für Woody Allans Alterswerk.

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