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Brisanter Thriller mit Starbesetzung: «Wahrheit oder Lüge»

Ein Rapper und ein Manager - gegen beide liegt eine Anzeige wegen Vergewaltigung vor. Eine routinierte Verteidigerin wird auf beide Fälle angesetzt. Doch bald gerät die Top-Juristin in Gewissensnöte.

Annabelle Martinelli (Natalia Wörner) ist erfolgreiche Anwältin der renommierten Berliner Anwaltskanzlei Quante & Ackermann, ist spezialisiert auf Sexualstrafrecht. Sie ist äußerst beliebt bei männlichen Klienten. Denn von einer Frau als Verteidigung vor Gericht versprechen sie sich erhebliche psychologische Vorteile. Gleich zwei sehr unterschiedliche Fälle, mit denen Annabelle betraut wird, stehen im Mittelpunkt des Thrillers «Wahrheit oder Lüge». Er läuft am Dienstag um 20.15 Uhr auf 3sat. Es ist eine Wiederholung von 2020.

Der höchst erfolgreiche Gangsterrapper Momo (Lefaza Jovete Klinsmann), mehrfach vorbestraft wegen Drogen, Waffenbesitzes und Körperverletzung, steht unter Verdacht. Er soll seine Freundin Donna (Almila Bagriacik) brutal vergewaltigt zu haben. Er bestreitet das und behauptet, Donna wolle sich nur an ihm rächen, da er sie rausgeschmissen habe. Der Kanzleichef (Fritz Karl) erwartet von Annabelle, dass sie für Momo diesen medienwirksamen Fall gewinnt.

Doch dann kommt der Chef noch mit einem weiteren Auftrag auf sie zu. Ein Fall, der noch nicht an die Öffentlichkeit gedrungen ist: Mike Petry (Felix Klare), Topmanager und scheinbar glücklicher Familienvater, soll seine Assistentin Mirella (Franziska Hartmann) auf einer Dienstreise vergewaltigt haben. Annabelle wird beauftragt, unbedingt ein Verfahren zu verhindern, einen Vergleich zu schließen.

Doch Annabelle ist mit Mirella befreundet. Die Verteidigerin gerät prompt in einen schweren Gewissenskonflikt, als sie von Mirella um professionelle Hilfe gebeten wird. Plötzlich interessieren Annabelle nicht mehr nur die gesetzlichen Möglichkeiten, sondern die Fakten. Sagt ihre Freundin die ganze Wahrheit? Was ist wirklich passiert zwischen Petry und Mirella? Und wie ist es bei Momo und Donna?

Es ist ein aktuelles und wichtiges Thema, das hier leider nicht ohne Klischees auskommt. Der Rapper und seine Freundin tragen riesige Sonnenbrillen, fahren dicke Autos, pflegen eine derbe Sprache und zeigen sich ziemlich aggressiv. Der glatte Firmenboss will seine Familie außen vor lassen und ist auf einen außergerichtlichen Vergleich aus. Derweil hat der windige Kanzleichef nur zwei Dinge im Sinn: mit Momo in die Medien und mit Petry ans große Geld zu kommen.

Regisseur Lars Becker hat diesen Krimi wendungsreich und spannend in Szene gesetzt, gemeinsam mit Kameramann Ralf Noack («Gefangen im Paradies»). Die beiden Vergewaltigungsfälle im Film werden geschickt miteinander verwoben, denn es geht jeweils um die Wahrnehmung der eigenen Wahrheit, und alle Betroffenen kämpfen mit harten Bandagen. Das Drama hat für sie alle herbe Konsequenzen – auch für die Anwältin, die gar nicht so emotionslos ist wie sie tut.

Natalia Wörner («Unter anderen Umständen») spielt sie ebenso nuancenreich wie Franziska Hartmann («Sterne über uns») ihre Freundin. Zwar ist die «#MeToo»-Debatte mittlerweile abgeflacht, aber dieser Film stellt einen sehenswerten und ungewöhnlichen Beitrag dazu dar – vor allem deshalb, weil bis zum konsequenten Ende unklar bleibt, wer hier Opfer und wer Täter ist. Oder eben auch beides.

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