Erfurt (dpa/th) – Erfurt will mit der 900-jährigen Geschichte des jüdischen Lebens in der Stadt auf die Liste der Unesco-Weltkulturerbestätten. Für die Landeshauptstadt wäre das ein Aufstieg «in die erste Liga der touristischen Destinationen», wie Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) am Mittwoch erklärte. Die jüdische Landesgemeinde unterstützt das Vorhaben und hegt noch ganz andere Hoffnungen: Mit einem Dokumentationszentrum im Herzen der Stadt könnte auch eine jüdische Stätte entstehen, in der es nicht nur um Geschichte, sondern auch um heutiges jüdisches Leben geht, wie der Vorsitzende der jüdischen Landesgemeinde, Reinhard Schramm, sagte.
Pläne für ein solches Zentrum gibt es bereits, es soll auf dem Parkplatz hinter dem historischen Rathaus der Stadt entstehen – architektonisch ansprechend. Es würde wohl einen höheren zweistelligen Millionenbetrag kosten, sagte Bausewein. «Der Erfolg würde uns helfen, es umzusetzen.» Ob es auch kommt, wenn Erfurts Bewerbung scheitert? Unklar.
Schramm kann sich beispielsweise ein jüdisches Café in dem Zentrum vorstellen oder einen Ort, wo koscheres Essen und israelischer Wein probiert werden könnten, an dem Veranstaltungen möglich seien. Ihm sei wichtig, dass es mitten in der Stadt entstehen würde, so dass Besucher auch zufällig darauf stoßen könnten.
Eine Entscheidung über Erfurts Bewerbung mit seinem jüdisch-mittelalterlichen Erbe soll im September bei einer Sitzung des Unesco-Welterbekomitees in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad fallen. Im Zentrum der Initiative steht die Alte Synagoge mit ältesten Bauspuren um 1094. Aber auch das jüdische Ritualbad Mikwe und das Steinerne Haus sind Teil der Bewerbung. In Thüringen gibt es bisher vier Welterbestätten: das klassische Weimar, die Wartburg in Eisenach, der Nationalpark Hainich als Weltnaturerbe und – zusammen mit Dessau und Bernau – Weimar als Bauhausstätte. Bundesweit gibt es 51 Welterbestätten.
Bausewein sagte, es gebe viele Touristen, «die auch nach solchen Kriterien ihre Reise planen». Ein Welterbetitel könne die Bekanntheit der Stadt steigern. Im Urlaub sitze das Geld bekanntlich etwas lockerer. «Dann werden hier auch Arbeitsplätze gesichert und der ein oder andere Steuer-Euro kommt auch in der Kasse an», sagte Bausewein.
Das sei bei der Bewerbung um einen Weltkulturerbe-Titel aber nicht vordergründig, sondern es gehe um einen wichtigen Teil der Stadtgeschichte.
Die Alte Synagoge in Erfurt gehört nach Angaben der Stadt zu den ältesten, größten und noch am besten erhaltenen Synagogen Europas. Sie spiegele Aufstieg und Blüte der jüdischen Gemeinde und auch Ausschreitungen und Verfolgung und Auslöschung der Gemeinde wider. Nach einem Pogrom wurde das Gebäude 500 Jahre lang als ein Lagerhaus und ab dem späten 19. Jahrhundert bis 1990 gastronomisch genutzt. Laut Stadt war kaum noch jemandem der Ursprung des Gebäudes bekannt – auch nicht in der Zeit des Nationalsozialismus. Erst in den späten 1980er Jahren stieg das Interesse. Seit 2009 ist die Alte Synagoge in Erfurt ein Museum und gehört zu den wichtigsten Besucherattraktionen der Stadt.