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„Bayern, des samma mir“

In Bayern ist Horst Seehofer ein Riese. Nicht nur wegen seines imposanten Gardemaßes von 1,93 Metern. Der ewige Stenz aus Ingolstadt hat vielmehr das Kunststück geschafft, die Christsozialen als Außenseiter in der CSU zu alter Herrlichkeit zu führen - zur absoluten Mehrheit. Und genau das ist kein Zufall. Ein bayerischer Kommentar zur Landtagswahl.

Horst Seehofer: „Bayern, des samma mir!“ Der bayerische CSU-Vorsitzende Horst Seehofer spricht am 15. September 2013 in München (Bayern) nach der Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen zur Landtagswahl in Bayern zu seinen Anhängern.

Die CSU kann in Bayern wieder alleine regieren: Sie erreicht laut ARD-Hochrechnung 49,1 Prozent. Die SPD kommt auf 20,8 Prozent. Die Freien Wähler schaffen 8,4, die Grünen 8,5 Prozent. Die FDP stürzt ab auf 3,1 Prozent. Wie kam es dazu?

Das einzige Überraschende an dieser Wahl: Es gab keine Überraschung. Die Demoskopen durften aufatmen, die CSU sahnt im bürgerlichen Lager ab, die FDP hat sich am Katzentisch der bayerischen Staatspartei überflüssig gemacht und Münchens SPD-Ober und Kabarettist hat den Sozialdemokraten den mächtigen Schub von fast zwei Prozent verschafft – six feet under zu nur noch unterirdisch.

DER Horst ist kein Parteisoldat
Wer ist der Mann, der die Christsozialen zu neuer Stärke geführt hat. DER Horst ist nicht gerade ein Parteisoldat aus dem Gebirgsschützenbilderbuch der Christsozialen. Der ewige Stenz überzeugt vor allem seine weiblichen Groupies von der Frauenunion durch schneidige Größe und erotisches Timbre – bei Parteitagen der Christsozialen schmelzen die Dirndlträger und -innen reihenweise dahin, unbefleckte Empfängnis nicht ausgeschlossen. Dieses archaische Verhältnis zu anderen Geschlechtern hat dem Schlawiner nicht geschadet, im Gegenteil: Mit spitzbübischer Mimik grinst er dem männlichen Wahlvolk aus dem Herzen, wenn er zu Ehefrau und Freundin gleichermaßen unschuldig flötet: „Schau wia i schau, Schpatzl!“

Seehofer nimmt’s, wie die Mehrheit der Voralpenrepublik, weder mit Inhalten noch mit der Moral so genau. Natürlich braucht das gestandene Mannsbild in Bayern noch immer eine konservative Fassade. Doch kein echter bayerischer Bazi wird so damisch sein, seinen Erfolg durch übertriebene Prinzipientreue aufs Spiel zu setzen: Donau-Ausbau? „Wie viele Wähler kann die RMD AG aufbringen? Also weg damit.“ Studiengebühren? „Weg damit!“ CSU als Atom-Partei? „Weg damit!“ Wer den Ministerpräsidenten deswegen als „Drehhofer“ diffamiert, versteht einfach die Seele des Freistaats nicht. Und als Bayern-Flüsterer ist DER Horst unübertroffen: „Weg mit dem unerträglichen Partei-Talk“, der Horst redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Allein dafür ist dem besten Staatsschauspieler, den das Land mit den meisten Bauerntheatern der Republik derzeit aufzubieten hat, die Populisten-Krone nicht mehr zu nehmen.

Der bayerische SPD-Spitzenkandidat Christian Ude spricht am 15. September 2013 in München (Bayern) nach der Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen zur Landtagswahl in Bayern zu seinen Anhängern.

Ude hält noch immer sein Wort fest
Christian Ude sollte sich nicht grämen. Er hat eine schwarze Serie des sozialdemokratischen Niedergangs gebrochen und die SPD erstmals wieder über die 20-Prozent-Marke gehievt – und das trotz Mitstreitern, die in ihren feschen Kommunionsanzügen und Nachwuchsroben die Partei mit dem schicken roten Würfel hartnäckig im selbstgeschaffenen Biotop des Insiderwitzes festgezurrt haben. Ude hatte keine Chance, und die hat er beherzt ergriffen. Er hat der Parteiführung in Berlin die Möglichkeit gelassen, den heutigen Wahltag als Chance für die Bundestagswahl zu interpretieren. „Wenn selbst die Sozis in „Bayern“ zulegen …

Dabei spricht den Sozialdemokraten keiner ab, inhaltlich Beiträge zur Entwicklung des Freistaates auf der Pfanne zu haben. Den Bayern ist es einfach nur lieber, wenn die vernünftigen Vorschläge der Sozis von gestandenen Christsozialen umgesetzt werden. Atomausstieg, Ausstieg aus der Rente mit 67, Mindestlohn, halbherzige Energiewende – das alles ist auch mit der CSU zu haben und man muss sich nicht groß umstellen.

Gelbe Preißn, die der Bayer gerne mit am Tisch sitzen lässt
Am hellsten jedoch leuchtet der Hoffnungsschimmer der rotgrünen Parteistrategen, den die Bayern-Liberalen am heutigen Wahlabend am Horizont hinterlassen. Die bräsigen Landesminister Zeil und Heubisch halten sich selbst ohne Zweifel für prima Kerls. Sie sind sympathische Männer der Marke Preißn, die der Bayer gerne mit am Tisch sitzen lässt. Sie tun keinem weh, sind in ihrer Andersartigkeit unterhaltsam, aber keiner vermisst sie, wenn sie wieder weg sind.

Dazu kam, dass sich die beiden Herren mit der zuletzt enttäuschenden Grande Dame des Liberalismus, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, von der bundespolitischen Hysterie der existenzgefährdeten Freidemokraten anstecken ließen. Was man in Bayern genauso wenig hören will, wie man es in anderen Regionen Deutschlands nicht mehr hören kann, ist die gelbe Propaganda von der schlimmen Rot-Rot-Grünen-Gefahr – ein Gespenst geht um in Europa … aber es ist das des Liberalismus, das seine Freiheitsvorstellung darauf beschränkt, Pharmazievertreter, Hoteldirektoren und Chefärzte vom Joch staatlicher Steuerunterdrückung zu befreien.

Die bayerische Grüne-Spitzenkandidatin Margarete Bause lächelt am 15. September 2013 in München (Bayern) nach der Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen zur Landtagswahl in Bayern.

„Und du? Ich will so bleiben wie ich bin“
Der Rest ist schnell erzählt: Die Grünen, bis vor einem Jahr noch Lokomotive der Opposition, ließen sich von einer zweitklassigen Werbeagentur mit dem Diät-Slogan „Und du?“ nahezu halbieren – denn darauf fanden die bayerischen Wähler nur eine Antwort: „Ich will so bleiben wie ich bin, ich darf – weiter schmauchen, weiter Schweinsbraten essen, weiter im 3er BMW Gas geben.“ Schade, dass die rote Margarete Bause ihre grüne Energiewende vergessen hat.

Freiwähler-Chef Hubert Aiwanger hat sich, berauscht von Beachtung am Nockherberg, selbst schwindelig geredét, mit wem er nun koalierén möchté und mit wem er vielleicht doch nicht koalierén werdén will. Gut, die Piraten nahmen sich ein Beispiel an ihren Vorläufern bei Asterix – sie versenkten sich mit Genuss selbst.

Deshalb liebe Wählerinnen und Wähler, wundern Sie sich nicht, dass Sie Horst Seehofer mit einer absoluten Mehrheit ausgestattet haben. Es ist ja nur für vier Jahre und die Zeit vergeht so schnell – gerade noch hatten wir in Bayern die erste Räterepublik Deutschlands und jetzt schon wieder das 55. Jahr einer CSU-geführten Regierung.

Die fünf Spitzenkandidaten der Parteien in Bayern: CSU-Vorsitzender Horst Seehofer (CSU,von links), Christian Ude (SPD), Freier Oberwähler Hubert Aiwanger, Grünen-Fraktionsvorsitzende Margarete Bause, Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP).

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