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Baerbock betont nach Macron-Äußerung zu Taiwan Einigkeit der EU

Schwierige Mission: Außenministerin Baerbock will in der Hafenstadt Tianjin und der Hauptstadt Peking das deutsch-chinesische Verhältnis neu austarieren. Die politischen Gespräche sind ein Balanceakt.

Außenministerin Annalena Baerbock hat am Rande ihres China-Besuches versucht, angesichts umstrittener Äußerungen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zum Konflikt um Taiwan den Eindruck europäischer Unstimmigkeit zu zerstreuen. Macron habe am Vortag «noch einmal unterstrichen, dass die französische Chinapolitik eins zu eins die europäische Chinapolitik widerspiegelt», sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag in der Hafenstadt Tianjin. Bei allen Differenzen in der EU sei es eine Stärke, «dass wir bei den zentralen Fragen von unseren Interessen und Werten nicht nur nah beieinander sind, sondern gemeinsame strategische Ansätze verfolgen».

Macron hatte in Interview-Äußerungen nach seinem China-Besuch in der vergangenen Woche Europa zu einem eigenständigeren Kurs in der Taiwan-Frage aufgerufen und betont, Europa solle gleichermaßen Distanz zu China und zu den USA halten.

Baerbock unterstrich, es sei «ein sehr wichtiges Zeichen» gewesen, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der französische Präsident gemeinsam in China gewesen seien. Wenn man einen Binnenmarkt teile, könne man «gar keine unterschiedlichen Positionen zu dem größten Handelspartner der EU» – China – «und insbesondere zu Deutschland fahren». Zugleich warnte Baerbock angesichts der möglichen weltweiten Folgen für die Lieferketten vor einer militärischen Eskalation in der Straße von Taiwan.

Die EU habe schon vor einiger Zeit deutlich gemacht, dass China Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale sei, sagte Baerbock. Man könne das China von heute nicht mehr mit den Maßstäben von gestern messen. Es sei aber auch klar, dass man «an dieser aufstrebenden Weltmacht, an einem Volk mit Milliarden von Menschen, an einem unserer größten Handelspartner» nicht nur nicht vorbeikomme. Vielmehr sei ein enger Austausch nötig, gerade auch im Sinne der Menschen, der Beschäftigten und der Wirtschaft.

«Klar ist aber auch, dass wir in einigen Bereichen Abhängigkeiten von China haben, die nicht gesund sind», stellte Baerbock fest. Dies bedeute «nicht Entkopplung. Aber es bedeutet, seine Risiken zu minimieren und sich bewusst zu machen, dass man durch wirtschaftliche Abhängigkeiten auch Gefahren hervorbringen kann.» Deswegen werde die wirtschaftliche Sicherheit eine zentrale Frage in der Chinastrategie sein, die die Bundesregierung derzeit in enger Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern schreibe. China ist mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern knapp vor Indien das bevölkerungsreichste Land der Welt.

Auch angesichts der Rückendeckung Pekings für Russlands Präsident Wladimir Putin dürfte die Reise für Baerbock eine der diplomatisch schwierigsten Missionen ihrer bisherigen Amtszeit sein. Es liege «in unserem maximalen Interesse, dass der russische Angriffskrieg endlich gerecht beendet wird», sagte die Ministerin. Dies könne Putin. «Und ein Land hat am meisten Einfluss auf Russland und das ist China».

Besuch beim Getriebe-Produzenten für Windturbinen

Beim Windkraft-Getriebe-Produzenten Flender machte sich Baerbock in Tianjin ein Bild von den in China boomenden erneuerbaren Energien. Flender stellt Getriebe für Windturbinen her, beschäftigt weltweit mehr als 8000 Mitarbeiter und hat Standorte in Europa, den USA, Indien und China. In Tianjin werden Getriebe in Antriebskomponenten montiert. Der kaufmännische Geschäftsführer von Flender in China, Martin Kaufung, schwärmte von einer «gigantischen Auftragslage». Und man sei schnell: Vom Angebot bis zur Aufstellung eines neuen Windkraftrades dauere es in China ein halbes Jahr. Davon können Windkraftanhänger in Deutschland nur träumen.

Zwar liegt China auf Platz eins der Treibhausgas-Emittenten und trägt über 32 Prozent der globalen Emissionen bei. Doch der Anteil von erneuerbaren Energien hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen.

Baerbock bei Deutsch-Schülerinnen und -Schülern

In einer Pasch-Partnerschule, die zu einem Netzwerk von weltweit mehr als 2000 Schulen gehört, an denen Deutsch einen besonders hohen Stellenwert hat, holte sich Baerbock einen Eindruck über die Wünsche junger Chinesen. Gut die Hälfte der Frauen und Männer aus 11. und 12. Klassen hat nach eigenen Angaben schon die Zusage, bei einer deutschen Uni studieren zu können. Auf die Frage, an was man bei Deutschland denke, nannte eine Schülerin den Fußball. Ein Schulkamerad erwähnte Kunst und Kultur, Brahms und Wagner.

Heikle Gespräche am Freitag

Am Freitag folgen für Baerbock die schwierigen politischen Gespräche in Peking. Mit dem neuen chinesischen Außenminister Qin Gang will sie den deutsch-chinesischen Strategischen Dialog fortsetzen. Später ist ein Gespräch mit dem chinesischen Vizepräsidenten Han Zheng geplant.

Aktivisten appellierten an Baerbock, sich für die sofortige Freilassung der am Montag zu hohen Haftstrafen verurteilten Bürgerrechtler Xu Zhiyong (50) und Ding Jiaxi (55) einzusetzen. Die beiden prominenten Juristen waren wegen «Untergrabung der Staatsgewalt» zu 14 und 12 Jahre Gefängnis verurteilt worden. Yaqiu Wang von der in New York ansässigen Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch forderte, Baerbock solle «unzweideutig die Besorgnis über die Verfolgung in Xinjiang, Tibet und Hongkong zum Ausdruck bringen».

Die Pekinger Führung sieht Baerbock mit ihrer eher kritischen Haltung gegenüber China ein wenig als Störfaktor in den Beziehungen – auch nach dem Besuch von Kanzler Olaf Scholz (SPD) im November. Nun hofft die Führung in Peking darauf, dass deutsche China-Politik wie schon unter Angela Merkel eher im Kanzleramt gemacht wird.

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