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Auf der Matte bleiben: Schneefreie Schwünge auf einer Kunststoffpiste

Ohne künstliche Beschneiung geht in vielen deutschen Skigebieten schon lange nichts mehr. In dieser Saison aber war es so warm, dass selbst Schneekanonen nicht laufen konnten. Jetzt probieren es manche mit einem Kunstschnee, der nicht mehr wegschmilzt.

«Cool» finden es die Kinder. Statt auf Schnee rutschen sie erstmals auf Kunststoffmatten bergab. Schnee ist in dieser Saison Mangelware. Grüne Wiesen und stillstehende Lifte – das war wochenlang in vielen Gebieten das Bild. Sogar für Flocken aus Schneekanonen war es oft zu warm, mit zum Jahresausklang an die 20 Grad. Die Bergbahnen Hocheck in Oberaudorf gehen einen neuen Weg: Am Freitag startete der Betrieb auf einer Mattenpiste.

Just als die ersten Gäste, darunter Kinder der Skischule Top on Snow, ihre Bögen probieren, fängt es an zu schneien. Am Samstag soll die echte Piste endlich öffnen. Als vollwertigen Ersatz sind die Matten aber auch nicht gedacht. «Es ist eine Abrundung, eine Ergänzung», sagt Hannes Rechenauer, Geschäftsführer der Bergbahnen. Mehrere Medien hatten über die Hocheck-Piste berichtet.

Auf den ersten Blick ist ein Mittelding aus Kunstrasen und Fußabstreifer, auf dem die Kinder und ein paar erwachsene Skifans bergab gleiten. Rund 80 000 Euro haben die etwa 800 Quadratmeter Piste gekostet – gemessen an den unendlichen Hängen der Schweiz, Österreichs oder Frankreichs ein kleiner Klecks in der Landschaft.

«Ich bin skeptisch hergefahren», sagt Skischulleiter Rupert Nagl. Aber nach dem Test: «Vom Skigefühl ist es Schnee sehr ähnlich». Für Anfänger sei das eine sehr gute Möglichkeit zum Üben. «Skierlebnis, Wintersport ist das natürlich nicht.» Die kleine Veronika hat mit ihren Freunden Spaß, aber: «Ich find‘s bei normalem Schnee schöner.»

Die Hoffnung von Bergbahn-Chef Rechenauer: Dass mit den Matten schon im Oktober Skikurse starten und «Anfänger und Wiedereinsteiger die ersten Schwünge probieren können. Sie müssen dann nicht auf Gletscher ausweichen». Kürzere Anfahrt – gut fürs Klima.

Umweltschützer sind dennoch nicht begeistert. Sie verweisen auf eine energieintensive Herstellung, Mikroplastikabrieb und Schäden für schützenswerte Wiesen. «Auch Matten bringen ökologische Probleme mit sich», sagt Martin Geilhufe vom Bund Naturschutz in Bayern. Ein Landwirt, der eine nahe Alm bewirtschaftet, findet: Ein Event sei das, gut für die Region. Aber mit Blick aufs Mikroplastik: «Ich krieg nicht mal mehr einen Plastikstrohhalm für die Kinder her.» Die Hersteller verweisen auf Unterlagen, die den Abrieb aufnehmen sollen.

Im Skispringen werden seit Jahrzehnten Matten verwendet, 2022 erstmals im Weltcup. Die Kopenhagener ziehen Schwünge auf einer Müllverbrennungsanlage. Auch in anderen Ländern und in Deutschland gibt es ein paar meist kleine Textilpisten. Der britische Rennläufer Dave Ryding fuhr als Kind nur auf Matten, ehe er mit zwölf Jahren erstmals auf Schnee startete. Vor einem Jahr feierte er in Kitzbühel den ersten Weltcup-Erfolg eines Briten bei den Alpinen überhaupt.

Im Ski-Land Bayern ist man eher zurückhalten. Bei der Bayerischen Zugspitzbahn heißt es, man habe «bis dato noch nie über Matten nachgedacht. «Wir sehen das nicht als Alternative zum Schnee.» Auch der Verband Deutscher Seilbahnen sieht keinen Trend. «Das eigentliche Wintergeschäft ist das Skifahren auf Schnee, draußen in der Natur, an der frischen Luft und vor einem Bergpanorama.» Nun gebe es Neuschnee, man blicke zuversichtlich auf die weitere Saison.

Hersteller berichten allerdings gerade in dieser Saison über steigende Nachfrage nach dem wärmeresistenten Schnee-Ersatz. «Unser Lager ist leer. Es geht täglich noch Ware raus», sagt Jens Reindl, Geschäftsführer der Chemnitzer Firma Mr. Snow, die ihr teils aus Baumwolle bestehendes Produkt «textilen Schnee» nennt. Zu Reindls Kunden zählen Skischulen und -clubs in Sachsen, im Sauerland, im Kleinwalsertal und im Bayerischen Wald. Weiß und Grün sind die Teppiche – je nachdem, ob sie im Sommer liegen bleiben sollen.

Das Oberaudorfer Unternehmen Skitrax World sieht einen internationalen Zukunftsmarkt. «Wir haben Projekte in der Realisierung für neue Mattenskipisten in der Größe von 1000 bis 8000 Quadratmeter und mehr», sagt Geschäftsführer Wolfgang Schmidt.

Man sei im Kontakt mit einer arabischen Investmentgesellschaft für ein Matten-Pisten in Saudi-Arabien im Skigebiet Trojena, das dann ganzjährig genutzt werden könne, sagt Schmidt. Vor allem arabischen Staaten und viele Länder Asiens seien interessiert. Angesichts des schlechten Winters in den Alpen rechne er auch mit weiteren Aufträgen aus europäischen Skigebieten. Es gebe eine professionelle Alternative für der schneelose Zeit – «aber sie ist noch nicht salonfähig».

In Willingen im Sauerland rutschen bei der Skischule Upland Kinder bei Schneemangel seit acht Jahren auf Textilschnee bergab. «Man hat immer weniger Schnee und es ist oft nicht kalt genug – aber ich habe immer durchgehend meine Skischule aufmachen können», sagt die Inhaberin. «Ich finde die Matten sehr gut.»

Einig sind sich die meisten: Das Wintererlebnis in tief verschneiter Landschaft können die Matten nicht ersetzen. So hoffen Wintersportler und Liftbetreiber auf den Schnee, der nun endlich kommen soll.

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