Danzig (dpa/tmn) – Nach den verheerenden Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges wieder aufgebaut, ist Danzig eine der schönsten Städte an der Ostsee. Läuft man von der Speicherinsel über die Frauengasse, die Mariacka, am Rathaus vorbei bis zu den Markthallen, beeindrucken die in der Architektur der Backsteingotik wiedererrichteten Gebäude.
Direkt am Flussufer der Mottlau dominiert der einst größte Hafenkran des Mittelalters die Promenade der touristisch belebten Rechtstadt (Glowne Miasto), die als Prachtviertel Danzigs gilt.
Wenige Meter weiter ragt die Marienkirche dem Himmel entgegen. Sie ist die größte Backsteinkirche Europas. Die imposante Nikolaikirche passierend, gelangt man zur Brigittenkirche, deren elf Meter hoher Bernsteinaltar Scharen von Touristen in das Gotteshaus lockt.
All diese Wahrzeichen eint ihr Ursprung in einer Periode, in der Danzig zum Einflussbereich des Deutschritterordens gehörte und sich als Hansestadt dynamisch entwickelte.
Hochzeit der Backsteingotik
Rund um die Ostsee entstanden in dieser von gedeihendem Handel geprägten Zeit vom 14. bis zum 16. Jahrhundert eine Vielzahl von Kirchen, aber auch Profanbauten – wie das Holstentor und das Rathaus in Lübeck oder das Stralsunder Rathaus mit seiner gotischen Fassade.
Es ist erstaunlich, wie viele Monumentalbauten aus den gebrannten Backsteinen in einem relativ kurzen Zeitraum aus dem Boden schossen. Viele davon lassen sich auf der Europäischen Route der Backsteingotik von Dänemark bis Danzig erkunden.
Allein im Gebiet zwischen unterer Weichsel und Memel sollen unter der Ägide der Deutschritter rund 120 Ordensburgen erbaut worden sein. Wer alle wieder zugänglichen Burganlagen der Deutschritter erkunden möchte, sollte einen längeren Urlaub planen: Ihre Burg- und Schlossanlage in Danzig fiel zwar 1454 einem Aufstand zum Opfer, aber 16 weitere Ordensburgen stehen Besuchern im Gemeindeverband Polnische Gotische Burgen weiterhin offen.
Die Marienburg und ihre beeindruckenden Maße
Will man in wenigen Tagen einen gewissen Eindruck vom Reich des Deutschritterordens erhalten, muss man die 60 Kilometer von Danzig entfernte Marienburg besuchen, in der von 1309 bis 1454 der Hochmeister des Ordens residierte.
Allein die Abmaße des größten Backsteinbauwerks Europas lassen Besucher staunen: Millionen von Mauerziegeln ließen die Ritter hier zwischen 1276 bis Ende des 14. Jahrhunderts auf einem 21 Hektar großen Gelände verbauen. Eine enorme Leistung, wenn man bedenkt, dass ein großer Brennofen damals maximal 80 000 Ziegel im Jahr produzieren konnte. 60 000 Quadratmeter Dachfläche bedecken die Burganlage, die als sakrale Stätte, als Wehranlage und als Verwaltungs- und Repräsentationsbau samt Wohnbereich diente.
Nach den Kreuzzügen aus dem Heiligen Land vertrieben, baute der Deutsche Orden hier seine neue Machtzentrale auf und nutzte dazu ein Hilfeersuchen des Masowischen Herzogs, der sich von den Prußen bedroht fühlte – einem baltischen Volksstamm, aus dessen Name schließlich Preußen abgeleitet wurde.
Mit seinem gotischen Baustil, großen Fensterflächen, Heizungs- und Sanitäranlagen gehörte die Marienburg zu den modernsten Bauten ihrer Zeit. Als der Deutsche Orden im Jahr 1257 die Genehmigung des Papstes zum freien Handel erhielt, führten die Einnahmen durch den Export von Holz und Getreide zu einer wirtschaftlichen Blüte und den stetigen Ausbau der gewaltigen Burganlage.
Als äußerst ertragreich erwies sich dabei auch das Handelsmonopol der Ritter für Bernstein. Einen Eindruck von den begehrten Schmuck- und Kunstwaren, die aus dem «Gold der Ostsee» entstanden, vermittelt die Bernstein-Ausstellung in der Marienburg.
Kontrollposten für großes Herrschaftsgebiet
Ungefähr 40 Kilometer südlich gestatten die Mitte des 14. Jahrhunderts gebaute Domkirche und die Burg Kwydzyn (Marienwerder) weitere Einblicke in das Leben der Ordensritter, die ihre Anlagen östlich der Weichsel in einem engmaschigen Netz errichteten, um so die Kontrolle über ihr großes Herrschaftsgebiet zu gewährleisten.
Kirche und Burg sind nicht nur wegen der dortigen Gräber von Hochmeistern sehenswert. Eine Ausstellung illustriert, wie hart Leben und Arbeit für die Landbevölkerung in der Region früher waren.
In Marienwerder vereinigten sich 1440 die unter den Abgaben und Zöllen der Ritter leidenden Städte und der Landadel zum Preußischen Bund, der gemeinsam mit Polen und Litauen den Orden bezwang.
Relaxen im einstigen Deutschritter-Schloss
20 Kilometer nordwestlich von Marienwerder und auf der anderen Seite der Weichsel wird die wehrhafte Tradition der Ritter im Schloss Gniew (Mewe) wachgehalten.
Jedes Jahr in der letzten Juniwoche kann man hier einem Ritterturnier beiwohnen und in der ersten Augustwoche stellen mutige Streiter in blecherner Rüstung die Schlacht von Gniew nach, als Polen und Litauer 1626 im Schwedisch-Polnischen Krieg den Mannen Gustav Adolfs unterlagen. Klirrende Schwerter, rasselnde Rüstungen, stampfende Pferdehufe und das Sturmgebrüll der Angreifer inklusive.
Die Umwandlung des Schlosses in ein Hotel mit Wellnessbereich macht es Besuchern dieser eindrucksvollen Inszenierungen besonders bequem. Kampfgetümmel und anschließendes Relaxen im einstigen Schloss der Deutschritter – lässt sich ein mittelalterliches Geschichtserlebnis noch besser mit einem erholsamen Urlaub kombinieren?
Info-Kasten: Burgen um Danzig
Anreise: Danzig ist mit Bahn und Fernbus zu erreichen. Von mehreren deutschen Städten gibt es auch Direktflüge.
Nützliche Links:
– Gemeindeverband Polnische Gotische Burgen: http://zamkigotyckie.org.pl/
– Marienburg: www.zamek.malbork.pl
– Marienwerder: http://zamek.kwidzyn.pl/
– Schloss Gniew: https://www.zamek-gniew.pl/de/
Allgemeine Informationen: Polnisches Fremdenverkehrsamt, Hohenzollerndamm 151, 14199 Berlin (Tel.: 030 2100 920, E-Mail: info.de@polen.travel, Web: www.polen.travel/de)