EuropaTipps

«Andere Art der Fliegerei» – Der Weg zum Zeppelin-Piloten

Sie sind seltener als Astronauten: Auf der Welt gibt es nicht einmal 20 Zeppelin-Piloten. Drei neue sollen dazu kommen. Ausgebildet werden sie am Bodensee, abheben sollen sie aber woanders.

Unter den Wolken, schwebend im Zeppelin – für viele Menschen ist das ein Traum, den sie sich viel Geld kosten lassen. Für Viktor Schacht soll das bald Berufsalltag werden. Der Pilot schult um vom großen Passagierflugzeug zum Luftschiff. Seit März lässt sich der 36-Jährige in Friedrichshafen am Bodensee zum Zeppelin-Piloten ausbilden – abheben soll er aber nach der Ausbildung woanders.

Denn Schacht gehört zu einer Riege von drei Nachwuchskräften, die extra für den Flughafen Essen/Mülheim ausgebildet werden. Dort werden ab Mai 2024 Flüge etwa über Düsseldorf, Bochum oder Duisburg angeboten. Dafür lässt die Deutsche Zeppelin-Reederei (DZR) extra ein drittes Luftschiff bauen. Für Schacht ein Heimspiel, denn eigentlich lebt er im Ruhrgebiet.

Geboren wurde der 36-Jährige auf der russischen Halbinsel Kamtschatka im Pazifik. Seine Eltern seien am dortigen Flugplatz Meteorologen gewesen. «Ich konnte schon als Dreijähriger ganz viel Zeit am Flugplatz verbringen», sagt der Pilot. «Da habe ich mich mit dem “Fliegervirus” infiziert.»

2007 sei er bei Air Berlin in die Piloten-Ausbildung gestartet. Nach dem Ende der Ausbildung flog er im Airbus Tausende Menschen in den Urlaub. Bis zu 12 000 Meter in die Höhe hob er dafür ab. Beim Zeppelin sind es jetzt nur noch 300 Meter mit etwa 14 Passagieren an Bord.

«Es macht Spaß, den Zeppelin zu steuern», sagt Schacht. In Reiseflughöhe lasse er sich tatsächlich ein bisschen wie ein Schiff lenken. «Ich bin Segler und mir kommt das bekannt vor», sagt er. Das sei eine andere Art der Fliegerei. «Es ist ein Luftschiff, wir haben manchmal ein bisschen Seegang.»

Zeppeline habe er immer auf dem Schirm gehabt, so Schacht weiter. «Ich fand die immer toll – aber der Weg zum Zeppelin-Piloten war für mich nicht immer so greifbar.» Während der Corona-Pandemie sei er dann fast zwei Jahre lang gar nicht mehr geflogen. «Das hat mir die Zeit gegeben, zu reflektieren und mich neu zu orientieren.» Den Weg zum Zeppelin habe er über die Stellenanzeige der Reederei gefunden, die genau zur richtigen Zeit gekommen sei. «Ich habe mich beworben und es hat gepasst.»

Wer Zeppelin-Pilot werden will, braucht fliegerisches Können. Bewerber müssen eine europäische Berufspilotenlizenz für Flugzeuge oder Helikopter mitbringen. Mindestens 450 Flugstunden muss ein Anwärter laut Deutscher Zeppelin-Reederei absolviert haben. Normalerweise steuert nur ein Zeppelin-Pilot das Luftschiff. Während der Piloten-Ausbildung sind es zwei.

Zu den erfahrensten Piloten der Reederei gehört Chefpilot und Flugbetriebsleiter Fritz Günther. Seit Ende der 1990er-Jahre ist er Zeppelin-Kapitän. Seinen Job liebt er heute noch. Mit einem Luftschiff sei man sehr nah am Wetter, so Günther. «Diese Auseinandersetzung mit der Technik, dem Wetter, dem händischem Fliegen und dem Umgang mit dem Helium und der Physik macht die Sache echt spannend.»

Die Gondel, in der hinter dem Piloten die Passagiere sitzen, hat große Panorama-Fenster. Man sitzt darin wie in einem Privatjet, nur dass man nicht durch die Wolken schießt, sondern mit ihnen zu schweben scheint. Günstig ist das Abenteuer über dem Bodensee nicht.

Eine zweistündige Rundfahrt in dem 75 Meter langen Koloss, der mit dem Edelgas Helium gefüllt ist, kostet 1060 Euro pro Person. Den 45-Minuten-Trip gibt es für 470 Euro. «Der hohe Preis liegt am relativ hohen Aufwand für eine verhältnismäßig kleine Flotte», erklärt der stellvertretende DZR-Geschäftsführer, Michael Schieschke. «Außerdem werden im Zeppelin extrem wenige Großserienteile verbaut und gewartet.»

Die Nachfrage nach den Flügen steige stetig an. «Wir befördern 25 000 Passagiere jedes Jahr», so Schieschke. «Es ist etwas, was man genau einmal im Leben macht.» Die Arbeit mit dem Luftschiff sei auch für das Team besonders. «Wir arbeiten alle hier, weil wir so fasziniert sind von Zeppelinen.» Viele andere Menschen seien ebenso begeistert.

Der Luftschifffahrt zum Durchbruch verholfen hat Ferdinand Graf von Zeppelin (1838-1917). Das erste Starrluftschiff baute der Pionier in der Bodenseebucht von Manzell. Die große Ära der Luftschiffe begann mit dem Aufstieg der «LZ1» im Sommer 1900 über dem Bodensee. Die Passagierluftschifffahrt endete mit dem Absturz der «Hindenburg» in den USA im Mai 1937.

«Kein Flugzeug konnte zur damaligen Zeit so weit ohne Zwischenlandung fliegen wie ein Zeppelin», sagt Jürgen Bleibler vom Zeppelin-Museum in Friedrichshafen. Neben der Reichweite habe auch die Größe und Ästhetik der Luftschiffe die Faszination ausgemacht. «Der Zeppelin war so groß wie ein Schiff und schwebte am Himmel.» Er war die schnellere Alternative zum Schiff.

«Zeppeline haben schnelle Interkontinentalreisen zwischen Europa und Nord- und Südamerika ermöglicht.» Die Reisezeit in die USA habe zwei bis drei Tage betragen. Mit schnellen Schiffen sei man je nach Hafen etwa in fünf bis sechs Tagen am Ziel gewesen.

Am Bodensee fliegen seit 2001 Zeppeline der neuen Technologie (NT) Passagierflüge. Sie sind kompakter und haben eine andere Innenstruktur als ihre historischen Vorgänger. Gefüllt sind die heutigen Zeppeline nicht mehr mit brennbarem Wasserstoff, sondern mit Helium. Angetrieben werden sie von drei Motoren. Sie haben eine Reichweite von rund 1000 Kilometern und erreichen eine Maximalgeschwindigkeit von 125 km/h. Der Name ist markenrechtlich geschützt für die Zeppelin Luftschifftechnik in Friedrichshafen.

Neben Deutschland gebe es auch in den USA zwei Zeppelin-Standorte, mit Luftschiffen vom Bodensee. Dort würden aber vor allem Werbeflüge stattfinden, so Schieschke. Friedrichshafen sei aktuell der einzige Platz auf der Welt, an dem man gegen Geld mit einem Luftschiff fliegen könne. Laut DZR gibt es weltweit weniger als 20 Zeppelin-Piloten und Pilotinnen. Bezahlt würden die Männer und Frauen auf «Airline-Niveau» für eine 40-Stunden-Woche.

Seine Theorieprüfung hat Zeppelin-Pilotenanwärter Schacht schon bestanden. Neben der Technik sei etwa auch die Flugphysik abgefragt worden. «Die ist bei einem Zeppelin ganz anders als bei einem Flugzeug.» Nun heißt es Praxisstunden sammeln. «Ich erwarte, dass ich im September fertig werde», sagt er.

Das Beste an den Flügen mit dem Zeppelin seien die Landungen, sagt Schacht. «Man fliegt den Landeplatz komplett von Hand an, man fliegt oftmals noch eine relativ enge Kurve ganz zum Schluss und landet dann senkrecht – das ist etwas ganz anderes als mit einem Airbus.» Das Ganze sei definitiv cooler, als er es sich vorgestellt habe.

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"