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Karlsruhe zu Parlamentsrechten

Die Bundesregierung muss dem Parlament Rede und Antwort stehen, dazu verpflichtet das Grundgesetz. In wichtigen Fragen aber fühlen sich die Grünen mit Ausflüchten und Allgemeinplätzen abgespeist. Vor dem Bundesverfassungsgericht streiten sie nun um Einblick.

Karlsruhe (dpa) – Ob marode Brücken, Übergriffe auf Flüchtlinge oder türkische Spionage auf deutschem Boden – mit weit mehr als 3500 Fragen und Anfragen haben die Bundestags-Abgeordneten der Regierung seit der Wahl 2013 zu den unterschiedlichsten Themen auf den Zahn gefühlt. Aber nicht immer stellen die Antworten die Fragesteller zufrieden. Die Grünen sehen ein zentrales Parlamentsrecht in Gefahr. Vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe pochen sie an diesem Dienstag und Mittwoch auf weitreichende Auskunft. (Az. 2 BvE 2/11)

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts – Peter M. Huber (l-r), Präsident Andreas Voßkuhle, Monika Hermanns, Sibylle Kessal-Wulf und Ulrich Maidowski – kommt am 09.05.2017 in Karlsruhe (Baden-Württemberg) beim Auftakt der Verhandlung über die Informationsrechte des Bundestags gegenüber der Bundesregierung in den Verhandlungssaal. Die Grünen im Bundestag streiten seit Dienstag vor dem Bundesverfassungsgericht dafür, umfassende Antworten der Bundesregierung auf mehrere parlamentarische Anfragen zu bekommen.

Um was genau geht es?

Vor mehr als sechs Jahren, 2010, richten die Grünen mehrere Anfragen an die – damals noch schwarz-gelbe – Bundesregierung. Gleich dreimal geht es um die Deutsche Bahn: Die Parlamentarier wollen wissen, wie bestimmte Entscheidungen über Verkehrsprojekte zustande gekommen sind, warum Züge oft größere Verspätungen haben und wie es sein kann, dass Wirtschaftsprüfer die Kostenexplosion bei Stuttgart 21 nicht vorausgesehen haben. Andere Anfragen gehen möglichen Versäumnissen der Bankenaufsicht in der Finanzkrise nach. Aber die Antworten tragen aus Sicht der Grünen nicht zur Aufklärung bei. Sie fühlen sich von der Regierung mit Allgemeinplätzen und Ausflüchten abgespeist.

Weshalb sind solche Anfragen wichtig?

«Das Fragerecht ist für uns eines der zentralen Instrumente parlamentarischer Arbeit», sagt Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz. Jeder Abgeordnete hat das Recht, pro Monat bis zu vier schriftliche Fragen zu stellen, die binnen einer Woche beantwortet sein sollen. Größere Breitenwirkung haben die umfangreicheren Kleinen Anfragen, hinter denen mindestens fünf Prozent der Parlamentarier oder eine Fraktion stehen müssen. Vor allem die Opposition nutzt die Gelegenheit, um da, wo es hakt, den Finger in die Wunde zu legen oder eigene Themen auf die Agenda zu heben. Die Antworten lassen sich gut an die Medien weitergeben. Das garantiert Öffentlichkeit.

Warum rufen die Grünen das Verfassungsgericht an?

Das Fragerecht steht nicht nur in der Geschäftsordnung des Bundestags, sondern leitet sich direkt aus dem Demokratieprinzip ab. Gibt es um solche grundgesetzlich verbrieften Rechte und Pflichten Streit zwischen den obersten Bundesorganen, entscheidet Karlsruhe in einem sogenannten Organstreitverfahren. In diesem Fall richtet sich die Klage gegen die Bundesregierung. Die Grünen pochen als Fraktion und mit mehreren einzelnen Abgeordneten auf Rechte, die nach ihrer Auffassung nicht nur ihnen, sondern dem gesamten Bundestag zustehen.

Was haben die Richter zu klären?

Bei allen Anfragen geht es um Unternehmensinterna, von denen die Bundesregierung aufgrund ihrer Aufsichtsfunktion Kenntnis bekommt. Die Grünen sind der Meinung, dass diese Informationen auch die Abgeordneten etwas angehen. Sonst könnten sie weder kompetent über den Haushalt entscheiden noch Reformen anstoßen, wenn Dinge schief laufen. «Wenn die Exekutive ihr Herrschaftswissen für sich behält, stochert das Parlament im Nebel herum», kritisiert von Notz. Die Bundesregierung sieht sich dagegen durch das Aktiengesetz und andere Vorschriften zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Frage ist, ob sie berechtigterweise mauert – oder Parlamentsrechte ausgehöhlt werden.

Wie geht es weiter?

In der zweitägigen Verhandlung haben beide Seiten Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge vorzubringen. Der Zweite Senat unter Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle hört auch Sachverständige. Dann beraten die acht Richter im Geheimen. Einen Verkündungstermin für das Urteil gibt es erfahrungsgemäß erst nach einigen Monaten.

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