Düsseldorf (dpa) – Siegfried Kaidel ist seit Dezember 2014 Sprecher der olympischen Spitzenverbände des Deutschen Olympischen
Sportbundes. Am Sonntag wollen der Ruder-Präsident und seine Kollegen mit der DOSB-Spitze über die Wahl des deutschen Olympia-Bewerbers aber nicht nur beraten, sondern am Ende ein Votum für Berlin oder Hamburg abgeben. «Wir wollen unter den Verbänden bei der Sitzung eine Meinungsabfrage machen», kündigte er im Interview der Deutschen Presse-Agentur an.
Hamburg liegt laut der Forsa-Umfrage im Duell der deutschen Bewerber um die Ausrichtung der Olympischen Spiele und Paralympics 2024 mit 64 Prozent Bürgerzustimmung gegenüber 55 Prozent in Berlin vorn. Ist damit eine Vorentscheidung gefallen?
Kaidel: Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es nur ein Puzzlestein im ganzen Kriterienkatalog ist. Das Umfrageergebnis fließt mit ein. Jetzt einfach zu sagen, dass ist ein klares Votum, wäre zu einfach.
Sie haben die beiden deutschen Olympia-Bewerberstädte besucht. Wie ist Ihr Eindruck?
Kaidel: Beide Städte haben einen sehr guten Eindruck gemacht und sind gut vorbereitet. Sie haben sich auch über Details viele Gedanken gemacht, die Interessen der Sportler hinterfragt und Kontakt mit den Sportverbänden aufgenommen, um zum Beispiel zu erkunden, ob die geplanten Sportstätten so okay wären.
Worauf legen die Spitzenverbände bei den Olympia-Konzepten der beiden Städte besonders Wert?
Kaidel: Es kann nur der Sportler im Mittelpunkt stehen, alles andere muss hintenan stehen. Wichtig sind gute Anfahrtswege, die Unterbringungen und die Sportstätten. Die Funktionäre stehen an zweiter Stelle.
Die Olympia-Bewerbung für die Sommerspiele 2024 ist nach dem Scheitern Münchens unerwartet schnell auf den Weg gebracht worden. Halten Sie diese Eile für richtig?
Kaidel: Wenn nicht jetzt, wann dann! Deutschland ist so weit, Olympische Spiele und Paralympics auszurichten. Es würde einen Aufschwung für den Sport und Deutschland sowie einen Ruck für fast alle Sportarten geben. Dadurch würde natürlich selbstverständlich auch die Förderung des Spitzensports vorangetrieben werden.
Gibt es denn eine Stagnation im deutschen Spitzensport?
Kaidel: Es muss Schwung in den gesamten Sport reinkommen. Wenn wir weiter Erfolg haben wollen, müssen wir anfangen, etwas zu tun. Es muss etwas passieren.
Die Spitzenverbände sind am Sonntag vom DOSB zu einer Beratung über die Auswahl der Bewerberstadt eingeladen. Einen Tag später entscheidet das DOSB-Präsidium, ob Berlin oder Hamburg ins Rennen geht. Welchen Einfluss können die Verbände da noch nehmen?
Kaidel: Das Treffen am 15. März wurde im Dezember in Dresden vereinbart. Es wurde deutlich gemacht, dass die olympischen Verbände einbezogen werden wollen. Wir wollen unter den Verbänden bei der Sitzung eine Meinungsabfrage machen. Wie das Prozedere sein wird, ob in geheimer oder offener Abstimmung, wird bei der Sitzung besprochen werden. Das Ergebnis wird einen Tag später in die Präsidiumssitzung, zu der ich eingeladen bin, einfließen. Wenn ich dann sage könnte, 90 Prozent der Verbände sind für die Stadt A oder B, wird das schon einen Einfluss haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein klares Votum der Verbände ignoriert wird. Deshalb möchte ich von meinen Verbandskollegen ein klares Votum, das ich im Expertengespräch und im DOSB-Präsidium vertreten soll.
Ist der Weg der Entscheidung im Bewerberduell der richtige? Am Ende entscheidet das DOSB-Präsidium allein und die Mitgliederversammlung des DOSB am 21. März stimmt pro forma nur zu.
Kaidel: Im Nachhinein ist man immer ein Stück weiter. Welches der richtige Weg ist, ist schwer zu beurteilen. Wir haben eine Entscheidung getroffen. Keiner kann sagen, es ist uns aufgedrückt worden. Zu dieser Entscheidung muss man stehen.
Wie schätzen Sie die Chancen auf internationalem Parkett für einen deutschen Bewerber ein? In Boston gibt es einen starken US-Kandidaten und für 2024 dürfte Deutschland aller Voraussicht nach auch den Zuschlag für die Fußball-EM erhalten…
Kaidel: Boston ist keine Stadt, die in den USA den Mittelpunkt bildet. Die USA hat einen Grundbonus. Hamburg als Tor zur Welt ist wegen der internationalen Kontakte aber nicht zu unterschätzen. Und Berlin hat ohnehin eine große Bekanntheit in der Welt und ist Hauptstadt. Wir wollen am Schluss nicht Hamburg oder Berlin sagen, sondern dass es eine deutsche Bewerbung ist. Wenn wir das nicht rüber bringen, ist es egal, welche Stadt ins Rennen geht. Für den gesamten Sport kann ich nur hoffen, dass es schon 2024 klappt. Wenn wir alle dafür kämpfen, warum sollten wir es nicht schaffen?
Und die Fußball-EM? Zwei große Sportereignisse in einem Jahr in Deutschland – geht das?
Kaidel: Vielleicht kann man es auch geschickt nutzen. Warum nicht die Kontakte, die der deutsche Fußball hat, in der Welt nutzen und sagen: Der Fußball kämpft auch mit für Olympia!
Was für ein Zeichen soll am 21. März in der Paulskirche gesetzt werden, wenn die deutsche Bewerberstadt von der Mitgliederversammlung des DOSB offiziell gekürt wird?
Kaidel: Es kann nur die Message sein: Deutschland will die Olympischen Spiele.