Einwohner: 615 (Kanton 2977)
Tourist-Info: 6 bd. de la Promenade, Telefon: (0033-4) 68 43 11 56, www.lagrasse.com
Ehemaliges Abtspalais: Mehrfach umgebautes, im Kern (vor-) romanisches Gebäude um einen Hof mit zwei Galerien. Juli-September 10-18 Uhr, April-Juni und Oktober 10.30-11.30 und 14-17 Uhr, Februar-März und November bis Mitte Dezember 10-11.30 und 14-16 Uhr. Telefon: (0033-4) 68 43 15 99
Kloster: Zugang neben dem Abtspalais durch das große Tor, Führung durch Mitglieder der Gemeinschaft der Regularkanoniker von der Gottesmutter, die die Anlage auch selbst restaurieren. Juni-September außer Do 15.15-17.25 Uhr. Telefon: (0033-4) 68 58 11 50, www.chanoines-lagrasse.eu
An der Rive Gauche, dem linken Ufer, vorbei am Friedhof, der von einer orthodoxen Pankrator-Darstellung bewacht wird, erreichen wir die Abtei Sainte-Marie d`Orbieu. Von den einst kraftvollen Verteidigungsanlagen dieses ersten religiösen Zentrums des Languedoc sind noch Reste erhalten.
Im Osten und Norden des über Jahrhunderte gewachsenen Baukomplexes – schon Karl der Große beauftragte Abt Nebridius 779, dem späteren Erzbischof von Narbonne, mit der Rekonstruktion eines Vorgängerbaus – befinden sich die mittelalterliche Abtei mit Kirche, Konventgebäude, das Wohnhaus des Abtes, ein Teil der Wirtschaftsgebäude und die Pförtnerloge.
Geiteilt nach der Revolution
Weiter westlich entlang des Hügels finden wir den modernen Teil mit Kreuzgang, Konventgebäuden und Eingangshof. Nach der Französischen Revolution wurde der Komplex in zwei Besitztümer aufgeteilt – der neuere Teil der Ordensgemeinschaft und die Kirche befinden sich bis heute in Besitz der Gemeinschaft der Regularkanoniker von der Gottesmutter, der mittelalterliche Teil ist Eigentum des Conseil Général des Departements Aude, der ein umfangreiches Sanierungsprogramm initiiert hat.
Die Kapelle des Abtes Auger
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts ließ Abt Auger de Gogenx eine Kapelle im Wohngebäude der Abtei errichten. Sie besteht aus zwei Ebenen mit unterer und oberer Kapelle auf gleichem Grundriss. Der Eingang befindet sich in einem Vorraum, der unten wie oben in einen Gang mündet. Die einschiffige Kapelle schließt ein Chor mit flacher Apsis ab. Vom Hof aus gelangt man in den Vorraum durch eine große Tür, deren Spitzbogen mit dem Wappen des Abtes verziert ist. An der französischen Decke der unteren Kapelle sind Spuren von Malereien erkennbar, die die gesamte Decke mit Pflanzen- und Wappendekors überzogen.
Die Wände im Vorraum der oberen Kapelle sind mit Reihen kleiner roter, schwarzer und gelber Rechtecke dekoriert und tragen in Augenhöhe ein Fries mit dem Wappen des Abts, von dem als Trompe-d`œil-Malerei ein gelber Behang ausgeht, der sich über drei Wände zu ziehen scheint. Ein lanzettförmiges Fenster verbreitet Südlicht.
Auf dem Giebelbogen des Eingangs zur Kapelle sieht man im Halbrelief den Krummstab und das Wappen des Abts und die eingravierte Gründungsinschrift von 1296. Das Bogenfeld wird von einer fein gekehlten Archievolte unterstrichen, die auf Relief-verzierte Konsolen ausläuft. Die Tür ist von zwei kleinen Säulen eingerahmt, die auf hohen, vieleckigen Sockeln stehen.
Der Türsturz ruht auf zwei Konsolen, von denen eine ein Frauenantlitz zeigt, die andere ein Fabelgesicht mit Blättern. Zwei längliche Öffnungen zu beiden Seiten der Tür erlauben einen Blick in die rechteckige Kapelle, die durch eine große Rosette und ein weiteres Fenster beleuchtet wird. Der durch eine Stufe erhöhte Chor füllt die Ostseite der Kapelle halb aus. An der Südwand befindet sich ein liturgischer Brunnen mit geometrischen Motiven und drei Wappen – gekrönt von einem ausgekehlten Dreipassbogen, der auf zwei Gesichter ausläuft.
Fantastische Kapitelle
Am östlichen Ende des Ganges im Hof führt eine Steintreppe zum ersten Stockwerk des Nordflügels des Wohngebäudes. Im Süden führt eine Treppe zum oberen Gang mit Zugang zur Kapelle Saint Barthélémy und zu den Wohnbereichen. Im Süden öffnet sich eine Tür zum Vorratsraum und zur Bäckerei. Ein Brunnen wird über einen Seitenkanal mit Wasser aus dem Fluss gespeist.
Der obere Holzgang wird von zehn Steinsäulen gestützt, von denen acht mit Kapitellen mit geometrischen und Blumenmotiven gestützt werden – zwei stellen Fabeltiere mit Blätterdekor dar, in dem Blasengel erscheinen. Wahrscheinlich stammen sie ursprünglich vom Kreuzgang oder der romanischen Kirche. An der Nordfassade mit regelmäßigem Mauerverband ist im zweiten Stockwerk ein romanisches Doppelfenster zu sehen.
Hoch über dem Kloster
Das große Tor rechts des Abtspalais führt in den Ehrenhof des Klosters mit seinen eleganten, ockergelben Sandstein-Gebäuden. Anstelle des mittelalterlichen Kreuzganges schließt sich ein cloître von 1760 an, von dem aus man die Abteikirche betritt. Die ursprünglich karolingische Klosterkirche hat ihre heutige Gestalt hauptsächlich im 13. Jahrhundert erhalten. Das romanische Querhaus mit drei von Halbkuppeln überwölbten Chorkapellen wurde im 11. Jahrhundert an den Vorgängerbau angefügt.
150 Stufen einer Wendeltreppe führen zum achteckigen Abschluss des 40 Meter hohen Glockenturms, von wo man den Blick übers Städtchen und die Landschaft schweifen lassen kann. 1537 wurde dieser clocher in die Befestigungen aus dem 14. Jahrhundert integriert.
Markthalle aus dem 14. Jahrhundert
Walfisch-förmig schmiegt sich die Altstadt von Lagrasse an die Rive droite, die wir über den Pont vieux betreten. Die mittelalterliche Bausubstanz ist hier weitgehend erhalten und folgt der ursprünglichen städtebaulichen Struktur. Vorbei an schönen Bürger- und Fachwerkhäusern in den engen Gassen erreichen wir die pittoreske Markthalle aus dem frühen 14. Jahrhundert: eine Holzkonstruktion auf steinernen Pfeilern, die ein flach gedecktes Satteldach trägt – ein steinernes Porträt verweist auf die hohe Handwerkskunst ihrer Schöpfer.