Morsum/Hamburg (dpa/tmn) – Die meisten Menschen machen sich über ihren Beckenboden erst Gedanken, wenn er Probleme bereitet. Frauen bemerken das oft nach Schwangerschaft und Geburt: Beim Niesen oder Lachen landen ein paar Tropfen in der Unterhose – ein Anzeichen für einen schwachen Beckenboden.
Doch auch für Männer kann es sich lohnen, diesem Bereich ihres Körpers etwas Aufmerksamkeit zu schenken. Dafür muss man erst einmal wissen: Der Beckenboden ist die Muskelplatte, die das Becken nach unten hin abgrenzt – das gilt für Männer wie für Frauen. Aber: «Der männliche Beckenboden ist völlig anders konstruiert als der weibliche», sagt Wolfgang Bühmann, Facharzt für Urologie und Andrologie in Morsum auf Sylt. «Bei Männern liegt als wesentliches Organ die Prostata im Beckenboden, bei Frauen ist es die Gebärmutter.»
Die Prostata: Stützpfeiler des Beckenbodens
Die Prostata liegt dabei nicht einfach nur im Beckenboden, sondern erfüllt dort eine wichtige Funktion: «Sie bildet einen großen Teil des Beckenbodens», so der Experte. «Wenn sie aufgrund einer Krebserkrankung entfernt werden muss, dann fehlt dem Beckenboden ein wesentlicher Stützpfeiler, der auch für die Harnkontinenz wichtig ist.»
Wird einem Mann die Prostata entfernt, können also Probleme im Bereich des Beckenbodens eine Folge sein. Das muss aber nicht passieren: Bühmann zufolge haben etwa 10 bis 15 Prozent der Männer nach einer Prostata-Entfernung Probleme mit der Harnkontinenz. Sie sollten den Beckenboden also speziell trainieren. «Bei allen anderen macht der Beckenboden auch nach der Operation keine Probleme und es ist kein Training notwendig.»
Ob nach einem Eingriff Probleme auftreten, hängt von verschiedenen Faktoren ab: «Unter anderem davon, wie groß der Tumor war, wie viel des Beckenbodens geschädigt wurde und wie gut das Gewebe wieder zusammengenäht werden konnte.»
Was der Beckenboden noch leistet
Prof. Frank Sommer, Universitätsprofessor für Männergesundheit, findet: Dem Beckenboden bei Männern kommt eine ganz besondere Bedeutung zu.
Die Muskelplatte im Becken, beziehungsweise die gesamte Rumpfmuskulatur, «ist nicht nur wichtig für die Kontinenz und die Sexualität, sondern für die gesamte Stabilität», sagt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit. Durch einen schwachen Beckenboden könnten Rückenschmerzen auftreten. «Es kann zur Verbiegung der Wirbelsäule kommen – bis hin zu Bandscheibenvorfällen, die entstehen können.»
Hinzu kommt: Ist die Beckenbodenmuskulatur schwach, ist es womöglich auch die Erektion. «Die Dauer der Erektionsfähigkeit hängt mit dem Beckenboden zusammen. Es geht bis hin zur Tatsache, dass der Ejakulationsreflex zu früh ausgelöst wird und der Mann unter einem sogenannten vorzeitigen Samenerguss leidet», sagt Sommer.
Doch nicht immer ist der Beckenboden verantwortlich, wenn ein Mann Erektionsstörungen hat. Die Ursachen hierfür können vielfältig sein, weshalb es eine genaue Diagnostik braucht. «Erst dann kann man auch sehen, ob die Beckenbodenmuskulatur betroffen ist und ob man diese gezielt aufbauen soll», sagt Sommer.
Hinweise auf einen schwachen Beckenboden können neben Erektionsproblemen spontane ungewollte Urinabgänge, Rückenschmerzen oder Haltungsprobleme sein. Wer in einem dieser Bereiche Probleme bemerkt, für den kann es sich also lohnen, mit einem Spezialisten oder einer Spezialistin aus der Urologie oder der Proktologie über den Beckenboden zu sprechen.
So finden Sie Ihren Beckenboden
Wer seinen Beckenboden mit Übungen stärken will, muss erst einmal herausfinden, wie er ihn überhaupt ansteuert – das ist gar nicht so leicht. «Hierbei sind insbesondere die innen liegenden Muskeln, die man von außen nicht sehen kann, ganz entscheidend», sagt Frank Sommer. «All diese inneren Muskeln sind quergestreift. Das bedeutet, dass man sie vom Kopf her steuern kann – anders als glatte Muskelzellen, die sich beispielsweise im Penis befinden und die man vom Kopf her nicht willentlich ansteuern kann.»
Um ein Gefühl für die Beckenbodenmuskulatur zu bekommen, rät das Informationsportal gesundheitsinformation.de: den Schließmuskel der Harnröhre zukneifen, als wollte man beim Pinkeln den Urinstrahl unterbrechen. Damit spannen sich automatisch die Muskeln des Beckenbodens an. Alternativ: versuchen, den Damm – also den Abschnitt zwischen Hodensack und After – in den Körper zu ziehen. Auch das sorgt dafür, dass die Muskeln des Beckenbodens arbeiten.
Trainieren kann man die Beckenbodenmuskulatur zum Beispiel mit einer Übung, die sich Beckenheben nennt. Man legt sich auf den Rücken, die Beine sind angewinkelt und stehen nah am Po. Anschließend rollt man das Gesäß nach oben, sodass es vom Boden abhebt. Oberschenkel und Oberkörper bilden dabei eine gerade Linie.